Kreislaufwirtschaft als Schlüssel für nachhaltiges Bauen
Die Bauwirtschaft ist im Wandel: Nachhaltigkeit rückt zunehmend in den Fokus von Bauherren und Investoren. Die damit verbundenen Herausforderungen, wie Rohstoffknappheit und Umweltverschmutzung, erfordern innovative Lösungsansätze.
Die konsequente Umsetzung von Kreislaufprinzipien eröffnet die Chance, den ökologischen Fußabdruck beim Hausbau deutlich zu reduzieren. Eine große Rolle spielen hierbei die Planung im gesamten Lebenszyklus von Gebäuden sowie die Auswahl der richtigen Materialien.
In diesem Beitrag:
Von der linearen zur zirkulären Wirtschaft: Kreislaufprinzipien beim Bauen
Die Kreislaufwirtschaft, auch bekannt unter den Begriffen Cradle to Cradle, zirkuläres Bauen oder Circular Economy, ist ein ganzheitlicher Ansatz.
Im Gegensatz zum traditionellen linearen Wirtschaftsmodell nach dem Prinzip „nehmen, produzieren, wegwerfen“, geht es beim zirkulären Bauen darum, Materialien in einem kontinuierlichen Kreislauf zu halten. Der Grundsatz lautet: reduzieren, wiederverwenden, wiederverwerten. Ziel ist es, Rohstoffe so zu nutzen, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus entweder in gleicher Qualität wiederverwendet oder in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden können.
In diesem Beitrag erklären wir genauer, wie Kreislaufwirtschaft funktioniert »
Als ressourcenintensivster und emissionsstarker Sektor belasten Bau und Nutzung von Gebäuden die Umwelt erheblich. Er ist nicht nur für 30 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich, sondern laut Statistischem Bundesamt auch für 54,2 Prozent des gesamten Abfallaufkommens.
Im Lebenszyklus eines Gebäudes sind sechs Phasen entscheidend für die Nachhaltigkeit
1. In der Planungsphase wird das gesamte Projekt mit einem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit konzipiert. Dabei stehen Rückbaubarkeit und Wiederverwendbarkeit von Anfang an im Mittelpunkt der Überlegungen.
2. Die Auswahl der Materialien erfolgt in der zweiten Phase gezielt unter dem Aspekt, recycelbare, langlebige und umweltfreundliche Baustoffe zu bevorzugen.
3. In der Bauproduktphase liegt der Fokus auf recycelten Materialien und nachwachsenden Rohstoffen.
4. Die Errichtungsphase erfordert präzise Planung und moderne Technologien zur Minimierung von Bauabfällen..
5. In der Nutzungsphase verlängern regelmäßige Wartung und der Einsatz erneuerbarer Energien die Lebensdauer des Gebäudes.
6. Schließlich sollte die Rückbauphase bereits in der Planung berücksichtigt werden. Hier werden Materialien sortenrein getrennt und recycelt, was Ressourcen schont und Abfälle reduziert.
Einzigartige Projekte aus Stampflehm
Die Bauten aus Stampflehm von Martin Rauch sind außerordentlich ästhetisch. Hier stellen wir weitere herausragende Projekte des Lehmbaupioniers vor »
Langlebige, robuste Bauwerke ermöglichen eine längere Nutzungsphase und reduzieren den Bedarf an neuen Baumaterialien. Da Baustoffe wie Sand, Kies und Metalle begrenzt sind, fördert die Kreislaufwirtschaft die Wiederverwendung und -verwertung von Bauabfällen. Dadurch verringert sich die Abhängigkeit von neuen Rohstoffen und gleichzeitig die Umweltbelastung beim Abbau und Transport.
Kreislaufwirtschaft beginnt bei der Planung von Gebäuden
Der Grundstein für möglichst nachhaltig und langlebig gestaltete Gebäude ist eine sorgfältige Planung. Der Fokus liegt klar auf einer durchdachten Materialauswahl sowie einer rückbaubaren Baukonstruktion.
Eine zentrale Rolle in der Kreislaufwirtschaft spielt das sogenannte Urban Mining: Die Gebäude werden so konzipiert, dass sie am Ende ihrer Nutzungsdauer als "Materiallager" genutzt werden können. Das heißt, sie können leicht demontiert, ihre Bestandteile wiederverwendet oder recycelt werden. Hier erklären wir ausführlicher, wie Urban Mining funktioniert »
Zirkuläres Bauen am Beispiel einer Hauswand
Typischerweise bestehen Wände aus mehreren Schichten, die jeweils eigene Funktionen erfüllen. Dazu gehören Außenverkleidungen, Dämmmaterialien sowie Putze und Beschichtungen. Die Außenverkleidung besteht oft aus Ziegeln, Holz oder Beton und lässt sich meist gut wiederverwenden. Wie kann man Wände im Sinne der Kreislaufwirtschaft aufbauen?
- Ziegel können gereinigt und für neue Bauprojekte eingesetzt werden,
- Holzverkleidungen können aufbereitet und neu zum Einsatz kommen,
- Viele Dämmmaterialien können ebenfalls recycelt und im Falle natürlicher Dämmung sogar kompostiert werden.
- Putze und Beschichtungen sind (aktuell noch) schwieriger zu recyceln.
Ein vielversprechender Ansatz, um die Kreislauffähigkeit von Wänden zu verbessern ist, die Anzahl der verwendeten Schichten zu reduzieren. Durch die Optimierung der Wandkonstruktion können weniger Materialien eingesetzt werden, die zugleich multifunktional sind.
Auch Modulbauweisen sind ein Weg in die Kreislaufwirtschaft. Modular aufgebaute Wände, die in Standardgrößen gefertigt werden, lassen sich einfacher demontieren und wiederverwenden. Diese Module können so konzipiert werden, dass sie leicht auszutauschen sind und minimalen Abfall erzeugen.
Gut zu wissen: Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs)
Um die Umweltauswirkungen von Bauprojekten transparent zu machen und zu minimieren, geben Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs) Orientierung bei der Baustoffwahl. EPDs bieten detaillierte Informationen über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts, von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung.
Basierend auf einer umfassenden Lebenszyklusanalyse ermöglichen sie einen vergleichenden Überblick über verschiedene Materialien und Produkte und unterstützen somit eine fundierte Entscheidungsgrundlage für eine nachhaltige Bauweise. Architekten und Bauherren können anhand von EPDs die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft konsequent umsetzen und die Ressourceneffizienz ihrer Projekte steigern.
Wiederverwertbare Materialien für zirkuläres Bauen
Für die Kreislaufwirtschaft geeignete Materialien bestehen aus nachwachsenden, biobasierten oder recycelten Rohstoffen, die schadstofffrei, langlebig und vollständig nachnutzbar sind, sich sortenrein trennen und reparieren lassen oder kompostierbar sind.
Beispiele für Cradle-to-Cradle-geeignete Materialien beim Bauen:
Holz
Holz ist ein nachwachsender und regional verfügbarer Rohstoff, der während seines Wachstums CO2 bindet. Er ist biologisch abbaubar und häufig wiederverwendbar, beispielsweise in Form von Recyclingholz oder für die Papierherstellung. Die Herstellung und Verarbeitung von Holz ist um einiges energieschonender als die anderer Baustoffe, wie zum Beispiel Beton oder Metall.
Beim Rückbau können Türen, Fensterrahmen, Fußböden und Tragkonstruktionen kann Holz zum Beispiel aufbereitet und für neue Bauprojekte oder zur Herstellung von Möbeln wiederverwendet werden.
Das "Green Solution House" war Dänemarks Bauwerk des Jahres 2022. Das vollständig aus Holz gebaute, klimapositive und nachhaltige Hotel vereint wichtige Elemente der Cradle-to-Cradle-Architektur. Besonders eindrucksvoll: die serielle Fertigung mit minimalem Materialverlust, wie die Beispiele in dieser Reportage zeigen werden. Hier können Sie unsere Reportage zu dem eindrucksvollen Bauwerk lesen »
Lehm
Lehm ist ein traditioneller Baustoff, der leicht verfügbar und vollständig recycelbar ist, aber keine energieintensive Verarbeitung erfordert. Als Innenputz reguliert er beispielsweise die Luftfeuchtigkeit und verbessert das Raumklima.
Kork
Kork hat hervorragende Dämm- und Schallschutzeigenschaften. Der nachwachsende Rohstoff wird aus der Rinde der Korkeiche gewonnen, die alle neun bis zwölf Jahre geerntet werden kann.
Bambus
Bambus wächst besonders schnell, eine Ernte ist innerhalb von drei bis fünf Jahren möglich. Er ist vielseitig einsetzbar, etwa als Boden- und Wandbelag.
Ziegel
Ziegel können gereinigt und wiederverwendet werden. So lassen sich neuartige Ziegel aus Ziegelresten, Altglas und Kalk herstellen, ohne sie bei hohen Temperaturen zu brennen.
Hanf
Hanf wächst schnell und benötigt keine Pestizide oder Herbizide, wodurch er besonders umweltfreundlich ist. Als recycelbarer und wiederverwendbarer Baustoff findet er unter anderem als Dämmmaterial Verwendung, in Form von Hanfbeton oder Hanfsteinen sogar für den Massivbau nichttragender Wände.
Hanf ist ein vielseitiger, nachhaltiger und schnell nachwachsender Rohstoff − und zugleich eine echte Alternative zu den herkömmlichen Baustoffen, die viel Energie und CO2 verbrauchen. Im Massivholzbau kommt er in Form von Hanfbeton (auch bekannt als Hanfkalk) zum Einsatz.
Flachs und Jute
Flachs und Jute werden häufig als natürliche Dämmstoffe verwendet. Jute kommt zudem oft als Armierungsgewebe zum Einsatz, um Putzschichten zu stabilisieren und Risse zu verhindern. Sowohl Flachs als auch Jute sind am Ende ihrer Lebensdauer kompostierbar.
Metalle
Metalle wie Stahl und Aluminium sind sehr langlebig und mehrfach wiederverwendbar, ohne dass sie ihre Materialeigenschaften verlieren. Das Recycling von Aluminium benötigt beispielsweise nur etwa fünf Prozent der Energie, die für die Primärproduktion erforderlich ist
Lesen Sie in diesem Beitrag, wie Metalle in der Kreislaufwirtschaft recycelt werden und welche enormen Vorteile das für die deutsche Wirtschaft hat.
Beton
Beton lässt sich durch innovative Technologien brechen und als Zuschlagstoff für neuen Beton verwenden. Dieser sogenannte R-Beton verursacht deutlich weniger CO2-Emissionen als die Produktion von neuem Beton.
Kreislaufwirtschaft steigert in allen Phasen des Gebäudelebenszyklus die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit im Bausektor. Die konsequente Umsetzung von Kreisläufen schont Ressourcen, reduziert Umweltbelastungen und steigert die Zukunftsfähigkeit des Bauwesens. Ökologische Baustoffe verbessern zudem die Raumluftqualität und fördern ein gesünderes Wohn- und Arbeitsumfeld. Gebäude, die nach diesen Prinzipien errichtet werden, bieten längere Wertbeständigkeit und höhere Flexibilität für neue Nutzungsanforderungen, wodurch sie attraktive Investitionen für Bauherren und Nutzer sind.
Wie kann Beton nachhaltiger werden?
Niemand möchte und kann auf den widerstandsfähigen, langlebigen und frei formbaren Baustoff verzichten. Deshalb arbeiten Wissenschaftler mit Hochdruck an der Entwicklung eines klimafreundlichen „grünen“ Betons. Wir stellen 6 Lösungen für "grünen Beton" vor »
Autor Christian Schaar ist Geschäftsführer der S2 GmbH. Seine baubiologischen Kenntnisse erlangte er durch den täglichen Umgang mit Problemen der Baubiologie in verschiedenen Unternehmen des ökologischen Holzbaus. Als Geschäftsführer eines Planungsbüros, dessen Schwerpunkt ebenfalls der ökologische Holzbau ist, wird er bei Neubauprojekten und Sanierungen regelmäßig mit baubiologischen Fragestellungen konfrontiert und als Experte auf diesem Gebiet konsultiert.
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