Antikes Wissen: Beton, der sich selbst heilt
Beton gilt als typischer Baustoff des 20. Jahrhunderts, doch schon im antiken Rom wurde er für imposante, bis heute verblüffend gut erhaltene Bauwerke verwendet. Ein Forscherteam hat nun erkundet, was den Beton von damals so langlebig macht. Die Spurensuche führte zu einer Herstellungstechnik, von der wir heute lernen können. Bauwerke der römischen Antike sind Inspirationen für nachhaltige Betonrezepturen der Zukunft.
In diesem Artikel:
Bauwerke für die Ewigkeit
Seit 1900 Jahren steht das Pantheon in Rom mit seiner beeindruckenden Kuppel, die nach so langer Zeit immer noch die größte, nicht mit Stahl verstärkte Betonkuppel der Welt ist. Spuren der antiken Betonbaukunst finden sich an vielen Orten des ehemaligen Römischen Reichs, als Bade- oder Bürgerhäuser, Amphitheater oder Aquädukte, die noch heute für die Wasserversorgung genutzt werden. Selbst Salzwasser kann den antiken Konstruktionen nichts anhaben. Was aber macht den altrömischen Beton so extrem lange haltbar?
Moderne Betonhäuser haben meist nur eine Lebensdauer von 100 bis 120 Jahren. Eine Gruppe von Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology (MIT), der Harvard University sowie von italienischen und Schweizer Universitäten hat nun in einer spannenden Forschungsarbeit das Geheimnis des langlebigen “opus caementicium” – so nennt sich der römische Beton, gelüftet und in der Fachzeitschrift „Sciences Advances“ darüber berichtet.
Beton: Inhaltsstoffe und verwandte Materialien
- Beton wird heute aus Zement, Wasser und Gesteinskörnung hergestellt.
- Römischer Beton (opus caementicium) bestand aus Bruchsteinen, Kalk, Sand, Wasser und Vulkanasche.
- Zement ist ein Gemisch aus Kalksteinschotter, Ton, Sand und Eisenerz, das bei hohen Temperaturen zu Klinker gebrannt und dann mit Gips vermahlen wird.
- Mörtel besteht aus Zement, Wasser und Zuschlägen (Kies oder Sand). Vom Beton unterscheidet ihn lediglich die geringere Korngröße.
Spurensuche an der Stadtmauer Pivernos
Zu Beginn entnahmen die Forscher Proben von Mörtel aus der ca. 2000 Jahre alten Stadtmauer des antiken Privernum, heute Priverno, in der Nähe von Rom. Diese untersuchten sie anschließend unter dem Elektronenmikroskop und mittels Röntgen- und Laserstrahlen auf ihre einzelnen Bestandteile. Dass der altrömische Beton neben Gesteinsbruch als Zuschlagstoffe auch Vulkanasche (Puzzolane) und Kalk enthielt, war bereits bekannt. Bisher war man davon ausgegangen, dass es sich bei dem Kalkanteil stets um Kalziumhydroxid handelte, gebrannten Kalk, der nach dem Brennen mit Wasser gelöscht wird. Nun interessierten sich die Forscher besonders für kleine leuchtend weiße Kalkbröckchen, die in dem antiken Material typischerweise zu finden sind und die bislang für Verunreinigungen gehalten worden waren.
Eine „heiße“ Entdeckung
An dieser These hatte Adam Masic vom MIT schon länger gezweifelt und angenommen, dass die kleinen Kalkbröckchen eine Funktion hätten. Tatsächlich fanden Masic und das Team nun Beweise, dass die Römer beim Herstellen ihres Betons ein sogenanntes „hot mixing“ angewendet hatten. Bei diesem Verfahren wird statt oder zusätzlich zum Löschkalk ungelöschter trockener Branntkalk (Kalziumoxid) mit verwendet wurde. Beim Vermischen mit Wasser kommt es zu einem chemischen Prozess, bei dem sich große Wärme entwickelt und die weißen Kalkbrocken entstehen.
Von dieser Entdeckung motiviert, stellten die Forscher eine eigene, vom römischen Vorbild inspirierte Mischung in einem Hot-Mixing-Prozess her. Dabei offenbarte sich dann schließlich die Funktion der Kalkbestandteile: Entstehen im Laufe der Zeit Risse im Beton und es dringt Wasser ein, dann löst die Flüssigkeit Kalzium aus den Brocken, dass dann mit anderen Bestandteilen, wie der Vulkanasche, reagiert. Dabei werden die Lücken im Beton wieder geschlossen: Der Beton heilt sich selbst und wird unter Wassereinwirkung nur noch stärker und stabiler. Ein wirklich cleverer Baustoff.
Mit alter Technik aktuelle Probleme lösen
Die Wissenschaftler überprüften ihre Entdeckung in mehreren Versuchen mit unterschiedlichen Mischungen. Beobachtungen über einen längeren Zeitraum bis zu 365 Tagen bestätigten den „Selbstheilungsprozess“ des Betons.
Die Forschungsarbeit kommt zu dem Schluss, dass dieses Verfahren auch bei der Herstellung moderner Zementmischungen angewendet werden könnte, was in weiteren Studien untersucht werden sollte. Damit wäre es möglich, die Lebensdauer von Betonkonstruktionen wesentlich zu verlängern. So ließe sich die extrem klimabelastende Zementproduktion reduzieren. Auch die Haltbarkeit von Betonteilen aus dem 3-D-Drucker könnte mit einer neuen Rezeptur möglicherweise verbessert werden.
Zement: Baustoff mit großem CO2-Fußabdruck
Portlandzement ist die häufigste Zementart und Grundbestandteil von Beton, Mörtel und Stuck. Bei seiner Herstellung werden pro Tonne produzierten Materials bis zu einer Tonne CO2-Emmissionen freigesetzt. Aufgrund dieser hohen Klimabelastung ist die Suche nach nachhaltigeren Alternativen dringend. Die Lebensdauer von Beton zu verlängern, wäre eine Option.
Fazit: Von antiker Baukunst lernen
Römische Betonbauwerke sind zum Teil nach 2.000 Jahren noch intakt. Forscher haben die lange Haltbarkeit des römischen Betons an Proben einer alten Stadtmauer untersucht. Das Ergebnis: Das antike Baumaterial kann aufgrund der Beimischung von ungelöschtem Kalk und daraus folgender chemischer Reaktionen Risse und Poren im Beton selber wieder füllen.
Mit ähnlichen Verfahren ließen sich die Lebensdauer modernen Betons verlängern und Umweltbelastungen reduzieren.
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