Wiese auf dem Dach: Wohnen im Erdhügelhaus
Archaische Bauweise trifft auf moderne Technik – heraus kommt ein Haus, das ganz im Trend der Zeit liegt. Ein Erdhaus oder Erdhügelhaus ist ein Musterbeispiel für ökologisches, energiesparendes Bauen und zieht dank ungewöhnlicher Formen alle Blicke auf sich. Zugleich bindet die schützende begrünte Erdschicht das Gebäude harmonisch in die umgebende Natur ein.
Das erfahren Sie in diesem Artikel:
Was ist ein Erdhügelhaus?
Ein Erdhügelhaus oder Erdhaus ist ein Gebäude, das ganz oder teilweise mit einer bis zu drei Meter dicken, begrünten Erdschicht bedeckt ist. Oft sind von dem Haus nur der grüne Hügel und ein Eingangsbereich zu sehen.
Im Innern gibt es bei vielen Erd- und Erdhügelhäusern keine oder kaum gerade Wände und eine manchmal höhlenartige Struktur. Moderne Erdbauten sind jedoch belichtet und bieten hohen Wohnkomfort. Die Erdbedeckung schützt den darunterliegenden Wohnraum vor winterliche Kälte ebenso wie vor starker Hitze im Sommer. Die begrünte Erdfläche kann als Sitz- und Sonnenplatz und teilweise auch zum Gärtnern genutzt werden. Am Hang lassen sich Erdhügelhäuser auch in Terrassenbauweise übereinander bauen.
Erdhügelhäuser und ihre historischen Vorbilder
Wohl spätestens seit der Steinzeit lebten Menschen in natürlichen Felsengrotten. Im Laufe der Jahrtausende bezogen sie auch selbstgegrabene Höhlen. Als die Wikinger um 900 nach Christi Island besiedelten, errichteten sie zum Schutz gegen das raue Klima in Polarkreisnähe Erdhügel, die sie innen mit Holzbrettern verkleideten. Später entstanden auf Island Siedlungen mit Häusern, die gegen die Kälte mit Torfplaggen bedeckt wurden. Auch Native Americans in den nördlichen Plains der heutigen USA und Kanadas bauten sich in den Boden vertiefte Erdhäuser.
Wiederbelebt wurde Idee des Bauens unter der Erde in den 1970er-Jahren mit dem Aufkommen von Öko-Bewegungen. Um die Jahrtausendwende erweckten die Verfilmungen des Fantasy-Klassikers „Der Herr der Ringe“ ein neues Interesse an Erdhäusern, die an die Behausungen der Hobbits im Auenland erinnern – man spricht vom „Hobbit-Effekt“.
Vorteile eines Erdhügelhauses
Ökologische, aber auch wirtschaftliche Argumente sprechen für das Erdhügelhaus:
- Durch die temperaturausgleichende Erdbedeckung wird es selbst bei Außentemperaturen um minus 15 Grad im Erdhügelhaus nicht kälter als plus 3 Grad. Der Heizwärmebedarf ist sehr gering, das spart rund zwei Drittel der üblichen Heizkosten.
- Die Erdschicht nimmt Regenwasser auf, das sie speichert und zeitversetzt ins Grundwasser weitergibt. Das entlastet die öffentliche Kanalisation, wirkt ausgleichend auf Grundwasserstand und trägt zum Hochwasserschutz bei.
- Durch die Grünbedeckung wird weniger Fläche versiegelt als beim herkömmlichen Hausbau.
- Erdhügelhäuser sind sturm- und hagelfest. Aufgrund ihrer Bauform können sie nicht einfach von Stürmen „weggetragen“ werden und bieten weniger Angriffspunkte (Dach oder Ecken) für den Wind.
- Erdhäuser integrieren sich harmonisch in die Landschaft.
- Die Gründächer bieten Biotope für Pflanzen und Insekten.
- Sie benötigen vergleichsweise wenig Verschleißmaterial wie etwa Dachziegel.
Erdhaus oder Erdhügelhaus?
Beide Begriffe werden oft synonym verwendet. Will man sie unterscheiden, dann ist ein Erdhaus in einen Hang hinein gebaut, während das Erdhügelhaus unter einem aufgeschütteten Hügel liegt. Es kann auch auf ebenem Gelände gebaut werden.
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Nachteile eines Erdhügelhauses
Neben den Vorteilen gibt es auch einige kritische Punkte bei der Planung und Realisation eines Erdhügelhauses:
- Die Höhe des Erdhügelhauses ist auf höchstens zwei Stockwerke begrenzt, weil sonst die Aufschüttung nicht möglich wäre.
- In Bebauungsplänen sind Erdhäuser nicht vorgesehen. Es ist deshalb fast immer eine Ausnahmegenehmigung für den Bau notwendig, die in Neubaugebieten nicht ohne Weiteres zu bekommen ist.
- Trotz Belichtungsmöglichkeiten (Fenster im Eingangsbereich, Oberlichter) sind insbesondere nur einseitig offene Erdhäuser im Innenbereich zum Teil eher dunkel.
- Weil es meist keine oder nur wenige gerade Wände gibt, fehlen oft Flächen zum Aufstellen von Möbeln. Eine Lösung sind Raumteiler, zum Beispiel für eine Küchenzeile.
- Die Erdaufschüttung erfordert hohen manuellen Arbeitsaufwand oder den Einsatz größerer Bagger.
- Die Baukosten sind rund 10 Prozent höher als beim herkömmlichen Hausbau, was allerdings langfristig durch niedrige Energiekosten ausgeglichen wird.
Bauweisen von Erdhügelhäusern
Bei gleichem Grundprinzip gibt es unterschiedliche Bauweisen für Erdhügelhäuser. Hier beispielhaft die Konzepte zweier Pioniere des Erdhausbaus:
Vetsch Architektur: Der Schweizer Peter Vetsch hat europaweit an die 1 000 Erdhügelhäuser gebaut. Die tragenden Strukturen sind aus Beton mit organisch geschwungenen, nicht fest vorgegebenen Formen. Vetsch selbst spricht von „bewohnbaren Skulpturen“. Sie sind innen mit Lehm beschichtet und außen mit einer luftdichten Dämmschicht aus Polyurethan versehen.
SolArc-Häuser von Archy Nova. Architekt Gerd Hansen baut ebenfalls seit etwa 30 Jahren Erdhügelhäuser. Ein Holzbaumodul mit Tonnendach bildet das Gerüst, auf das der Erdhügel aufgeschüttet wird. Die Konstruktion ist als Passivhaus ausgeführt, mit ökologischer Dämmung aus Altpapier oder Restholzprodukten. Die Häuser haben an den Stirnseiten große Fensterflächen und können wahlweise auf Bodenplatte oder unterkellert erstellt werden.
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Haustechnik auf neuestem Stand
Typisch für moderne Erdhügelhäuser ist die Verbindung von naturnaher Bauweise und ausgefeilter Energietechnik. Wegen der luftdichten Ausführung ist eine Lüftungsanlage unverzichtbar. So kann auch unter dem Erdmantel kein feuchtes „Höhlenklima“ entstehen.
Mit Wärmerückgewinnung aus der Raumluft trägt die Lüftung zugleich zur Heizung bei. Der ohnehin geringe Heizbedarf kann ausschließlich mit erneuerbaren Energien gedeckt werden. Dazu gehören vor allem Wärmepumpen für Erd- oder Umgebungswärme sowie Solarkollektoren für Sonnenwärme. Letztere können beispielsweise über den Fenstern oder an der Fassade der Stirnseiten des Erdhügelhauses angebracht werden. Auch über die Fensterflächen als solche gelangt Solarwärme ins Haus.
Fazit: Das Erdhügelhaus als ökologisches Baukonzept
- Energieeffizienz: Erdbedeckung und moderne Haustechnik machen Erdhügelhäuser zu Top-Energiesparern.
- Umwelt- und Hochwasserschutz: Der Erdmantel fungiert als Regenwasserspeicher und Ausgleich für versiegelte Flächen.
- Landschaftsschutz und -integration: Ein Erdhaus fügt sich harmonisch in die Landschaft ein, die Grünfläche bildet ein Biotop für Pflanzen und Kleintiere.
- Grenzen des Konzepts: Erdhügelhäuser können nur ein- bis zweistöckig, in der Regel als Einfamilienhäuser, gebaut werden. Sie sind deshalb kein Modell für zukunftsweisendes ökologisches Bauen in der Stadt.
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