Dämmen mit Seegras: Neptunbälle
Seegras ist ein wichtiger Bestandteil des maritimen Ökosystems. Es beherbergt große und kleine Tiere, reinigt das Meerwasser und schützt die Küsten vor Erosion. Doch es kann noch mehr: Abgestorbenes Seegras formt sich durch die Wellen zu Bällen und wird an die Strände gespült. Diese sogenannten Neptunbälle eignen sich hervorragend für die ökologische Wärmedämmung. Sie haben optimale Baueigenschaften, können vielseitig verwendet werden und sind sowohl ökologisch als auch sozial nachhaltig in der Herstellung.
In diesem Artikel:
Dämmstoff aus Seegras
Der Dämmstoff NeptuTherm wird aus den Fasern von Neptunbällen gewonnen, die im Mittelmeer an die Strände angespült werden. Die filzigen Neptunbälle bestehen aus abgestorbenem Seegras, sie formen sich ganz natürlich durch die Wellenbewegung im Flachwasserbereich. Die Kugeln aus Seegras sind somit ein naturbelassener Dämmstoff, der ohne jegliche Zusätze auskommt. NeptuTherm ist zum Schütten, Stopfen sowie Einblasen bauaufsichtlich zugelassen. Der Baustoff muss nicht chemisch aufgewertet werden, denn seine guten Eigenschaften zum Dämmen sind von Natur aus gegeben.
Die NeptuGmbH lässt die Neptunbälle einsammeln und macht aus den Bällchen ein Dämmmaterial ohne jegliche Zusätze. Die entstandene Seegraswolle ist bauaufsichtlich zugelassen und besitzt hervorragende Eigenschaften. Aus einem Abfallprodukt des Meeres wird so ein ökologisches Dämmmaterial hergestellt. Der Rohstoff von NeptuTherm wird nicht angepflanzt und nimmt somit keinem anderen Rohstoff, Lebensmittel oder Tier den Raum weg. Das Material wird während der Entstehung weder gedüngt noch extra gewässert.
Übrigens: Die Seegraswiesen der Posidonia Oceanica bilden 5-10-mal mehr Sauerstoff als eine gleich große Fläche Regenwald. Sie sind ökologisch sehr bedeutsam, denn sie schützen die Küsten vor Erosion und sind die Kinderstube für viele Fische und Kleinstlebewesen.
Die Geschichte hinter NeptuTherm: Es war einmal ein Strandspaziergang ....
Richard Meier war Architekt, Dozent an der Hochschule Heidelberg und ein begeisterter Wassersportler. Jeden seiner Urlaube plante er am Meer oder zumindest in der Nähe eines Gewässers, damit er seinem Hobby, dem Kiten, nachgehen konnte. Während eines Urlaubes in Spanien, an einem windstillen Tag ohne Möglichkeit zu Kiten, gingen Richard und seine Frau Monika mit einem Freund am Meer spazieren.
Nachts zuvor tobte ein heftiger Sturm und der Strand lag voll mit braunen, filzigen Bällen. An anderen Stellen lagen Berge von Seegrasblättern. Die drei spielten mit den Bällchen und warfen sie ihrem Hund zu. Es lagen dermaßen viele Bälle am Strand, dass der Hund kaum die geworfenen Bälle finden konnte.
Daraufhin fragte Richard seinen Freund, was das Material eigentlich sei. Der Freund wusste jedoch auch nur, dass die Bälle immer wieder nach Stürmen ausgespült werden. Einzelne Bälle hatte er früher schon gesehen, nicht aber die Menge wie an diesem Tag nach dem Sturm.
Monika zerteilte eins der Bällchen und meinte, dass sich das Material warm anfühle, wie ein Vlies. Vielleicht könnte man daraus was machen: zum Beispiel eine Wärmedämmung. Richard meinte, es gäbe doch schon viele Dämmstoffe aus Gras, Hanf, Wolle etc. Daraufhin sagte der Freund, dass man die Bälle noch nicht einmal zum Kamin anzünden verwenden kann. Dieser Ausspruch brachte schließlich den zündenden Gedanken! Für den Architekten Richard wurde es nun interessant. Zurück in der Ferienunterkunft versuchte er mit dem Feuerzeug so einen Ball anzuzünden: es ging nicht. So war die Idee geboren, aus diesem Naturmaterial einen Dämmstoff zu machen. Für Experimente nahm er eine Tüte voll Bällchen mit nach Deutschland.
Vor der Abreise konnten Richard und Monika noch beobachten, wie Lastwagen und Bagger am Strand das gesamte Material – Bälle, Blätter, Sand – abgetragen haben. Um zu erfahren, was damit geschieht, sind die beiden mit dem Auto hinterhergefahren. Das Treibgut landete auf der Deponie, der Sand wurde abgetrennt und verkauft.
Zurück in der Heimat ließ Richard beim Fraunhofer Institut in Stuttgart eine Plausibilitätsprüfung machen. Hier bestätigte sich für ihn, dass er auf dem richtigen Weg war. Daraufhin legte er los mit der Sicherung der Patente und suchte für die Forschung verschiedene Partner. Für die Mühen gab es bald die erste Belohnung; Unter etwa 400 Bewerbern wurden bei einem Wettbewerb von IKEA „denke lieber ungewohnt“ die 10 besten Ideen prämiert- und der Seegras-Dämmstoff NeptuTherm war dabei.
Die Produktion wurde in Karlsruhe angesiedelt. Unermüdlich sammelte Richard alle Informationen, die es bislang über die Seegraswiesen und die Bällchen gab. Er recherchierte und flog in diverse Regionen vor Ort, von denen man wusste, dass es dort Seegraswiesen gab. Nun suchte er seine Urlaubsziele auch danach aus, ob er dabei Hobby und Forschung miteinander verbinden konnte. Bei einem Amerikabesuch nahm man Kontakt mit einem Forscher auf, der ein Buch über die verschiedenen Seegrasarten geschrieben hat. So entstand bei der Arbeit ein tolles Netzwerk, das sich auf viele Teile dieser Welt erschließt.
Übrigens: Die Wichtigkeit der Seegraswiesen wurde in den letzten Jahren durch das Aufstellen von Infoschildern an Stränden und das Verbot von Ankern von Booten hervorgehoben. Außerdem ist die Entwicklung einer Matte und einer Platte geplant. Natürlich unter den gleichen nachhaltigen, ökologischen Gesichtspunkten wie beim Ausgangsmaterial, der Dämmwolle. Weitere Anwendungsbereiche und Produkte rund ums Thema Bauen und Schallschutz sind in Bearbeitung. Wichtig ist auch hierbei immer, dass das entstehende Produkt naturrein bleibt.
Eigenschaften von NeptuTherm
NeptuTherm hat die bauaufsichtliche Zulassung, erfüllt alle Anforderungen an den Brand -und Schimmelschutz und das ohne jegliche Zusätze. Es ist zertifiziert durch das ECO-Institut und mit dem Blauen Engel. Zur Herstellung muss kaum Energie investiert werden, der Primärenergieverbrauch ist mit 37 – 50 kWh/m3 deutlich niedriger als bei anderen Dämmstoffen. Die Herstellung ist zudem sozial nachhaltig; In den Ländern rund ums Mittelmeer bekommen arbeitssuchende Menschen ohne Ausbildung durch das Sammeln einen Job.
Die Eigenschaften der Seegras-Dämmung mit NeptuTherm in der Übersicht:
- gute Dämmwirkung im Winter
- Wärmeschutz im Sommer: Wärmespeicherkapazität von bis zu 2.599 J/(kg·K)
- geringer Primärenergieverbrauch: 37 kWh/m³ (gestopft oder geschüttet) bis 50 kWh/m³ (eingeblasen)
- hervorragender Schallschutz
- ein ausgezeichnetes Wohnklima
- Schimmelresistenz nach Klasse 1
- Brandverhalten nach Baustoffklasse DIN 4102-B2
- kann das Dreifache des Eigengewichts an Wasserdampf aufnehmen
Außerdem enthält das Seegras nur 0.5-2% Salze, sodass es kaum hygroskopisch und nicht korrosiv ist. Da zudem keine Eiweiße enthalten sind, verrottet der Dämmstoff nicht. Ein weiterer Bonuspunkt ist die einfache Entsorgung von NeptuTherm: da es sich um Naturprodukt handelt, können die Seegras-Dämmung nach der Verwendung problemlos im eigenen Garten entsorgt werden. Dazu kann man die Fasern einfach mit Gartenerde vermengen und so das Beet auflockern.
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Anwendungsgebiete für Seegrasdämmung
NeptuTherm findet als Dämmmaterial Anwendung im Hausbau. Paradedisziplin ist die oberste Geschossdecke besonders in der Sanierung, aber auch im Dach, in der Wand oder Fassade. Sowohl bei Altbauten als auch bei einem Neubau findet der Seegras-Dämmstoff Anwendung. In Wänden und Dächern kann das Material ohne Weiteres durch Schütten und Stopfen eingebaut werden.
Der Einbau des Dämmmaterials muss in Dach und Fassade in einem Rahmen/Gefach stets hinter einer geeigneten Witterungsschutzschicht (zum Beispiel einer Holzweichfaserplatte) erfolgen. Im Innenraum (Innendämmung Wand/Raumtrennwände) erfolgt der Einbau stets hinter geeigneten Verschalungen. Bei obersten Geschossdecken kann das Material auch offen ein-/aufgebracht werden.
Für die folgenden Anwendungsgebiete eignet sich das Seegras:
- Außendämmung von Dach oder Decke, vor Bewitterung geschützt, Dämmung unter Deckungen
- Zwischensparrendämmung, zweischaliges Dach, nicht begehbare, aber zugängliche oberste Geschossdecke
- Innendämmung, der Decke (unterseitig) oder des Daches, Dämmung unter den Sparren/Tragkonstruktion, abgehängte Decke
- Gefachdämmung Holzbalkendecke / auch mit Schallschutzanforderungen, ggf. bei Betondecke im Beachtung der baupysikalischen Anforderungen
- Außendämmung der Wand hinter Bekleidung
- Außendämmung der Wand hinter Abdichtung
- Dämmung von zweischaligen Wänden, Kerndämmung
- Innendämmung der Wand
- Dämmung von Raumtrennwänden
NeptuTherm Produktdaten
Bezeichnung | Einheit | Wert |
Baustoffzulassung | Nr. Z-23.11-1836 vom 22.04.2021 | |
Klassifizierung d. Brandverhaltens (gemäß DIN EN 13 501-1) | E | |
Baustoffklasse (gemäß DIN 4102-4) | B2, normal entflammbar | |
Rohdichte ρ | kg/m3 | 65-75 |
Wärmeleitfähigkeit λ | W/mK | 0,039 (Bemessung), 0,046 (Rechenwert) |
Dampfdiffusionszahl μ | 1 bis 2 | |
Wärmespeicherkapazität c | J/gK | 2.500 |
Schimmelresistenzklasse | 1 | |
Salzgehalt | % | ca. 0,5 bis 2 |
Wasseraufnahmekapazität | kg/kg | 1,6 bis 3,4 |
Auszeichnungen
Die Stadt Karlsruhe hat beispielsweise an vielen öffentlichen Gebäuden Styropor, Mineralwolle oder Glaswolle entfernt und durch NeptuTherm ersetzt. Durch dieses Engagement hat die Stadt schon diverse Preise für ihr nachhaltiges, energieeffizientes Handeln bekommen (zum Beispiel den BMWi/BME-Preis „Innovation schafft Vorsprung“ 2016). Auch der Dämmstoff NeptuTherm ist schon mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem im Januar 2019 mit dem Gewinn des “Ocean Tribute Award” in der Kategorie Industrie. Der Einbau von NeptuTherm erfolgte auch im weltweit ersten Büro nach den Cradle-to-Cradle-Prinzipien, im C2C Hauptstadtbüro in Berlin – die Einweihung fand im September 2019 statt.
Tipp: Einen Beitrag über NeptuTherm finden Sie auch in der ZDF-Mediathek im Video “Die Rohstoff Revolution” ab Minute 16:48.
Wenn Sie sich für weitere ökologische Dämmstoffe interessieren, dann finden Sie eine Übersicht in unserem Artikel “Nachhaltige Wärmedämmung mit Naturdämmstoffen“.
Text und Bilder: NeptuGmbH
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