Zellstoff aus Ananasfasern: eco:fibr
Mit innovativem Zellstoff aus Ananasfasern geht das junge Start-Up eco:fibr aktiv gegen die Wegwerfkultur vor. Die Idee dahinter: die Reste der Ananaspflanze, die normalerweise nach der Ernte übrigbleiben, werden nun als Rohstoff eingesetzt. Das neue Produkt könnte eine Alternative zu Holzfasern für die deutsche Papier- und Verpackungsindustrie sein.
In diesem Artikel:
- Ananasfasern als Holzersatz
- Zellstoff aus Ananasfasern: die Vision von eco:fibr
- Der Herstellungsprozess
- Das Team von eco:fibr
- 5 Fragen an Gründerin Merit Ulmer
Ein Gastbeitrag von eco:fibr.
Ananasfasern als Holzersatz
Weltweit werden jährlich 224 Millionen Bäume für die Herstellung von Papierprodukten und Verpackungen gerodet. Die Konsequenzen für Mensch, Umwelt und Klima – unter anderem durch Raubbau, Monokulturen und Brandrodung – sind bekannt. Allein in Costa Rica, dem größten Ananasexporteur der Erde, fallen jährlich 4,5 Millionen Tonnen Pflanzenabfälle auf den Plantagen an. Diese müssen bislang arbeits-, zeit- und kostenintensiv beseitigt und teilweise zusätzlich mit Chemikalien behandelt und verbrannt werden. Dabei entstehen Kosten von bis zu 2000 Euro pro Hektar. Im Anschluss kann die Anbaufläche sechs Monate nicht bewirtschaftet werden. Außerdem sind das Übersäuern der Böden, die Verschmutzung des Grundwassers und ein hoher CO2-Ausstoß durch das Verbrennen umweltkritische Folgen.
Mit dem neu entwickelten Zellstoff aus Ananasfasern, die als Müll nach der Ernte anfallen, geht das junge Start-Up eco:fibr dieses Problem an. Die ursprüngliche Idee kam den Studierenden 2018 bei einer Reise nach Costa Rica. Wie genau es zu der Idee kam, beantwortet Gründerin Merit Ulmer im unten stehenden Interview.
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Zellstoff aus Ananasfasern: die Vision von eco:fibr
Das Potential der Ananaspflanzen für die Nutzung als Substitut zu hölzernen Fasern in der Papier- und Kartonageindustrie ist hoch. Der hohe Zellulosegehalt, gepaart mit dem niedrigen Liginingehalt, macht die Aufbereitung der Fasern leichter und umweltschonender möglich. Mithilfe des von eco:fibr entwickelten Verfahrens lässt sich Zellstoff mit einzigartigen Eigenschaften aus den Pflanzen extrahieren. Daraus lassen sich die verschiedensten Papierprodukte fertigen. Das Verfahren zeichnet sich durch den Verzicht von hochkonzentrierten Chemikalien wie schwefel- oder chlorhaltigen Substanzen und einen niedrigeren Energiebedarf aus. Zudem erfolgt es ohne die Anwendung von Druck und Stoffkreisläufe sind in den Prozess integriert, sodass eingesetzte Ressourcen mehrfach verwendet werden können.
Theoretisch ist der Zellstoff aus Ananasfasern für die gesamte Papier-/Verpackungsindustrie interessant. Untersuchungen des Teams ergeben jedoch, dass das Produkt aufgrund der Weichheit und der hohen natürlichen Weiße besonders vielversprechend für die Bereiche Hygienepapiere und Verpackungen ist.
Durch die ganzjährige Ernte der Ananaspflanze kann der Zellstoff zudem saisonunabhängig produziert werden. Der Rohstoff muss somit nicht gelagert werden und die Produktion ist nicht auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt. Zusätzlich ist der Ansatz weltweit skalierbar; Da sich das Problem der Ressourcenverschwendung nicht nur auf die Reste der Ananaspflanzen bezieht, kann der Prozess auch für weitere Rohstoffe entwickelt werden. Das Projekt birgt demnach großes Potenzial für die Zukunft. Ganz im Sinne des Cradle to Cradle Konzeptes wird ein Abfallstoff zu einem wertvollen Rohstoff.
Schritt 1:
Abnahme der Ananaspflanze
Schritt 2:
Zerkleinerung der Ananaspflanze
Schritt 3:
Zellstoffgewinnung
Schritt 4:
Pressen und Export
Der Zellstoff aus Ananasfasern ist hier in verschiedenen Stadien zu sehen:
- nach der Zerkleinerung der Pflanzenreste
- während der Zellstoffgewinnung
- nach der Trocknung
Der Zellstoff wird ressourcenschonend aus den Ananaspflanzenresten extrahiert. Bei der Entwicklung des Verfahrens hat das Team darauf geachtet, dass weder schwefel- noch chlorhaltige Chemikalien zum Einsatz kommen. Die eingesetzten Ressourcen wie Wasser und andere Verbrauchsmaterialien werden in einem Kreislauf mehrfach wiederverwendet. Bei herkömmlichen Verfahren werden diese hingegen häufig eingesetzt.
Der nächste Schritt für eco:fibr ist nun die Hochskalierung auf einen größeren Maßstab. Die Kombination aus einzigartigem Verfahren, besonderem Rohstoff und dem vorherrschenden Innovationsdruck für alternative, nachhaltige Zellstoffe ist vielversprechend.
Das Team von eco:fibr
Das 11-köpfige Team von eco:fibr ist interdisziplinär aufgestellt und setzt sich aus Studierenden aus Hannover zusammen. Vertreten sind die Bereiche Biotechnologie, Chemie, Ingenieurswesen und Wirtschaftswissenschaften. Gefunden hat sich das Team über die Studenteninitiative Enactus e.V. als Gruppierung. Aus dem ehrenamtlichen Studentenprojekt ist mittlerweile ein Start-Up gewachsen.
Zugute kommen dem Team bei der Entwicklung die fachlichen Kompetenzen eines jeden Mitgliedes. Das ökologische Mindset und die Motivation für Veränderungen verbindet die Studierenden.
Für die Innovation hat das Team den Startup-Impuls Wettbewerb Sonderpreis in der Kategorie „Hochschule & Wissenschaft“ gewonnen. Die Siegerprämie findet ihren Einsatz in der Finanzierung einer anstehende Masterarbeit eines Teammitgliedes, welche im Rahmen einer Kooperation mehrerer Universitäten entsteht. Fokus dieser Forschungsarbeit ist die weitere Prozessoptimierung.
5 Fragen an Gründerin Merit Ulmer von eco:fibr
Ihr stellt Zellstoff aus Ananasfasern her. Wie genau kam es zu der Idee?
2017 hat eine Dozentin der Leibniz Universität Hannover eine Dokumentation darüber gesehen, dass Tonnen von Bananen die nicht den Exportstandards entsprechen, entsorgt werden müssen. Im Rahmen von Enactus Hannover hat sich daraus die Idee ergeben ein Projekt zu starten, um dem entgegenzuwirken. Dem haben wir uns, in teils anderer Zusammensetzung, dann angenommen. Die Idee war es ursprünglich den Zellstoff aus den Schalen zu extrahieren und daraus Textilien herzustellen. Über die Universität haben wir dann einen Kontakt nach Costa Rica bekommen und sind dort 2018 das erste Mal hingeflogen. Nach der Besichtigung einer Plantage und Gesprächen mit verschiedensten Personen hat sich jedoch ergeben, dass das Problem dort nicht so groß ist, es aber ein viel größeres Problem gibt: die Ananaspflanzen. Das ist der Grundstein des heutigen Konzepts, Zellstoff aus Pflanzenreststoffen zu extrahieren und diesen damit ein neues Leben zu geben.
Was macht euer Produkt so besonders?
Unser Zellstoff ist besonders, weil er aus einem bestehenden Rohstoff besteht, der für unsere Zwecke nicht extra angebaut werden muss. Wir verwenden einen Reststoff, mit dem wir sogar noch ökologische und soziale Probleme vor Ort lösen können. Auch verwenden wir einen eigens entwickelten Prozess, der ressourcenschonender ist und keine umweltschädlichen Chemikalien verwendet. Deshalb können wir eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichem Zellstoff aus Holz anbieten.
Für welche Produktbereiche eignen sich Ananasfasern? (z.B. Grafikprodukte, Verpackung, Hygienepapiere?)
Zum aktuellen Zeitpunkt können wir noch keine Einsatzgebiete für unseren Zellstoff ausschließen. Bisher haben wir uns auf die Bereiche der Hygienepapiere, Wandbeläge und Spezialpapiere fokussiert. Die grafischen Papiere betrachten wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht, da die Preise dort sehr niedrig sind und der Bedarf stetig abfällt. Langfristig sehen wir uns und unseren Zellstoff auf jeden Fall auch im Verpackungsbereich, da der Markt immer größer wird und man gerade bei sichtbaren Verpackungen auch Marketingaspekte gut einbinden kann (made by eco:fibr).
Ihr seid ein Startup mit einem sehr jungen Team. Wird es jungen Menschen leicht gemacht, Innovationen auf den Markt zu bringen?
Bisher hatten wir keine großen Probleme bei der Kontaktaufnahme zu potentiellen Kunden. Im Gegenteil. Potentielle Kunden, also Zellstoff verarbeitende Unternehmen, kommen regelmäßig auf uns zu. Dadurch, dass wir schon eine relativ hohe mediale Aufmerksamkeit bekommen durften, werden immer mehr potentielle Kunden auf uns Aufmerksam. Aktuell auch aus anderen Branchen neben der Papierindustrie, was weitere spannende Optionen aufzeigt.
Was sind die größten Herausforderungen für euch?
Die größten Herausforderungen beziehen sich neben rechtlichen Themen auf die technische Entwicklung und Planung. Vom Becherglas über den kleinen Reaktor bis hin zur Fabrik gibt es einige Hürden und Skalierungseffekte zu beachten. Wir sind wirklich froh darüber, ein so gutes Netzwerk aus hilfsbereiten Personen aufgebaut zu haben! Aktuell sind wir noch auf der Suche nach dem geeigneten Partner oder Dienstleister, mit dem wir in der Pilotierungsphase ca. 5-10 Tonnen Zellstoff herstellen können. Unsere eigene Anlage soll im Anschluss dann geplant werden und in Costa Rica direkt vor Ort aufgebaut werden. Langfristig planen wir eine dezentrale Produktion, mit der man gut auf Umwelt- und Standortfaktoren reagieren kann. Es liegen noch einige Hürden und Herausforderungen vor uns, die wir aber meistern werden!
Sie möchten Kontakt mit dem Team von eco:fibr aufnehmen?
E-Mail: contact@ecofibr.de
Texte und Bilder: eco:fibr
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