Nachhaltiger 3D-Druck: Biologisch abbaubare Architektur

Innenraum des Pavillons
Foto: Leonardo Finotti

Der Concept-Store von Guto Requena stammt aus dem 3-D-Drucker. Der Pavillon sieht aus wie Beton, ist aber tatsächlich kompostierbar. Wie das gelang, erfahren Sie in diesem Beitrag.

  1. Was haben Kaffeekapseln und Beton gemeinsam?
  2. Revolutionär: Schalenbau ohne Stahlbeton
  3. Über Guto Requena

Chris van Uffelen und Elena Metzl
Redaktion CRADLE

Dies ist ein Beitrag aus der Ausgabe No. 4 von CRADLE.

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Was haben Kaffeekapseln und Beton gemeinsam?

Beide gelten als Umweltkiller. Doch im Dolce Gusto Neo Flagship in São Paulo ist alles ein wenig anders: Hier werden biologisch abbaubare Kaffeekapseln in einem 3-D-gedruckten Pavillon präsentiert, der wie die Kapseln selbst komplett kompostierbar ist.

Nescafés Flagship-Store Dolce Gusto Neo präsentiert eine Lösung, wodurch all diese Probleme gar nicht erst entstehen. Der brasilianische Architekt Guto Requena hat ein Gebäude realisiert, in dem die neuen kompostierbaren Dolce-Gusto-Kapseln vorgestellt werden. Ganz im Sinne der neuen Kaffeekapseln besteht auch das Gebäude aus biologisch abbaubaren Materialien. Entstanden ist eine fünfblättrige Schalenkonstruktion, die mithilfe des 3-D-Druck-Verfahrens errichtet wurde.

Pavillon bei Nacht
Foto: Leonardo Finotti

3-D-Druck

ist ein computergesteuertes Verfahren, in dem Bauteile Schicht für Schicht punktgenau aus aushärtender Substanz aufgebaut werden. Es bietet große Potenziale für nachhaltige Architektur, denn so können auch anspruchsvolle Formen wie Schalen passgenau und ohne Materialabfall – oft auch vor Ort – errichtet werden.

Biologisch abbaubare Architektur

reduziert Abfallaufkommen sowie Umweltverschmutzung und bietet bessere Luftqualität als herkömmliche Bauten. Sie kann eine gute Option für temporäre Projekte sein. Für Bauten, die lange bestehen sollen, müssen Lösungen für Fäulnis- und Zersetzungsprozesse entwickelt werden.

Revolutionär: Schalenbau ohne Stahlbeton

Das Design des Flagship-Stores ist von der Kaffeeblüte inspiriert – erkennbar an den fünf Gewölben, die an die weißen Blütenblätter der Kaffeepflanze erinnern. Die Leichtigkeit der Blüte prägt auch das Design, und verglaste Fronten ermöglichen einen 360-Grad-Blick auf die angrenzende Grasfläche.

Dolce Gusto Neo Flaship in Sao Paulo von seitlich oben
Von oben mutet der Pavillon wie eine Kaffeeblüte an. Wie diese wird er eines Tages den Weg alles Organischen gehen.
Foto: Leonardo Finotti

Dolce Gusto Neo Flaship in Sao Paulo von oben
Foto: Leonardo Finotti

Die Form greift thematisch zwar die Kaffeeblüte auf, knüpft aber formal an Schalenbetonbauten von Pionieren wie Félix Candela, Heinz Isler und Ulrich Müther an. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eröffnete der Stahlbeton neue, noch nie da gewesene Möglichkeiten zur plastischen Formung. Wurden zuvor Kuppeln noch vorrangig aus Mauerwerk gebaut, kamen nun dünnwandige Schalen aus Beton auf, deren Stahlbewehrung große Spannweiten
unter minimalem Materialeinsatz erlaubte. Ganz neue geometrische Formen wurden möglich.

Schalenbauten

sind großflächige, stützenfreie Konstruktionen, meist aus Stahlbeton, die sich durch einen minimalen Materialeinsatz auszeichnen. Die Zugfestigkeit der Schalen wird durch die im Beton eingebettete Stahlbewehrung gewährleistet.

Die freie Form von Guto Requenas Schalenpavillon muss die Lasten sowohl vertikal als auch horizontal tragen. Eine solche Konstruktion erfordert Stabilität, weshalb Stahl und Beton als Werkstoffe hierfür oft bevorzugt wurden. Requenas Bau besteht jedoch ausschließlich aus Holz und Gips und kann somit recycelt und kompostiert werden.

Eingangsbereich mit Holz- und Gipsoberflächen
Eingangsbereich mit Holz- und Gipsoberflächen
Foto: Leonardo Finotti

Architektonischer Kompost

Entstanden ist ein nachhaltiger Schalenbau, der die Ansprüche an Druck- und Zugfestigkeit erfüllt, ohne auf die umweltschädlichen Werkstoffe angewiesen zu sein. Das Kompostieren von Architektur wie auch von Kaffeekapseln findet so im Flagship-Store Dolce Gusto Neo zusammen. Aktuell geht der Pavillon den für ihn vorgesehenen Weg: Er wurde demontiert, und die Bauteile gehen in eine Kreislaufwirtschaft über: Das Holz wird recycelt und der Gips zerkleinert. Aufgrund seines Nährstoffgehalts an Kalzium und Schwefel eignet sich der Gips als Dünger für die Landwirtschaft – er wird somit tatsächlich zu Kompost.

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Über Guto Requena

Porträt Guto Requana
Foto: André Klotz

Druckfester Schalenarchitekt, * 1979
Der brasilianische Architekt Guto Requena verfolgt einen innovativen Ansatz, der Architektur mit digitalen Technologien und Nachhaltigkeit verbindet. Nach seinem Studium der Architektur und Stadtplanung an der Universität São Paulo gründete er 2008 das Estudio Guto Requena, das sich über Architektur hinausgehend auf Produktdesign sowie Kunstinstallationen spezialisiert hat. Requenas Arbeit ist geprägt von Interaktivität, Digitalität und Immersion. Er forschte neun Jahre am Center of Interactive Living Studies der Universität São Paulo und ist Gastprofessor an der Universität Sorbonne in Paris.

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