Ganzheitlich bauen: Lebendige Architektur trifft Baubiologie
Die gebaute Umwelt prägt unser Leben in vielfältiger Weise. Gebäude sind mehr als nur Schutz vor Wind und Wetter. Sie sind Rückzugsort, Arbeitsstätte und sozialer Treffpunkt.
Die Architektur reagiert darauf: Das Prinzip der lebendigen Architektur begreift Gebäude nicht als starre Strukturen, sondern als lebendige Organismen. Ergänzt durch baubiologische Prinzipien ist es möglich, nachhaltige und wohngesunde Gebäude zu gestalten, in denen sich die Bewohner wohlfühlen.
In diesem Beitrag:
Was ist lebendige Architektur?
Im Zentrum der lebendigen Architektur steht der Mensch mit seinen vielfältigen Bedürfnissen. Ziel ist es, das tägliche Leben zu bereichern und die Aktivitäten der Bewohner sowie ihr Wohlbefinden zu fördern.
Durch eine ganzheitliche Planung werden Räume geschaffen, die sowohl funktional als auch ästhetisch ansprechend sind. Es kann Bereiche für Wohnen, Arbeiten und privaten Rückzug ebenso geben wie für Gemeinschaft und Begegnung. Hierbei berücksichtigt die lebendige Architektur die wechselseitige Beziehung zwischen Konstruktion, Gestaltung, Nutzung und ökologischer Verantwortung.
Wesentliche Kernmerkmale lebendiger Architektur
- Lebendigkeit und Natürlichkeit einer gewachsenen Bebauung nachbilden: Das bedeutet, dass die Planung und Gestaltung eines Gebäudes als ein kontinuierlicher, prozesshafter Vorgang verstanden wird, bei dem Entwurf, Bau und Nutzung miteinander verschmelzen.
- Eine enge Verbindung zwischen Innen und Außen herstellen: Das Gebäude steht im Einklang mit seiner natürlichen Umgebung. So nimmt etwa Eingang des Hauses Bezug auf die Nachbarschaft, um eine Verbindung zu den benachbarten Gebäuden und ihren Bewohnern zu schaffen.
- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Modular aufgebaute Gebäude mit multifunktionalen Räumen ermöglichen es den Bewohnern, ihre Wohnsituation an veränderte Bedürfnisse im Laufe des Lebens anzupassen. Das schließt Familienzuwachs ebenso ein wie sich ändernde Bedürfnisse im Alter.
- Integration von Gemeinschaftsräumen und öffentlichen Grünflächen: In Wohnanlagen und Eigenheimprojekten können solche Räume das Gemeinschaftsgefühl und die sozialen Interaktionen zwischen den Bewohnern unterstützen.
- Verwendung ökologischer Materialien: Ziel ist es, den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und Kreislaufwirtschaft zu fördern sowie den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern.
Baubiologische Prinzipien für mehr Wohngesundheit
Auch die Baubiologie rückt den Menschen und seine gebaute Umwelt in den Fokus, insofern sie sich als die Lehre von den ganzheitlichen Beziehungen zwischen ihnen definieren lässt. Die baubiologischen Prinzipien zielen darauf ab, einen gesunden, nachhaltigen und funktionalen Lebensraum zu schaffen, der sowohl die individuelle Gesundheit als auch die Umwelt berücksichtigt. Ein gesundes Raumklima ist hierbei die Grundlage für gesundes Wohnen. Das gelingt durch eine gute Frischluftzufuhr, die Reduzierung von Schadstoffen und das Vermeiden von Elektrosmog.
Die Verwendung natürlicher Materialien, die eine gute Wärmedämmung bieten sowie feuchtigkeitsregulierend und schadstofffrei sind, sprechen alle Sinne an und fördern die Gesundheit. Ergänzt wird dies durch die Optimierung von Raumakustik und Schallschutz sowie einer harmonischen Raumgestaltung mit ausgewogenen Proportionen und Formen. Nicht zuletzt ist eine ökologische Bauweise entscheidend, die die natürlichen Ressourcen schont, den Energieverbrauch minimiert, erneuerbare Energiequellen nutzt und eine hohe Trinkwasserqualität gewährleistet. Ökosoziale Räume mit genügend Grünflächen und kurzen Wegen zu Arbeit, Verkehr und Einkauf verbessern zusätzlich die Lebensqualität.
Was ist Baubiologie?
Die ganzheitliche Lehre der Baubiologie gibt es schon seit rund 50 Jahren. Ihr Ziel: Wohnräume gesunder und nachhaltiger zu gestalten. In diesem Beitrag haben wir genauer erklärt, was Baubiologie ist und womit sich Baubiologen beschäftigen »
In einem eigenen Beitrag stellen wir das grundlegende Regelwerk der Baubiologen vor, die 25 Leitlinien der Baubiologie »
Wie Baubiologie und lebendige Architektur verschmelzen
Es erscheint sinnvoll, Baubiologie und lebendige Architektur zu einem ganzheitlichen Konzept zu verschmelzen. Gebäude werden als lebendige, sich entwickelnde Organismen betrachtet, die die Bedürfnisse der Gegenwart und Zukunft gleichermaßen erfüllen. Die Integration baubiologischer Prinzipien in die Planung und Gestaltung lebendiger Architektur kann dabei folgende Ansätze umfassen:
- Natürliche Materialien wie Holz, Lehm, Bambus oder Naturstein haben nicht nur einen geringeren ökologischen Fußabdruck als konventionelle Baustoffe, sondern bieten auch Vorteile für das Raumklima. Holz beispielsweise speichert CO₂ und trägt zur Verbesserung der Luftqualität bei, indem es Feuchtigkeit reguliert und Schadstoffe aus der Luft aufnimmt. Lehmwände wirken zudem klimaregulierend, indem sie überschüssige Feuchtigkeit absorbieren und bei Bedarf wieder abgeben.
- Ein gesunder Innenraum sollte ebenfalls frei von schädlichen Strahlungen und mikrobiologischen Belastungen sein. Die Minimierung elektrischer Felder gelingt etwa durch die richtige Platzierung von Kabeln und Steckdosen, durch den Einsatz von Abschirmmaterialien oder durch die Vermeidung unnötiger elektronischer Geräte in Schlafräumen.
Warum natürliche Materialien die Wohngesundheit verbessern
Dass natürliche Materialien unserer Gesundheit gut tun, wurde sogar schon wissenschaftlich nachgewiesen. Wir zeigen in diesen Beiträgen
- Die energieeffiziente Bauweise sorgt für einen minimalen Energieverbrauch. So nutzen Passivhäuser Wärmequellen wie die Sonne, die Körperwärme der Bewohner und Abwärme von Haushaltsgeräten. Dies gelingt durch eine hervorragende Dämmung, luftdichte Bauweise, energieeffiziente Fenster und Türen sowie Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. Nullenergiehäuser gehen noch einen Schritt weiter, indem sie den gesamten Energiebedarf durch erneuerbare Energiequellen decken, sodass das Gebäude im Jahresdurchschnitt keine externe Energie mehr benötigt.
- Auch die Integration erneuerbarer Energien reduziert den Energiebedarf erheblich. Photovoltaikanlagen wandeln tagsüber Sonnenenergie in elektrische Energie um, die vor Ort genutzt oder in das Stromnetz eingespeist werden kann. Wärmepumpen nutzen die in der Umgebung vorhandene Wärme – sei es aus der Luft, dem Erdreich oder dem Grundwasser – und transformieren diese in Heizenergie. Sie sind besonders effizient, da sie mehr Energie liefern, als sie selbst verbrauchen. Reversible Wärmepumpen können im Sommer zudem für die Kühlung der Innenräume eingesetzt werden.
Was ist der Unterschied zwischen ökologischen und nachhaltigen Bauen?
Ökologisches und nachhaltiges Bauen sind wichtige Konzepte, um die Umweltbelastung zu verringern und die Klimaziele zu erreichen. In diesem Beitrag wird genauer erklärt, worin besteht der Unterschied zwischen ökologischem und nachhaltigem Bauen liegt »
- Wassermanagement-Systeme zur Regenwassernutzung und Grauwasserrecycling bieten Möglichkeiten, den Wasserverbrauch zu senken und wertvolle Ressourcen zu schonen. Regenwassernutzungsanlagen sammeln Regenwasser von den Dächern und speichern es in Zisternen, etwa für die Toilettenspülung. Grauwasser, das aus Waschbecken und Duschen stammt, kann in speziellen Aufbereitungssystemen gefiltert und ebenfalls für nicht-trinkwasserbedürftige Anwendungen wie die Gartenbewässerung aufbereitet werden.
- Grüne Dächer und Fassaden tragen nicht nur zur Verbesserung der Wärmedämmung bei,, sondern können auch die Luftqualität verbessern, da sie Schadstoffe aus der Luft filtern und Sauerstoff produzieren. Zudem schaffen sie Lebensräume für Pflanzen und Tiere und fördern somit die Biodiversität in urbanen Gebieten. Nicht zuletzt wirken Pflanzen beruhigend. Sie verbessern die Stimmung und das Wohlbefinden der Bewohner und können angenehme Räume schaffen, in denen sich Menschen gerne aufhalten und zusammenkommen.
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Autor Christian Schaar ist Geschäftsführer der S2 GmbH. Seine baubiologischen Kenntnisse erlangte er durch den täglichen Umgang mit Problemen der Baubiologie in verschiedenen Unternehmen des ökologischen Holzbaus. Als Geschäftsführer eines Planungsbüros mit Schwerpunkt auf ökologischen Holzbau wird er bei Neubauprojekten und Sanierungen regelmäßig mit baubiologischen Fragestellungen konfrontiert und als Experte konsultiert.
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