Forschung und Wissen
Fit for Future: Superbäume für die Stadt
Deutschland sucht den Superbaum: Urbanes Grün wird in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger, damit die Städte lebenswert bleiben. Doch immer mehr vertraute Stadtbäume sind durch extreme Wetterbedingungen wie Hitze, Dürre, Starkregen oder Sturm schwer geschädigt. Wissenschaftler schauen nun auf Regionen, wo es schon länger heiß und trocken ist – und finden klimaresistente Zukunftsbäume für die grünen Lungen unserer Städte.
Ein Hoch auf unsere Stadtbäume: Ohne sie wäre alles nur grau in grau
Was ist an Bäumen schon besonders? Geringschätzung haben sie nicht verdient, denn wie wichtig Bäume sind, erkennt man oft erst, wenn sie fehlen. Was wären unsere Städte ohne Grünanlagen und Parks? Und was wären diese grünen Lungen ohne Bäume und Gehölze?
Stadtbäume sind nicht nur schön anzusehen, sondern erfüllen eine Vielzahl von ökologischen und gesellschaftlichen Funktionen:
- Wenn es regnet, nehmen sie Wasser auf und entlasten damit die Kanalisation.
- Mehr noch: Durch Verdunsten des Wassers entsteht ein Kühleffekt, der die Umgebungstemperatur um mehrere Grad senken kann.
- Gehölze filtern und reinigen Luft von Feinstaub und Schadstoffen.
- Sie dämpfen den Lärm des Straßenverkehrs.
- Bäume nehmen CO2 aus der Atmosphäre auf, binden den Kohlenstoff und wirken so der Erderwärmung entgegen.
- Sie sind Lebensraum für Insekten, Vögel, Fledermäuse, Eichhörnchen und viele andere Tierarten. Daher ist die biologische Vielfalt in vielen Städten größer als in umliegenden Agrarlandschaften.
- Menschen in der Stadt treffen sich im Sommer gerne im kühlen Schatten von Bäumen: Das fördert soziale Kontakte und Wohlbefinden.
Warum grüne Städte so wertvoll sind: 3 Beispiele
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Sie haben es nicht leicht: Wie der Klimawandel den Stadtbäumen zusetzt
Leicht haben es Bäume in der Stadt allerdings nicht. Versiegelte Fläche, beengter Wurzelraum, schwierigere Wasseraufnahme, Autoabgase, Hunde-Urin und andere Widrigkeiten setzten Stadtbäume schon immer stärker unter Stress als ihre Artgenossen im Wald.
Jetzt kommt noch der Klimawandel dazu. In den Städten ist es noch einmal drei bis fünf Grad wärmer als im Umland. Mehr noch als unter Hitze leiden die Bäume aber unter Trockenheit. Betroffen sind fast alle bei uns üblichen Stadtbaumarten, wie beispielsweise heimische Linden, Ahornarten oder die Platane.
Durch Trockenheit geschwächte Bäume sind zudem anfälliger für Krankheiten, zum Beispiel die von Pilzen verursachte Massaria-Krankheit der Platane und die Rußrindenkrankheit des Feldahorns. Auch Schädlinge setzen ihnen zu, wie etwa beim Befall von Prozessionsspinnern und holzfressenden Bockkäfern. Breiten sich Baumkrankheiten oder Schädlingsbefall stark aus, bleibt oft keine andere Möglichkeit, als Bäume zu fällen und das Holz zu verbrennen.
Die Verschiebung der Jahreszeiten hierzulande führt außerdem zu einem fatalen Anpassungsdruck: Weniger Frost- und mehr Sommertage bewirken, dass Gehölze oft früher austreiben und blühen, aber dann von Spätfrösten im Mai geschädigt werden.
Klimawandel in Zahlen
Durchschnittliche Anzahl Frosttage pro Jahr:
1961 bis 1990 75
1991 bis 2010 65 (minus 7 Prozent)
Durchschnittliche Anzahl Sommertage* pro Jahr:
1961 bis 1990 19,5
1991 bis 2010 26,5 (plus 36 Prozent)
* Tage mit Höchsttemperaturen über 25 Grad
DSDS: Deutschland sucht den Superbaum
Trotz aller Klimaschutzmaßnahmen wird es in den nächsten Jahren noch wärmer und trockener werden, so die Prognosen. Deshalb sind parallel zum Kampf gegen den Klimawandel auch Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel so wichtig. Für das Stadtgrün heißt das:
Wir brauchen klimaresistente Bäume, die mit den veränderten Bedingungen besser zurechtkommen als die bekannten Standardbaumarten.
Das können neue Züchtungen sein, oder Bäume, die dort wachsen, wo das Klima heute schon so ist, wie wir es in den nächsten Jahren bei uns erwarten. Diejenigen, denen unsere Bäume am Herzen liegen, sehen den Entwicklungen natürlich nicht tatenlos zu. Wissenschaftler haben sich zu einem „Netzwerk Zukunftsbäume“ zusammengetan und suchen an sechs über Deutschland verteilten Standorten (in Schleswig-Holstein, Berlin, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bayern, Baden-Württemberg) nach klimaresistenten Bäumen für städtische Parks, Gärten und Alleen.
Und wie geht das?
Dafür nutzen die Wissenschaftler eine Mischung aus Laborarbeit und dem Wirklichkeitstest in der freien Natur. Über 40 meist nicht heimische Arten und Sorten werden zunächst in Versuchseinrichtungen gepflanzt und beobachtet und später an realen städtischen Standorten auf Praxistauglichkeit und Klimatoleranz geprüft. Städte und Baumschulen vor Ort sind als Kooperationspartner für die Suche nach klimaresistenten Bäumen eingebunden.
Auf den Standort kommt es an
Die gute Nachricht: Kandidaten für die Suche nach klimaresistenten Superbäumen gibt es viele.
Als echte Hoffnungsträger für unsere Städte haben sich bisher unter anderem verschiedene Arten von Ahorn, Eschen, Eichen und Ulmen erwiesen, die vorwiegend aus Südeuropa, Westasien oder Nordamerika kommen. Es sind nicht nur neue Arten, sondern auch klimaresistente Klone bekannter Arten dabei.
Was den Forschern aber wichtig ist: Den einen Superbaum wird es nicht geben. Auch für die neuen klimaresistenten Bäume gilt, dass nicht jeder Baum überall hinpasst. Was in Stuttgart fantastisch wächst, gedeiht nicht automatisch in Husum an der Nordsee oder umgekehrt. Baum und Standort müssen also zusammenpassen. Manche Arten wie der Amberbaum oder die Hopfenbuche vertragen Hitze sehr gut, brauchen aber viel Wasser.
Der wichtigste Grundsatz ist immer, dass die Ansprüche des klimaresistenten Baumes mit den Bedingungen am Endstandstandort übereinstimmen müssen. Deshalb braucht es auch entsprechendes Know-how vor Ort, damit aus Hoffnungsträgern wirklich Zukunftsbäume für die Städte werden. Darum kümmert sich unter anderem ein Arbeitskreis Stadtbäume beim Deutschen Städtetag, der in Kooperation mit dem Bund Deutscher Baumschulen eine Liste der Zukunftsbäume für die Stadt (GALK-Liste) erstellt hat.
Klimahelden: Klimaresistente Stadtbäume für die Zukunft
Eine kleine Auswahl vielversprechender Arten:
- Feldahorn (Acer Campestre) ‚Elsrijk‘: Klon mit besonderer Wuchsform, besser als Straßenbaum geeignet als der herkömmliche Feldahorn
- Französischer Ahorn (Acer monspessulanum): Herkunft Mittelmeergebiet, wärmeliebend, für Weinbauklima geeignet
- Kugelförmige Blumenesche (Fraxinus ornus ‚Mecsek‘): Herkunft Süd-Ungarn, kugelförmige Krone, auch als Gartenbau geeignet
- Zerreiche (Quercus cerris): Herkunft Südeuropa, Kleinasien, frosthart, hitzefest, verträgt kalkhaltigen Boden
- Amerikanische Linde (Tilia americana ‚Nova‘): stadtklimafeste Züchtung, Bienengehölz
- Stadtulmen (Ulmus-Hybriden): sturmfest, daher besonders für Norddeutschland geeignet, wenig anfällig gegenüber Ulmenkrankheit
Auch Problembäumen kann geholfen werden
Neue klimaresistente Bäume ausprobieren heißt jedoch nicht, alle bekannten, seit langer Zeit bei uns heimischen Baumarten einfach aufzugeben. Das Ziel ist nicht, „Problembäume“ durch „Superbäume“ zu ersetzen, sondern Artenvielfalt zu erhalten und zu fördern. So schafft man ein breiteres Angebot an Nahrung und Nistmöglichkeiten für verschiedene Tierarten. Vielfalt schützt auch davor, dass Baumkrankheiten und -schädlinge, die sich auf bestimmte Arten spezialisieren, ein allzu leichtes Spiel haben.
Deshalb beschäftigen sich Wissenschaftler auch damit, ob und wie man durch den Klimawandel in Bedrängnis geratenen Arten wie Linde, Rosskastanie, Platane oder Robinie helfen kann, sich auf veränderte Bedingungen einzustellen. Forscher vom „Zentrum für Stadtnatur und Klimaanpassung“ der technischen Universität München haben das Wachstum dieser vier Baumarten an verschiedenen Standorten in Bayern untersucht und daraus einen Leitfaden für die Praxis entwickelt. Unter anderem empfehlen sie:
- Regionalklima bei der Artenwahl beachten: Würzburg ist trockener als München oder Kempten.
- Standortbedingungen verbessern: Weniger Flächenversiegelung, größere Pflanzgruben anlegen (Wasseraufnahme), ausreichend Platz für Baumkronen lassen (Lichteinfall).
- Baumkataster anlegen: Nur was man kennt, kann geschützt und gepflegt werden!
- Informationskampagnen und Aktionen durchführen, um Bürgerinnen und Bürger bei der Stadtbegrünung mit einzubeziehen.
Stadtbäume pflegen: Jeder kann mithelfen!
Trockenstress gehört zu den größten Problemen, das der Klimawandel den Stadtbäumen bereitet. Ohne Gießen werden es viele von ihnen nicht schaffen. Besonders junge Bäume brauchen Unterstützung. Wer Straßenbäume vor der Haustür hat, kann selber zum Wassereimer greifen, zum Beispiel ein Mal pro Woche mit ein bis drei Eimern. Gegossen werden sollte morgens früh oder nach Sonnenuntergang, am besten mit Regenwasser.
Wichtig: Langsam gießen. Erst versickern lassen, bevor man nachgießt, damit das Wasser tiefer in den Boden eindringt.
Fazit: Bäume sind unsere Zukunft
- Stadtgrün macht unsere Städte lebenswert.
- Folgen des Klimawandels wie Hitze, Dürre oder Starkregen setzen Stadtbäume unter Stress.
- Wissenschaftler prüfen, welche klimaresistenten Bäume aus wärmeren und trockeneren Regionen auch bei uns gut wachsen.
- Einige klimaresistente Bäume zeigen großes Potenzial als Zukunftsbäume für die Städte.
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