Passivhaus vs. Niedrigenergiehaus − ein Vergleich

Der Konflikt in der Ukraine und die daraus resultierenden hohen Energiekosten sowie die kaum mehr abzuwendende Klimakrise haben die Notwendigkeit des Energiesparens bei vielen Menschen ins Bewusstsein gerufen. Passiv- und Niedrigenergiehaus scheinen hierbei eine vielversprechende Lösung zu sein.

Gerade im Gebäudesektor ist das Potenzial an Einsparungen hoch. Dabei geht es nicht nur darum, die Heizung ein paar Grad herunterzustellen oder auf das richtige Lüften zu achten. Vielmehr rücken klimafreundliche Bauweisen, wie beim Passivhaus oder Niedrigenergiehaus in den Fokus. Doch was sind überhaupt die Unterschiede zwischen einem Passiv- und einem Niedrigenergiehaus? Und welche Vor- oder Nachteile bringt jedes System mit sich?

  1. Gebäudesektor als Treiber der Klimakrise?
  2. Das Passivhaus
  3. Das Niedrigenergiehaus
  4. Passiv- und Niedrigenergiehaus im direkten Vergleich

Ein Gastbeitrag von Christian Schaar.

Gebäudesektor als Treiber der Klimakrise?

Der Gebäudesektor spielt auf dem Weg zu mehr Klimaschutz eine große Rolle. Schließlich entstehen hier etwa ein Drittel der Endenergie in Deutschland und rund 30 Prozent der Treibhausgasemissionen. Rund drei Viertel des Energiebedarfs entfallen dabei auf das Heizen oder die Warmwasseraufbereitung. Berücksichtigt werden muss bei der Energiebilanz eines Gebäudes auch dessen lange Nutzungsdauer. Ein Gebäude, das heute errichtet wird, hat auch noch in 30 Jahren Einfluss auf das Klima. Um sich teure Sanierungen zu ersparen, setzen deswegen immer mehr Bauherren auf ein Passivhaus oder Niedrigenergiehaus.

Zwar bringen beide Gebäude keine kurzfristige Entlastung bei den aktuell sehr hohen Energiepreisen, langfristig gesehen, könnten sie aber zum wichtigen Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität werden. Beide Systeme zeichnen sich im Vergleich zu konventionellen Häusern durch eine gute Wärmedämmung aus. Eine optimale Wärmedämmung wiederum kann besonders effektiv dabei helfen, Energie zu sparen und so Umwelt und Geldbeutel zu schonen. Gegenüber herkömmlich gedämmten Häusern schneiden beide Systeme deutlich besser ab, denn die Technik ist inzwischen sehr weit fortgeschritten. Trotzdem gibt es Unterschiede bei der Funktionsweise beider Systeme und daraus resultierend Unterschiede im Energieverbrauch.

Das Passivhaus

Als Passivhäuser werden Gebäude bezeichnet, dessen Heizwärmebedarf bei unter 15 kWh pro Jahr und Quadratmeter liegt. Ein solches Haus spart somit zwischen 70 und 80 Prozent der Heizenergie eines herkömmlichen Gebäudes. In milden Wintern ist sogar ein Betrieb ganz ohne Heizung denkbar. Wie ist das möglich?

Beim Passivhaus werden mehrere Elemente zur optimalen Wärmedämmung und Rückgewinnung von Wärme miteinander kombiniert, sodass ein extrem niedriger Heizwärmeverbrauch erreicht werden kann. Grundvoraussetzung hierfür sind sehr gut isolierte und gedämmte Fenster, Türen, Wände und Dächer, um einen Wärmeverlust über Zugluft etc. zu vermeiden. Typisch für ein Passivhaus ist zudem eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung.

Aufgrund der guten Dämmung findet nahezu kein Luftaustausch mehr statt. Die Frischluftzufuhr wird entsprechend über ein Belüftungssystem erzielt. Dieses kann gleichzeitig zum Heizen verwendet werden, indem es warme Luft gleichmäßig im Haus verteilt. Die dafür nötige Wärme bezieht das Passivhaus aus passiven Quellen wie Sonneneinstrahlung, die Abwärme von elektrischen Haushaltsgeräten oder auch die natürliche Körperwärme. Ein weiterer Vorteil dabei: Aufgrund der optimalen Isolierung und Lüftung ist eine Schimmelbildung im Passivhaus nahezu ausgeschlossen und das Raumklima deutlich gesünder.

Zusammen mit einer Solaranlage ist eine komplett unabhängige nachhaltige Energieversorgung möglich.

In Kombination mit einer Solaranlage ermöglicht das Passivhaus sogar eine komplett unabhängige Versorgung mit erneuerbaren Energien. Um die Vorzüge des Passivhauses wirklich auszunutzen, müssen Bewohner ihr Nutzerverhalten anpassen. Wird die Innentemperatur nur etwas erhöht oder häufiger gelüftet als empfohlen, steigt der Energieverbrauch. Kritiker bemängeln, dass der beworbene, niedrige Verbrauch mit regulärem Nutzerverhalten kaum erreicht werden kann.

Das Niedrigenergiehaus

Als Niedrigenergiehaus gelten Gebäude, die einen Heizwärmebedarf haben, der deutlich unterhalb der maximal geltenden Verbrauchswerte für einen Neubau liegt. Heute befindet sich dieser Richtwert bei etwa 45 kWh pro Jahr und Quadratmeter. Da der Begriff nicht geschützt ist, schwanken die Angaben. Grundsätzlich handelt es sich bei einem Niedrigenergiehaus aber um ein Wohngebäude, das eine bessere Energieeffizienz aufweist als vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Im Gegensatz zum Passivhaus ist der Energiebedarf aber höher.

Auch das Niedrigenergiehaus setzt auf einen möglichst geringen Wärmeverlust durch die Gebäudehülle. Eine moderne Bauweise und der Einsatz energiesparender Technik sorgen dafür, dass ein solches Haus nur wenig Energie für ein angenehmes Wohnklima benötigt. Wie beim Passivhaus kann das Niedrigenergiehaus mit weiteren Möglichkeiten der regenerativen Energiegewinnung kombiniert werden.

Zum Beispiel:

  • eine Solaranlage für die Heizung und Aufbereitung von warmem Wasser oder
  • einer Wärmepumpe.

Passiv- und Niedrigenergiehaus im direkten Vergleich

Die Entscheidung für ein Passiv- oder Niedrigenergiehaus ist oft von den Kosten, der Höhe der Förderung und natürlich dem zukünftigen Energieverbrauch abhängig. Insgesamt punkten beide Systeme mit niedrigen Energie- und Nebenkosten und einer positiven Klimabilanz. Das Passivhaus ermöglicht bei einer Anpassung des Nutzerverhaltens sogar eine komplette Unabhängigkeit von externen Energieversorgern.

Die Baukosten beider Systeme lassen sich nur schwer miteinander vergleichen, da bei jedem Bau individuelle Wünsche und andere Voraussetzungen in die Kalkulation einfließen. Im Schnitt rechnet man bei einem Passivhaus aber mit einer Mehrinvestition von 15 bis 30 Prozent. Berücksichtigt werden sollte außerdem, dass die Haustechnik regelmäßig gewartet und überprüft werden muss, um den reibungslosen Betrieb zu ermöglichen. Auch dadurch entstehen Kosten.

Aus den genannten Gründen hat der Bund ein großes Interesse an der Förderung energieeffizienter Wohngebäude. Je nach Energieeffizienzmaßnahme kommen deshalb Fördermittel der BAfA oder KfW zum Einsatz. Das Passivhaus wird zum Beispiel sowohl als Neubau als auch bei der Sanierung von Bestandsimmobilien über die KfW gefördert. Beide Programme umfassen einen Förderkredit und einen Tilgungszuschuss.


Ob ein Passiv- oder Niedrigenergiehaus besser zu den eigenen Vorstellungen und Gewohnheiten passt, ist von vielen Faktoren abhängig und sollte individuell geprüft werden. Die Klimabilanz fällt beim Passivhaus insgesamt besser aus, auch wenn die Kosten anfangs meist höher liegen. Wann sich die anfänglichen Investitionen auch im eigenen Geldbeutel auszahlen, ist schwer vorherzusagen. Das Klima profitiert aber umgehend mit der Inbetriebnahme sowohl des Passivhauses als auch des Niedrigenergiehauses.

Text: Christian Schaar, S2 GmbH
Bilder: pixabay