Solarfassaden: So erzeugen Hauswände Strom

Solarfassade Aufmacher
Foto: Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB)

Um die Energiewende zu meistern und die bis 2050 gesetzten Klimaziele zu erreichen, werden mehr Flächen zur Erzeugung von Solarstrom und -wärme gebraucht. Neben Hausdächern und Freiflächen bieten Gebäudefassaden ein großes, bisher nur ansatzweise genutztes Potenzial für die Installation von Solaranlagen.

In Forschungsprojekten entwickeln Wissenschaftler innovative Lösungen für die Technik und Gestaltung von Solarfassaden sowie ihre Umsetzung in der Praxis.

  1. Fassaden: riesiges Potenzial zur Energieerzeugung
  2. Vorteile von Solarfassaden
  3. Herausforderungen für die Forschung
  4. Helmholtz-Zentrum Berlin: Forschung und Beratung
  5. HTWK Leipzig: Energieerzeugung und Design verbinden
  6. Fraunhofer: EE-Modulfassade für die Sanierung
  7. Team coLLab: Sonnenschutz und Sonnenenergie integriert
  8. Solar-VHF: Vorgehängte Fassaden für Solarthermie
  9. Fazit: In Solarfassaden steckt viel Potenzial

Christian Mascheck
Fachautor CRADLE

Fassaden: riesiges Potenzial zur Energieerzeugung

Rund 75 Prozent aller Solarstromanlagen in Deutschland sind auf Hausdächern und etwa 25 Prozent auf Freiflächen installiert. Besonders im Freiland, aber nicht nur dort, stehen sie dabei in Konkurrenz zu anderen Nutzungsmöglichkeiten. Im Freien sind das Landwirtschaft oder Landschaftsschutz, auf Dachflächen sind es Gründächer, die einen ökologischen Ausgleich für bebaute und versiegelte Flächen leisten können.

Noch kaum genutzt für Solartechnik zur Strom- oder Wärmeerzeugung werden bisher die Fassaden von Gebäuden, obwohl hier ein riesiges Potenzial liegt. 12.000 Quadratkilometer Fläche an Gebäudefassaden stehen theoretisch deutschlandweit für Photovoltaikanlagen zur Verfügung. Das haben das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung und das Fraunhofer ISE errechnet. Das ist das Doppelte der zur Solarnutzung verfügbaren Fläche auf Dächern.

Vorteile von Solarfassaden

Solarthermie-Jalousie
Sonnenschutz und Sonnennutzung vereint: Die multifunktionale Solarthermie-Jalousie ist insbesondere für Gebäude mit großen Glasflächen geeignet.
Foto: Fraunhofer ISE

Abgesehen vom großen Gesamtflächenpotenzial haben Solarfassaden für Photovoltaik oder Solarthermie noch weitere Vorteile:

  • Sie sind besonders geeignet für Geschosswohnbauten sowie öffentliche und gewerbliche Gebäude mit großen Fassadenflächen.
  • Sie sind eine gute Lösung für Städte, deren Gebäudebestand klimaneutral werden soll.
  • Fassadenanlagen mit suboptimaler Ausrichtung oder Verschattung liefern zwar etwas niedrigere Erträge als Dachinstallationen, produzieren aber auch in den Morgen- oder Abendstunden Strom oder Wärme. Dadurch kann die Eigennutzung von selbst erzeugter Energie erhöht werden.

Herausforderungen für die Forschung

Solaranlagen auf Einfamilienhäusern werden meistens auf die Dacheindeckung montiert. Zwar gibt es auch fürs Dach ästhetisch ansprechendere Lösungen, wie etwa Solarziegel, die normale Dachpfannen ersetzen. Sie kommen aber noch recht selten zum Einsatz.

Solardachziegel werden bündig in die Dachfläche integriert, sodass sogar auf zusätzliche Dachziegel verzichtet werden kann. Das bietet nicht nur Vorteile in Sachen Nachhaltigkeit, sondern sie erfüllen damit auch höchste Ansprüche für all diejenigen, die eine ästhetische Alternative zu herkömmlichen Solarpaneelen suchen.

Wir stellen die Solarinnovation auf dem Prüfstand: Welche Vor- und Nachteile haben Solardachziegel? »

An der Fassade jedoch ist die Solartechnik viel sichtbarer als auf dem Dach, deshalb spielt auch die Optik eine größere Rolle. Forscher der Gebäudeintegrierten Solartechnik (GIST) bzw. Bauwerkintegrierten Photovoltaik (BIPV) suchen deshalb nach gestalterisch attraktiven Lösungen, stehen aber auch vor technischen Herausforderungen.

Um Solaranlagen in Fassaden zu integrieren, müssen PV-Module oder Solarkollektoren multifunktional sein und zum Beispiel auch Wärmedämmung, Schall- oder Brandschutz übernehmen. Damit können sie herkömmliche Fassadenelemente ersetzen. Da ein Großteil des Flächenpotenzials im Altbaubestand liegt, werden zudem wirtschaftliche Systeme für die Sanierung zu Solarfassaden benötigt.

Verschiedene Forschungseinrichtungen und -projekte, unter anderem mehrere Fraunhofer-Institute, beschäftigen sich mit diesen Fragestellungen und arbeiten mit Partnern an der praktischen Umsetzung. Wir stellen einige dieser Projekte vor.

Solarwaben
Auf der Smart City Expo Barcelona stellten die Architekten von der HTWK Leipzig die Solar.con-Fassade vor. Sie besteht aus beliebig vielen Betonwaben mit integrierten Solarmodulen, die je nach Fassadenseite in Richtung Sonne gedreht werden können.
Foto: HTWK Leipzig / Stefan Huth

Helmholtz-Zentrum Berlin: Forschung und Beratung

Reallab-Gebäude des HZB
Wie eine Klammer umfassen die blauen PV-Module das Reallab-Gebäude an der West-, Süd- und Nordseite. Sensoren an der Rückseite der Module messen einfallende Sonnenstrahlung, Temperatur und Luftströmungen.
Foto: HZB / Taao Architektur Visualisierung

Bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) ist ein Forschungsschwerpunkt am Helmholtz-Zentrum Berlin, das dafür mit dem Fraunhofer ISFH zusammenarbeitet. Hier werden spezielle Produkte für Solarfassaden entwickelt, wie beispielsweise:

  • Solarmodule mit homogener Färbung ohne typische Zellenmuster,
  • rahmenlose Module, die sich nahtlos in die Gebäudehülle integrieren,
  • farbige Modelle,
  • Muster, strukturierte Oberflächen und Fotodruck

Die Montagetechniken sind häufig die gleichen wie bei normalem Fassadenbau, zum Beispiel als vorgehängt-hinterlüftete Fassade. Die angeschlossene Beratungsstelle BAIP stellt eine Brücke zur Praxis dar. Bauherren, Architekten, Investoren und Planer können sich hier kostenlos und unabhängig zu individuellen Bauvorhaben mit BIPV beraten lassen. Als Praxistest und Demonstrationsobjekt dient das Real-Labor, eine Halle auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums in Berlin-Adlershof mit einer Vorhangfassade aus 360 Photovoltaikmodulen mit eingebauter Sensortechnik.

HTWK Leipzig: Energieerzeugung und Design verbinden

Aluform Solar-Shell-Fassade
Die an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig entwickelte Solar-Shell-Fassade am Firmengebäude des Herstellers Aluform in Bad Rappenau. Die vorgehängte Fassade aus Aluminium-Verbundelementen mit integrierten PV-Modulen produziert 10.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr.
Foto: Aluform /Tim Friedrich

Eine gestalterische Alternative zu herkömmlichen, eintönig schwarzen Solarflächen zu entwickeln, war das Ziel von Forschenden der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig). Erstmals zum Einsatz kam Ihre „Solar-Shell-Fassade“ aus Aluminium-Verbundelementen mit integrierten PV-Modulen am Firmengebäude des Herstellers Aluform in Bad Rappenau bei Heilbronn.

Mit ihren hellglänzenden Drei- und Vierecken ist diese Solarfassade ein absoluter Hingucker. Die plastische Struktur ergab sich zunächst aus der Funktion: Diese Form ermöglicht eine optimale Ausrichtung der Modulflächen zur Sonne, je nach Fassadenlage. Der Design-Effekt ergab sich fast automatisch daraus. Für „Solar Shell“ gewann das Entwicklerteam einen Innovationspreis für Reallabore vom Bundeswirtschaftsministerium. Das Team von der HTWK Leipzig hat eine weitere Solarfassade speziell für Vorhangfassaden aus Sichtbeton mit wabenförmigen PV-Modulen entwickelt.

Fraunhofer: EE-Modulfassade für die Sanierung

EE-Modulfassade
Von Fraunhofer-Instituten entwickelte EE-Modulfassade für kostengünstige, minimalinvasive Sanierungen. Die multifunktionalen Module integrieren neben Photovoltaik auch eine Kleinst-Wärmepumpe sowie dezentrale Lüftungstechnik mit Wärmerückgewinnung.
Foto: Fraunhofer

Dem Thema Altbausanierung mit Solarfassaden haben sich Forscher von den Fraunhofer Instituten für Bauphysik (IBP) sowie Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) gewidmet. Sie haben eine Erneuerbare-Energien-Modulfassade (kurz EE-Modulfassade) entwickelt, die die folgenden Funktionen vereint:

  • PV-Anlage zur Stromerzeugung
  • Kleinstwärmepumpe zum Heizen und Kühlen
  • Dezentrale Lüftungstechnik mit Wärmerückgewinnung

Alle Elemente sind in raumhohen Modulen untergebracht, es müssen keine neuen Rohre im Gebäudeinneren verlegt werden. Die Module brauchen lediglich einen Stromanschluss, um auch dann zu lüften und zu kühlen, wenn gerade kein PV-Strom anfällt. Die Solarfassaden-Module werden industriell vorgefertigt und sind relativ einfach an den Außenwänden der Gebäude anzubringen. Die Entwickler sprechen deshalb von „minimalinvasiver Fassadensanierung“.

Team coLLab: Sonnenschutz und Sonnenenergie integriert

coLLab Stuttgart Solar Decathlon 2022
Wirkt leicht, ist voller Energie: Das Konzept des coLLab Teams von der Hochschule für Technik Stuttgart für eine Solar- und Sonnenschutzfassade für einen Freibereich integriert rautenförmige Module aus organischen Solarzellen (OPV) in ein filigranes Seilnetz.
Foto: coLLab / SDE 21/22

Von der Hochschule für Technik Stuttgart kommt ein weiteres Projekt, das sich mit Solarfassaden für den Gebäudebestand befasst. Konkret geht es um Aufstockungskonzepte für eine urbane, ökologische Nachverdichtung – das Thema des studentischen Wettbewerbs Solar Decathlon Europe 2021/2022. Den Sieger des Solar-Decathlon 2022 haben wir bereits in einem eigenen Artikel vorgestellt.

Das Team coLLab aus Stuttgart entwarf für seine Teilnahme eine Fassade für einen geschossübergreifenden Freibereich. Grundlage ist ein Holzskelett, an dem in einem filigranen Seilnetz an drei Fassadenseiten und auf dem Dach rautenförmige OPV-Module angeordnet sind. Dabei handelt es sich um eine neue Generation von organischen Photovoltaik-Modulen, die in einem Druckverfahren auf biegbarer, bruchfester, sehr leichter Folie hergestellt werden. Sie enthalten kein Silizium und keine giftigen Komponenten. Pfiffig gelöst: In der coLLab-Konstruktion fungieren sie zugleich als Sonnenschutz.

Solar-VHF: Vorgehängte Fassaden für Solarthermie

Um die Solarthermie zur Wärmegewinnung ist es im Vergleich zur stromerzeugenden Photovoltaik etwas stiller. Doch mit Solarthermie-Fassaden können neue Möglichkeiten für die Wärmeversorgung mit regenerativen Energien geschaffen werden.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) fördert dazu bis Ende 2024 das Forschungsprojekt Solar-VHF. Am Projekt beteiligt sind unter anderen das Fraunhofer Institut für Bauphysik IBP und das Institut für Solarenergieforschung ISFH. Netzwerkpartner ist der Fachverband Baustoffe und Bauteile für vorgehängte hinterlüftete Fassaden (FVHF), der auch die künftige Umsetzung von Pilotfassaden im mehrgeschossigen Wohnungsbau vorbereiten und unterstützen soll.

Beim Solar-VHF-Konzept werden alle Konstruktionsebenen einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade für die Wärmegewinnung genutzt: Der Hinterlüftungsraum für Wärmewirkung und Leitungsführung, die Unterkonstruktion für hydraulische Verschaltung, die Bekleidungselemente als Solarabsorber und Wärmetauscher. Eine solche multifunktionale Solarfassade könnte zum Beispiel eine Erdwärmepumpe als zusätzliche Wärmequelle beim Heizen unterstützen.

Bereits abgeschlossen ist das interdisziplinäre Projekt ArKol, in dem eine multifunktionale solarthermische Jalousie und Streifenkollektor-Elemente zur Integration in Fassaden entwickelt wurden.

Streifenkollektor
Solarwärme von der Fassade: Die von einer Forschungsgruppe unter Leitung des Fraunhofer ISE entwickelten innovativen Streifenkollektoren zwischen anderen Verkleidungsmaterialien in die Fassade eingebaut werden.
Foto: DAW SE / Karim Donath

Fazit: In Solarfassaden steckt viel Potenzial

  • Fassaden bieten ein großes, unerschlossenes Flächenpotenzial für Solarnutzung. Solarfassaden eignen sich gut für große Wohn- und Gewerbegebäude und fördern die angestrebte Klimaneutralität von Städten.
  • Multifunktionale Solarmodule oder -kollektoren übernehmen auch Aufgaben anderer Bauteile, wie Wärme-, Sonnen- oder Schallschutz.
  • Gebäudeintegrierte Solartechnik ist auch bei Altbausanierung möglich.
  • Aktuelle Forschungsprojekte beschäftigen sich technischen wie gestalterischen Aspekten von Solarfassaden, entwickeln innovative Solartechnik und -produkte und unterhalten Reallabore für Pilot- und Testfassaden.

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