Betonrecycling – Bauen statt Deponieren
Mit Betonrecycling gibt es auch für Bauschutt eine Aussicht auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft im Betonbau.
In diesem Artikel:
Betonrecycling: Bauen statt Deponieren
Auf dem Gelände der Bayernkaserne findet derzeit ein einzigartiges Modellprojekt statt: Der Bauschutt der abgerissenen Gebäude wird nicht auf die Deponie gefahren, sondern soll vollständig für neue Bauwerke genutzt werden. Die Rezeptur für den Recycling-Beton entwickeln Prof. Dr. Andrea Kustermann und ihr Team der Fakultät für Bauingenieurwesen der Hochschule München.
„Hundert Prozent recycelte Gesteinskörnung im Beton sind auch im Hochbau machbar!“
Prof. Dr. Andrea KustermannBereits jetzt türmen sich auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne meterhohe Schutthalden. Vor drei Jahren begann der Abbruch der alten, von der Wehrmacht errichteten Gebäude. Dieser „Rückbau“ wird insgesamt 300.000 Tonnen Beton-, Ziegel- und Mörtelreste hinterlassen.
Für Andrea Kustermann ist der Schutt jedoch ein hochinteressantes Forschungsobjekt. Die Professorin kommt mindestens einmal in der Woche auf die Baustelle, um Proben zu nehmen. „In dem Modellprojekt, das vom Kommunalreferat der Landeshauptstadt mit 35.000 Euro gefördert wird, wollen wir herausfinden, wie sich der Beton, der beim Abriss der alten Bauten anfällt, zu hundert Prozent recyceln lässt.“
Was ist Recycling?
Recycling ist das Aufbereiten und Wiederverwerten von Abfällen. Es bedeutet aber viel mehr, als eine alte Glasflasche wiederzuverwenden. Es beschreibt einen Kreislauf, den ein Produkt durchläuft, um für einen neuen Zweck wiederverwendet zu werden.
Wir erklären, was genau man darunter versteht und zeigen die Vor- und Nachteile von Recycling auf.
Selten: Kreislaufwirtschaft im Betonbau
Hundert Prozent Beton-Recycling ist in Deutschland im Bereich des Hochbaus noch ein Novum, vor allem bei sehr feinkörnigem Bauschutt. Die Kapazität von Schuttdeponien ist bereits jetzt weitgehend erschöpft, jedes Jahr kommen Millionen Tonnen neuer Schutt dazu. Dessen Transport per LKW verbraucht zudem fossile Rohstoffe. Außerdem werden stets neuer Sand und Kies für Neubauten abgebaut. Folglich könnte ein Recycling der Baumaterialen vor Ort die Öko-Bilanz deutlich verbessern.
Dass Kreislaufwirtschaft im Betonbau bisher kaum praktiziert wird, liegt an den in Deutschland gültigen Normen. Denn bisher ist nur eine begrenzte Zumischung von grobkörnigem Material erlaubt. Überdies darf Sand gar nicht verwendet werden. Poröse Zementbestandteile können Wasser aufnehmen, sich verformen und bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sogar den Beton sprengen.
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Hundert Prozent Recycling-Beton für den Hochbau
„Mit unseren Untersuchungen wollen wir zeigen, dass Recycling-Beton mit 100 Prozent rezyklierter Gesteinskörnung durchaus für neue Beton-Konstruktionen geeignet sind“, erklärt Kustermann. „Man muss die Materialeigenschaften allerdings genau kennen, um beurteilen zu können, wo ein Werkstoff eingesetzt werden kann – es macht einen großen Unterschied, ob man eine Innenwand daraus baut, die kaum Frost ausgesetzt wird, oder eine Fassade.“
An der Wand des Betonlabors der Hochschule München stehen Reihen beschrifteter Mörtelwannen, gefüllt mit Abbruchmaterial. Das Abrissunternehmen Ettengruber, der Kooperationspartner des Projektes, filterte den Bauschutt bereits mit riesigen Brech- und Siebanlagen. Somit ist der Bauschutt für seinen erneuten Einsatz aufbereitet. Alle Proben sind nun feinkörnig, enthalten aber unterschiedlich viel Ziegel, Putz oder Beton. „Daher müssen wir für die Verarbeitung unterschiedliche Rezepturen entwickeln“, erläutert Kustermann.
Testverfahren für Betonrecyclin
Im ersten Schritt werden Korngrößen bestimmt, Dichte sowie Porosität gemessen. Anschließend mischen die Ingenieurinnen und Ingenieure das Material mit Zement und Wasser und dokumentieren genau die Mengverhältnisse. Nach dem Gießen der Probewände und deren Aushärtung folgen Belastungsprüfungen. „Mit diesen Untersuchungen können wir ermitteln, wie belastbar der fertige Beton ist und wie oft er sich einfrieren und wiederauftauen lässt, ohne Schaden zu nehmen“, erläutert die Forscherin.
Nachdem alle Tests abgeschlossen sind, wird die Genehmigung für den Einsatz des 100-prozentigen Recycling-Materials bei der Baubehörde beantragt. Danach sollen 2020 die ersten temporären Gebäude aus dem neuen, alten Baustoff auf dem Gelände der Bayernkaserne entstehen.
Muster-Pavillon aus Recyclingbeton
Um Bedenken von Bauherrn und Bauunternehmern auszuräumen, bauten Architektur- und Bauingenieursstudierende der HM 2021 unter der Leitung von Prof. Dr. Andrea Kustermann, Prof. Thorsten Stengel und Prof. Christoph Dauberschmidt, Fakultät für Bauingenieurwesen, und Prof. Arthur Wolfrum, Fakultät für Architektur, gemeinsam einen Muster-Pavillon mit 20 m² Grundfläche. Dieser besteht aus Recycling-Beton mit hundert Prozent rezyklierter Gesteinskörnung.
Der Pavillon zeigt selbstbewusst die Bandbreite der Gestaltungsmöglichkeiten des Recyclingbetons. Vier interdisziplinäre Gruppen aus Bauingenieur- und Architekturstudierenden gestalteten und bauten als Sichtbeton jeweils 4 Stützen mit unterschiedlichen Oberflächenstrukturen. Das Ergebnis zeigt die Gestaltungsmöglichkeiten von rau bis fein, plastisch, verspielt oder streng.
Legen selbst Hand an: Beim innovativen Lehrprojekt bauen Studenten einen Recyclingbeton-Pavillon, der die Vorteile des Baustoffs demonstrieren soll. Und vieles ist möglich: Die Studierenden gestalteten die Oberflächenstrukturen der Säulen des Musterpavillons, um die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten des Baustoffs zu zeigen.
Die HM-Studenten bauten den Recyclingbeton-Pavillon, um die Gestaltungsmöglichkeiten mit dem Baustoff zu zeigen. Prof. Dr. Andrea Kustermann und weitere HM-Kollegen initiierten den Bau des Musterpavillons aus Recyclingbeton durch die HM-Studenten.
Bilder: Johanna Weber
Das Projekt wurde unterstützt von der Baufirma Harald Strobel. Außerdem von der Firma Ettengruber und dort von Michael Weiss mit den Mitarbeitenden auf dem Gelände der Bayernkaserne, sowie von den Mitarbeitenden des HM-Betonlabors. Vier Eckstützen bearbeitete steinmetzmäßig Herr Miedl, Terrazzo wurde bearbeitet und als Fußboden eingebaut von Michael Dorrer. Weitere Unterstützer waren das Institut für Material und Bauforschung der Hochschule München (IMB) vertreten durch Prof. Christian Schuler, R. Schemm der Betonmarketing, steeltec, meva sowie StoCretec GmbH. Die HM förderte das Projekt als Lehrinnovation im Fach Betontechnologie/Sichtbeton.
Das Gelände der Bayernkaserne wird der Ort sein, an dem Recyclingbeton künftig zum Einsatz kommen wird. Als erster Bauträger hat sich die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG in München verpflichtet, rezykliertes Baumaterial zu verwenden. Geplant ist auch der Neubau eines Jugendzentrums auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne, das mit einem möglichst großen Anteil an Recycling-Material gebaut werden soll.
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