Vertikale Begrünung im urbanen Raum

Vertikale Begrünung mit modularen Systemen hat viele Vorteile: Sie ist pflegeleicht und zudem wirtschaftlich, verbessert Luftqualität, Schallschutz und Temperaturregulierung. Ein Projekt von Fraunhofer UMSICHT.

In diesem Artikel:

  1. Projektziele
  2. So funktioniert die vertikale Begrünung
  3. Ergebnis
  4. Vertikale Begrünung mit Biolit und UNIKA

Ein Gastbeitrag von Fraunhofer UMSICHT.

Projektziele

Immer mehr Menschen leben in Städten. Begleiterscheinungen sind unter anderem Luftverschmutzung durch Verkehrsaufkommen und hohe Geräuschpegel.

Um eine hohe Lebensqualität zu sichern und diese weiter zu optimieren, bedarf es entsprechender Lösungen. Zunehmend rückt die Begrünung des urbanen Raums und urbaner Infrastrukturen ins Blickfeld von Architektur, Planungs- sowie Bauwesen. Es besteht zum einen der Wunsch, grüne Flächen als gestalterisches Element zu verwenden, zum anderen verspricht man sich von der Begrünung positive Einflüsse auf Sauerstoffproduktion, CO2-Bindung und Luftreinhaltung.

Hinzu kommen energetische Einsparpotenziale und positive Auswirkungen auf das Mikroklima, bedingt durch die dämmende und kühlende Wirkung von bepflanzten Flächen sowie positive Auswirkungen auf die Biodiversität durch das Schaffen neuer Lebensräume.

So funktioniert die vertikale Begrünung

Zusammen mit Partnern hat das Fraunhofer UMSICHT spezielle Elemente auf Basis eines mineralischen Werkstoffs (Kalksandstein) für den Bau von bodenungebundenen begrünten Wänden entwickelt. Der mineralische Werkstoff eignet sich durch seine optimierten saugfähigen und flüssigkeitsspeichernden Eigenschaften ideal für derartige Anwendungen.

Die einzelnen Elemente sind mit Pflanzrinnen versehen und werden zu einem Modulsystem verbaut. Die Rinnen werden mit Pflanzsubstraten befüllt und können anschließend eingesät oder bepflanzt werden. Die Pflanzen wachsen nach vorne aus den Bauelementen heraus und bedecken die vertikale Fläche. Für die Begrünung eignen sich je nach gewünschtem Begrünungstyp unterschiedlichste Pflanzenarten. Insbesondere Gräser erzielen einen Begrünungserfolg bereits nach 2 bis 3 Wochen.

Pilotwand zur vertikalen Begrünung beim Fraunhofer UMSICHT: Modulsystem auf Basis von mineralischen Bauelementen.
Pilotwand zur vertikalen Begrünung beim Fraunhofer UMSICHT: Modulsystem auf Basis von mineralischen Bauelementen.

Die Bewässerung erfolgt von oben, wobei aufgrund der Flüssigkeitstransporteigenschaften des Steins das Wasser in der Wand allein durch Schwerkraft nach unten geführt wird und so alle Pflanzrinnen erreicht. Das mindert den Aufwand für die Pflege der Pflanzen erheblich. Bei Bedarf können einzelne Steinlagen zudem separat bewässert werden.

Durch den Einsatz einzelner Bauelemente ist das System skalierbar, sodass sich beliebig große Flächen erstellen lassen. Die Anwendungsgebiete reichen von der Wandverkleidung- und Begrünung über die Nutzung als gestalterisches Element oder begrünte Trennwand bis zum vertikalen Gärtnern. Kleinteilige Module sind schon im Größenbereich von Balkonen oder Terrassen für die Bepflanzung nutzbar – beispielsweise als Kräutergarten.

Ergebnis

Die Bauelemente ermöglichen durch ihren Aufbau eine wirtschaftliche und industrielle Herstellung in Serie. Bislang sind Pilotsysteme in Castrop-Rauxel (UNIKA), im spanischen Orihuela Costa (biolit) sowie in Oberhausen (Fraunhofer UMSICHT) zu Forschungszwecken installiert – mit überzeugenden Praxisergebnissen. Aktuell abgeschlossene Messungen zum Lärmschutzverhalten bestätigen dem System ausgezeichnete Werte.

In nachfolgenden Arbeiten begleitet das Fraunhofer UMSICHT die Realisierung von Begrünungsobjekten. Im Fokus stehen dabei insbesondere Untersuchungen zum Verhalten des Systems im Hinblick auf die Mikroklimaverbesserung und Kühlwirkung im urbanen Raum.

Vertikale Begrünung mit Biolit und UNIKA

Luftqualität, Schallschutz, Temperaturregulierung – all das sind Faktoren, die einen hohen Anteil an unserer Wohn- und Lebensqualität tragen. Sie gilt es nicht nur zu erhalten, sondern zu optimieren, um die immer weiter wachsenden Städte lebenswert zu gestalten.

Bauelement zur vertikalen Begrünung.
Bauelement zur vertikalen Begrünung.

Ein Baustein dazu ist die vertikale Begrünung mit dem neuen Begrünungssystem Biolit Vertical Green®. Diesem liegt ein Patent des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT und Herrn Dipl.-Ing. Berthold Adler zugrunde. Die Vorteile dieser grünen Wände sind überzeugend:

  • Schall wird um mehr als 50 dB reduziert, bis zu 8 dB werden dabei absorbiert
  • Die Bindung von Kohlendioxid (CO2) und Stickoxiden (NOX) aus der Luft wird positiv beeinflusst
  • Das System trägt zur Luftreinhaltung und Biodiversität bei.
  • Das Mikroklima wird positiv beeinflusst
  • Der konstruktive Aufbau und die schnelle Begrünung schützen vor Schäden durch Vandalismus (z. B. Graffiti)
  • Die Pflege der Anlage ist einfach und wirtschaftlich
  • Mit dem voll integrierbaren Bewässerungssystem gehören vertrocknete grüne Wände der Vergangenheit an.

Viele Stadtverwaltungen haben erkannt, dass der Platz für Grünflächen zur Wohnklima- und Luftverbesserung nicht mehr ausreicht. Deshalb werden Begrünungsprojekte an Gebäuden gefördert. Neben der Förderung für Gründächer gilt dies seit wenigen Jahren auch für vertikale Flächen. Je nach Stadt sowie nach Art und Umfang der Begrünung werden bis zu 50 Prozent der Kosten erstattet.

 

Statik und bautechnische Eigenschaften

Die Konstruktion kann flexibel und skalierbar geplant und zusammengefügt werden. Der Größe der zu begrünenden Flächen sind somit nahezu keine Grenzen gesetzt. Die Pflanzsteine können entweder als Vorsatzschale vermauert und über eine Verankerung an einer bestehenden Fassade befestigt werden oder sie erhalten als freistehende Wände oder Trennwände – beispielsweise zur optischen Gestaltung, zum Lärmschutz oder als Sichtschutz – bei Bedarf ein Fundament oder Tragsystem.

Die Bewässerung ist im System voll integrierbar und damit vor Vandalismus geschützt. Sie macht sich die speziellen Eigenschaften des mineralischen Baustoffs zunutze. Feuchtigkeit wird gespeichert und bei Bedarf wieder an das Pflanzsubstrat und die Pflanzen abgegeben.

Der Pflanzstein mit den Abmessungen 25 x 24 x 24 cm (Länge x Breite x Höhe) wurde bezüglich der Materialstruktur, auf Basis von Kalksandstein, speziell auf seine Wasserspeicher- sowie Wassertransporteigenschaften hin entwickelt. Bautechnisch gelten für ihn dieselben Parameter, die den Baustoff Kalksandstein auszeichnen. Er bietet einen hervorragenden Schallschutz und erfüllt zudem auch baurechtliche Anforderungen, z. B. im Brandschutz. Zudem liegt eine Umwelt-Produktdeklaration nach ISO 14025 vor. Die gute Frostbeständigkeit des Materials garantiert eine lange Wertbeständigkeit und Freude am vertikalen Grün.

Mit Winkelsteinen können die Pflanzrinnen umlaufend auf die andere Seite der Wand weitergeführt werden.

Bewässerung, Substrat und Pflanzen

Perfekter Ort für Erdbeeren: Das Modulsystem auf Basis von mineralischen Bauelementen zur vertikalen Begrünung.
Perfekter Ort für Erdbeeren: Das Modulsystem auf Basis von mineralischen Bauelementen zur vertikalen Begrünung.

Nach dem Aufbau der Wand werden die Rinnen mit Substrat gefüllt und anschließend direkt bepflanzt oder eingesät. Das Substrat und die Pflanzen können dabei in vielfältiger Weise variiert und auf den gewünschten Begrünungstyp angepasst werden. Bei der Begrünung mit Gräsern wird ein schneller Erfolg (2 bis 3 Wochen) erzielt und das entstehende Mikroklima ermöglicht die Ansiedlung weiterer Pflanzen.

Meist reicht ein einzelner Wasseranschluss, um eine komplette Wand zu bewässern. Die Bewässerung des Systems erfolgt von oben, denn aufgrund der Flüssigkeitstransporteigenschaften des Pflanzsteins gelangt das Wasser in der Wand allein durch Schwerkraft nach unten und erreicht so jede Pflanzrinne. Bei Bedarf – zum Beispiel extreme Witterungsverhältnisse, Südseite – können die einzelnen Steinlagen jedoch auch separat bewässert werden.

Durch Regenereignisse nimmt das System eigenständig Wasser auf, was zu einer guten Bewässerungsbilanz führt. Durch die Nutzung von Regenwasser (beispielsweise mit Zisternen) ist eine Einleitung in die Kanalisation verzichtbar.

Bewässerungstechnik und Monitoring

Die Bewässerungsanlage lässt sich über verschiedene Module und Sensoren zu einem intelligenten System erweitern. Beginnend mit einfachen Zeitschaltuhren, die den Wasserzulauf regeln, sind auch Sensoren zur Luft- und Bodenfeuchtemessung und weitere, bis hin zur kompletten Wetterstation, integrierbar. Auf Basis der ermittelten Messdaten wird die Feuchtigkeit im System bedarfsgenau gesteuert und die Bewässerung somit individuell geregelt.

Per WLAN und GPRS-Adapter können die Sensorwerte auch an eine App weitergegeben werden. Der Anwender hat so die Möglichkeit, seine Bewässerungsanlage zu überwachen und gegebenenfalls zu justieren. Über Solarpanele bleibt auch die Stromversorgung autark.

Text und Bilder (wenn nicht anders gekennzeichnet): Fraunhofer UMSICHT