Öko-Beton: 6 Lösungen, wie der Klimakiller "grün" wird

Foto: Unsplash/Note Thanun

Vom Baustoff für Architekturträume zum geächteten Klimasünder: Das Image von Beton hat sich radikal gewandelt. Dennoch will und kann niemand auf den widerstandsfähigen, langlebigen und frei formbaren Baustoff verzichten. Deshalb arbeiten Wissenschaftler mit Hochdruck an der Entwicklung eines klimafreundlichen „grünen“ Betons.

  1. Das Sündenregister des Baustoffs Beton
  2. Alle Hebel in Bewegung setzen: So wird Beton "grüner"
  3. Lösung 1: Energiewende im Drehrohrofen
  4. Lösung 2: Recyclingbeton − Bauschutt als Goldgrube
  5. Lösung 3: Carbonbeton für weniger Betonverbrauch
  6. Lösung 4: Umweltfreundlicherer Zement-Mix
  7. Lösung 5: CO₂ speichern statt ausstoßen
  8. Lösung 6: Next Level - vom Klimakiller zum Klimaretter
  9. Fazit: 6 Lösungen, mit denen Beton klimafreundlicher wird

Christian Mascheck
Fachautor CRADLE

Vom Baustoff für Architekturträume zum geächteten Klimasünder: Das Image von Beton hat sich radikal gewandelt. Dennoch will und kann niemand auf den widerstandsfähigen, langlebigen und frei formbaren Baustoff verzichten. Deshalb arbeiten Wissenschaftler mit Hochdruck an der Entwicklung eines klimafreundlichen „grünen“ Betons.

  1. Das Sündenregister des Baustoffs Beton
  2. Alle Hebel in Bewegung setzen: So wird Beton "grüner"
  3. Lösung 1: Energiewende im Drehrohrofen
  4. Lösung 2: Recyclingbeton − Bauschutt als Goldgrube
  5. Lösung 3: Carbonbeton für weniger Betonverbrauch
  6. Lösung 4: Umweltfreundlicherer Zement-Mix
  7. Lösung 5: CO₂ speichern statt ausstoßen
  8. Lösung 6: Next Level - vom Klimakiller zum Klimaretter
  9. Fazit: 6 Lösungen, mit denen Beton klimafreundlicher wird

Ein Beitrag unserer Redaktion.

Das Sündenregister des Baustoffs Beton

Beton wird aus Zement, Wasser und Gesteinskörnung hergestellt. Dass er zum „Bad Guy“ unter den Baustoffen geworden ist, liegt vor allem am Zement. Dessen Zutatenliste liest sich zunächst harmlos: Kalksteinschotter, Ton, Sand, Eisenerz. Doch der Herstellungsprozess macht daraus ein Teufelszeug, das für bis zu 8 Prozent aller CO2-Emissionen weltweit verantwortlich ist. Rund 700 Kilogramm Kohlendioxid werden bei der Herstellung einer Tonne Zement in die Luft geblasen. Davon entfallen

  • zwei Drittel auf die chemische Reaktion beim Erhitzen der gemahlenen Rohstoffe (Kalzinierung)
  • ein Drittel auf den Energieeinsatz beim Brennen.

Hinzu kommt, dass der Baustoff Beton nicht gerade sparsam eingesetzt wird. Um die stabilisierende Stahlbewehrung vor Rost zu schützen, muss sie großzügig mit Beton ummantelt werden, was zu hohen Wandstärken führt.

Die Ökobilanz von Beton verschlechtert sich auch durch die Verwendung von Sand, der aufgrund des weltweiten Baubooms immer knapper wird. Negative Folgen sind unter anderem Bodenerosion, Küstenzerstörung und Versalzung des Grundwassers.

Herstellung von Zement und Beton: die wichtigsten Schritte

  1. Vom Gestein zum Rohmehl

Kalkstein wird zerkleinert und mit Ton und Sand zum so genannten Rohmehl vermahlen.

  1. Vom Rohmehl zum Zementklinker

Das Rohmehl wird unter Zugabe von Zuschlagstoffen erhitzt. Dabei kommt es zu einer chemischen Reaktion (Kalzinierung), bei der Kalziumkarbonat unter Freisetzung von CO2 in Kalziumdioxid umgewandelt wird. Durch Brennen in einem Drehrohrofen bei 1450 Grad entsteht der harte Zementklinker. Dieser wird zu feinem Zement gemahlen.

  1. Vom Zement zum Beton

Der fertige Zement dient als Bindemittel, um mit Wasser, Sand und Kies zu Beton verarbeitet zu werden. Das noch weiche, formbare Gemisch muss in mindestens 28 Tagen zu festem Beton aushärten.

Alle Hebel in Bewegung setzen: So wird Beton "grüner"

Zementfreier Beton
Ganz ohne: In der Pilotanlage des Herstellers Carbonaide im finnischen Hollola entsteht Beton ohne klimaschädlichen Zement.
Foto: Carbonaide

Beton nicht mehr zu verbauen, ist aber auch keine Lösung, denn mit Eigenschaften wie hoher Druckfestigkeit, nahezu beliebiger Formbarkeit und langer Lebensdauer ist er nicht einfach zu ersetzen.

Zumal es kaum einen Baustoff gibt, der eine wirklich saubere grüne Weste hat. Würden wir nur noch mit Holz bauen, sähe es um unsere Wälder schlecht aus. Ziegel punkten mit natürlichen Inhaltsstoffen, aber auch sie werden bei hohen Temperaturen mit entsprechendem CO2-Ausstoß gebrannt.

Deshalb lautet die Devise: Machen wir Beton grüner, ökologischer und klimafreundlicher! Dafür gibt es nicht die eine richtige Lösung, aber eine ganze Reihe von Stellschrauben, an denen man drehen kann, zum Beispiel

  • den Betonverbrauch senken
  • Recyclingmaterial einsetzen
  • Verringerung des Energieeinsatzes bei der Herstellung
  • Zement ganz oder teilweise durch andere Bindemittel ersetzen

Forscher und Hersteller haben bereits eine Reihe von Verfahren für klimafreundlichen Beton entwickelt, die einen oder mehrere dieser Ansätze verfolgen. Einige werden bereits in der Praxis eingesetzt.

Lösung 1: Energiewende im Drehrohrofen

Nicht nur im heimischen Heizungskeller, sondern auch in der Industrie ist das Heizen mit alternativen Energieträgern auf dem Vormarsch.

In den Brennöfen der Zementwerke werden seit einiger Zeit zum Teil Altkunststoffe, Altreifen, Hausmüll, getrockneter Klärschlamm oder Tiermehl als Ersatz für Erdöl oder Erdgas eingesetzt. Diese Stoffe müssten ohnehin entsorgt werden. Schon vor einigen Jahren lag der Anteil dieser Abfallmitverbrennung nach Angaben der Zementindustrie bei gut 65 Prozent. Wie in anderen Bereichen hofft man auch hier auf den Einsatz von grünem Wasserstoff.

Zementwerk
Der Ort, wo es passiert: Im Zementwerk entsteht nicht nur Zement, sondern auch jede Menge Kohlendioxid.
Foto: Adobe Stock

Lösung 2: Recyclingbeton − Bauschutt als Goldgrube

Kreislaufwirtschaft und Urban Mining sind Schlagworte, die derzeit die Diskussion um nachhaltiges Bauen beherrschen. Mit Recyclingbeton aus Abbruchmaterial können wertvolle Ressourcen geschont und CO2-Emissionen reduziert werden.

Allerdings kommt das Betonrecycling in Deutschland nur schleppend in Gang, anders als in der Schweiz oder in den Niederlanden, wo bis zu 25 oder 30 Prozent Betonbruch neuen Produkten beigemischt werden dürfen, ohne dass dies deklariert werden muss. Die Technische Universität Kaiserslautern hat die Qualität von so genanntem “R-Beton“ untersucht und festgestellt: Bei richtiger Mischung ist er genauso belastbar wie herkömmlicher Beton.

In unserem Artikel erfahren Sie mehr zu Betonrecycling »

Tipp: Einen ausführlichen Bericht zum R-Beton aus Sicht der Materialforschung finden Sie übrigens auch in Heft 1 unseres CRADLE-Printmagazins, das Sie hier bestellen können.

Lösung 3: Carbonbeton für weniger Betonverbrauch

Eine weitere Idee, Beton sparsamer einzusetzen, kommt von der Technischen Universität Dresden. Die Wissenschaftler haben einen Verbundwerkstoff aus Beton und einem Geflecht aus Kohlenstofffasern (Carbon) entwickelt. Carbon ersetzt die übliche Stahlbewehrung.

Das hat viele Vorteile:

  • Der Verbundwerkstoff ist wesentlich leichter,
  • benötigt weniger Betonumhüllung,
  • erlaubt filigranere Formen als herkömmlicher Beton,
  • erhöht die Lebensdauer: Carbonbeton ist um ein Vielfaches haltbarer als normaler Beton

Das alles führt zu einer enormen CO₂-Einsparung, obwohl der Kohlenstoff aus Erdöl gewonnen wird. Nach einem Demonstrationsgebäude an der TU entstehen nun „echte“ Häuser aus Carbonbeton, darunter ein achtstöckiges Wohnhaus in Leipzig. Inzwischen denken die Forscher schon weiter und hoffen auf Kohlenstoff aus Algen oder Lignin.

CUBE in Dresden
Das CUBE in Dresden: Der Einsatz von Carbonbeton spart nicht nur viel Material, sondern reduziert auch den CO2-Ausstoß und schont wertvolle Ressourcen wie den immer knapper werdenden Sand.
Foto: Iurii Vakaliuk

Tipp: Mehr zum Carbonbeton des Game Changers Prof. Manfred Curbach vom Institut für Massivbau in Dresden und seinem CUBE nach Entwurf von Henn Architekten sowie weitere nachhaltige Betonentwicklungen finden Sie in Heft 3 unseres Print-Magazins CRADLE.

Lösung 4: Umweltfreundlicherer Zement-Mix

Weniger Beton ist der eine Schritt, der nächste heißt: ran an den Zementmix! Dabei geht es vor allem darum, den Anteil des Kalksteins, der maßgeblich für den CO₂-Ausstoß verantwortlich ist, durch alternative Stoffe wie Hüttensand (Abfallprodukt der Roheisenherstellung) oder Flugasche (ausgefilterte Partikel aus Kohlekraftwerken) zu reduzieren.

Im europäischen Forschungsprojekt „Eco-Binder“ wurde eine kalkärmere Mischung entwickelt, die zudem bei rund 200 Grad niedrigerer Temperatur gebrannt werden kann. Zudem härten die mit alternativen Bindemitteln hergestellten Betonplatten schneller aus und dämmen besser als herkömmlicher Beton - bei bis zu 30 Prozent weniger CO₂-Ausstoß.

Baustoff-Innovation: Hanfbeton

Im Massivholzbau kommt Hanf vor allem in Form von Hanfbeton zum Einsatz. Hanfbeton kann ähnlich wie Beton in Schalungen gegossen werden. Er lässt sich auch in Form von vorgefertigten Hanfsteinen produzieren, die sofort auf der Baustelle eingesetzt werden können.

In unserem Artikel erfahren Sie mehr über die Eigenschaften sowie die Vor- und Nachteile des innovativen Baustoffs Hanfbeton »

Lösung 5: CO₂ speichern statt ausstoßen

Beton, der Kohlendioxid speichert, statt es in die Atmosphäre zu blasen - das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Doch tatsächlich hat auch herkömmlicher Beton schon immer still und heimlich CO₂ in seinen Poren gebunden. Nur läuft dieser Prozess auf natürliche Weise so langsam ab, dass man damit kein Klima retten kann.

Die Schweizer Firma hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich diese so genannte Karbonatisierung auf ein Turbotempo von wenigen Stunden beschleunigen lässt. Dazu wird Betonbruch verwendet. Das Ergebnis: 10 Prozent weniger Zement, 10 Prozent weniger Emissionen.

Beton auf der Baustelle
Beton als CO2-Speicher? Die Idee ist reizvoll.
Foto: Adobe Stock

Lösung 6: Next Level - vom Klimakiller zum Klimaretter

Nächste Stufe der CO₂-Speicherung: Das finnische Unternehmen Carbonaide arbeitet an einem Verfahren für zementfreien Beton, der pro Kubikmeter Endprodukt 60 Kilogramm Kohlendioxid absorbiert.

Als Bindemittel dient statt Zement ein Gemisch aus Hochofenschlacke, Bioasche aus Holzheizkraftwerken und Abfalllauge aus der Zellstoffproduktion. Beim Abbinden des Betons wird zusätzlich CO₂ eingelagert und in einem Karbonatisierungsprozess versteinert. In einer Pilotanlage werden mit diesem Verfahren bereits Betonsteine hergestellt, die das Klima nicht belasten, sondern entlasten und genauso fest sind wie herkömmlicher Beton.

Neues Quartier HH-Stellingen
In Hamburg-Stellingen realisiert die MAGNA Real Estate AG ein nachhaltiges Wohnquartier. Besonders klimaeffizient ist der CO2-reduzierte Beton, der hier verbaut wird – ein Pilotprojekt für die beteiligten Planer und Lieferanten, das als Leitfaden für zukünftiges und nachhaltiges Bauen dient.
Foto: Moka Studio

Ökobeton: Beispiele aus der Praxis

Hamburg Stellingen

Hier entstehen sechs Gebäude mit insgesamt 141 Mietwohnungen aus CO2-reduziertem Beton unter Verwendung von Recyclingmaterial, Recyclingwasser und Ökostrom.

Friedenauer Höhe

Auf der Großbaustelle in Berlin wird R-Beton mit CO2-Speicherung nach dem Neustark-Verfahren verarbeitet.

Kosmosviertel Berlin

Unter der Leitung von hochC Landschaftsarchitekten wurden Elemente der Außenanlagen wie Einfassungen, Randsteine und Sitzelemente aus Recyclingbeton hergestellt. Das Abbruchmaterial stammt aus Berlin, die kurzen Transportwege reduzieren den CO2-Fußabdruck zusätzlich.

TU Kaiserslautern:

Small-Haus III war das erste Gebäude, das komplett aus R-Beton bestand.

Fazit: 6 Lösungen, mit denen Beton klimafreundlicher wird

  1. Einsatz alternativer Energien bei der Herstellung
  2. Einsatz von Recyclingbeton aus Abbruchmaterial
  3. Betonsparende Bauweise: Ersatz von Stahlbewehrung durch Carbonfasern
  4. Umweltfreundlicher Zement-Mix: Ersatz von Kalk in der Zementmischung durch alternative Bindemittel
  5. Gezielte Nutzung der CO₂-Speicherfähigkeit von Beton
  6. Zementfreier Beton