Wie kann nachhaltiger Tourismus gelingen?

Frau von Hinten auf einem Ruderboot in idyllischer Landschaft sitzend
Foto: Freepik / Bristekjegor

Der Sommer beginnt und mit ihm die Reiselust. Doch viele Menschen fragen sich, wie sie klima- und umweltfreundlicher reisen und mehr zum Wohl der Urlaubsregionen beitragen können. Antworten gibt das Konzept des nachhaltigen Tourismus.

In diesem Artikel:

  1. Warum wir nachhaltigen Tourismus brauchen
  2. Nachhaltiger Tourismus: Was bedeutet das konkret in der Praxis?
  3. Nachhaltiger Tourismus – was kann ich selber tun?
  4. Fazit: Nachhaltiger Tourismus fängt bei jedem Einzelnen an

Christian Mascheck
Fachautor CRADLE

Warum wir nachhaltigen Tourismus brauchen

Nächtliches Venedig
Zu viel Tourismus schadet Land und Kultur: Das häufig überlaufene Venedig hat es eingesehen.
Foto: Freepik/Vwalakte

Nach den Corona-Jahren ist die Reisebranche wieder kräftig im Aufwind. Doch mit dem Tourismus sind auch seine Schattenseiten zurück. Auf den Kanarischen Inseln demonstrierten Zehntausende gegen Folgen des Massentourismus wie steigende Mieten für Einheimische, Müll und Umweltverschmutzung. In Venedig müssen Tagesgäste nun Eintritt bezahlen, anders kann sich die Stadt des „Overtourism“ nicht mehr erwehren. Aber auch unter Reisenden selber wächst das Bewusstsein für die ökologischen und sozialen Probleme, die durch einen ungezügelten Tourismus entstehen. Immer öfter werden Angebote für nachhaltigen Tourismus nachgefragt.

Das Konzept des nachhaltigen Tourismus ist als Reaktion auf den Massentourismus entstanden. Er wird manchmal auch als Ökotourismus, sanfter Tourismus oder umwelt- und sozialverträglicher Tourismus bezeichnet. Von der Welttourismusorganisation UNWTO stammt eine Definition, die alle Aspekte der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich, ökologisch und sozial – umfasst. Sie berücksichtigt dabei die Interessen aller am Tourismus Beteiligten:

  • das Bedürfnis der Reisenden nach einem schönen Urlaubserlebnis
  • die wirtschaftliche Bedeutung der Tourismusindustrie
  • der Schutz von Klima und Umwelt
  • die Teilhabe der Menschen vor Ort

Was ist nachhaltiger Tourismus?

Die Welttourismusorganisation UNWTO, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, definiert den nachhaltigen Tourismus als „Tourismus, der die gegenwärtigen und künftigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen voll berücksichtigt, um den Bedürfnissen der Besucher, der Industrie, der Umwelt und der gastgebenden Gemeinschaften gerecht zu werden.“

Nachhaltiger Tourismus: Was bedeutet das konkret in der Praxis?

Ein Koch kreiert Gaumenfreuden
Faire Löhne für die Mitarbeiter in der Hotelgastronomie gehören ebenfalls zur Nachhaltigkeit im Tourismus dazu.
Foto: Pexels / Vadimmarkin

Gemäß dieser Definition kann nachhaltiger Tourismus nur gelingen, wenn alle drei Aspekte – wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit – berücksichtigt werden. Dazu ist ein Bündel an Maßnahmen notwendig. Hier eine Auswahl:

  1. Wirtschaftlich nachhaltiger Tourismus

  • Anbieter vor Ort profitieren von Einnahmen aus dem Tourismus, zum Beispiel familiär geführte Unterkünfte statt internationaler Hotelketten.
  • Verwendung regionaler Produkte, etwa in der Gastronomie, damit auch andere lokale Wirtschaftszweige teilhaben.
  • Ganzjährige Tourismusangebote statt rein saisonale, schaffen ein stetiges Einkommen.
  • Anreize für lokale Anbieter von nachhaltigen Tourismus, zum Beispiel geführte Wanderungen.
  1. Sozial nachhaltiger Tourismus

  • Faire Entlohnung der Mitarbeiter von Hotels, Restaurants oder anderer Anbieter touristischer Dienstleistungen
  • Keine Zweckentfremdung von Wohnraum für die Unterbringung von Touristen
  • Begrenzung von Besucherzahlen, um beispielsweise Konkurrenz um Wasserressourcen zu verhindern.
  • Sozialverträgliches Verhalten von Touristen am Urlaubsort – am besten freiwillig, notfalls auch mit Regulierungen (z. B. kein Alkohol an einigen Stränden von Mallorca oder Ibiza)
  1. Ökologisch nachhaltiger Tourismus

  • Geringer CO2-Ausstoß beim Transport zum und am Urlaubsort
  • Müll in der Umwelt vermeiden und grundsätzlich reduzieren, z. B. weniger Plastik.
  • Boden, Flora und Fauna vor Überlastung, Übernutzung und Zerstörung durch zu viele Touristen schützen.
  • Ökostandards bei Anlage neuer Tourismuseinrichtungen einhalten.

Nachhaltiger Tourismus – was kann ich selber tun?

Nachhaltiger Tourismus sollte nicht nur allen Beteiligten zugutekommen, es müssen auch alle mitmachen, damit er gelingt. Anhand der beschriebenen Bausteine wird klar, dass Maßnahmen und Veränderungen auf verschiedenen Ebenen stattfinden müssen. Dazu gehören politische Entscheidungen, etwa welche Tourismusart oder -region gefördert werden soll, Regelungen durch Behörden vor Ort und Investitionen von Unternehmen in den sanften Tourismus.

Nicht zuletzt kann jeder selbst zum nachhaltigen Tourismus beitragen. Von der Auswahl des Reiseziels und der Reisezeit, über Anreise und Aktivitäten vor Ort gibt es viele Möglichkeiten, den Urlaub nachhaltiger gestalten – und Spaß dabei zu haben.

Ist individuelles Reisen nachhaltiger?

Massentourismus wird oft gleichgesetzt mit Pauschalreisenden, die in Scharen auf Urlaubsinseln einfallen, in riesigen Bettenburgen übernachten und dicht an dicht an den Stränden liegen. Doch individuelles Reisen ist nicht per se nachhaltiger. Immer mehr Individualurlauber zieht es in angesagte Metropolen wie Venedig, Barcelona oder Amsterdam, die bereits stark unter dieser Form des Massentourismus leiden und ihn einschränken wollen. Im Jahr 2023 lagen bei Urlaubsreisen Strandurlaub und Städtereisen anteilsmäßig mit einem Marktanteil von je einem Drittel gleichauf.

Wohin reisen?

Frau im dicken Winteranorak auf dem Weg zu regionalen Sehenswürdigkeiten
Das Schöne liegt so nah – man muss es nur entdecken.
Foto: Freepik / Danieljschwarz

Ostseeküste, Städtetour oder Fernreise? Mit der Wahl des Reiseziels können schon eine ganze Reihe von Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden.

Hinsichtlich Klimabilanz gilt die Regel: Je kürzer die Reisezeit, desto näher sollte das Urlaubsziel liegen. Für eine Woche Urlaub wäre also eher der Bayerische Wald statt der Balearen zu empfehlen. Umgekehrt wird die Ökobilanz der Fernreise nach Asien umso besser, je mehr Zeit man sich dafür nimmt.

In vielen Urlaubsländern gibt es zudem auch weniger bekannte Reiseziele abseits der beliebten Hotspots, die ebenfalls schöne Natur und Sehenswürdigkeiten zu bieten haben.

Warum in die Ferne schweifen …

Auch in der näheren Umgebung kann man Spannendes oder Entspannendes erleben. Einfach mal losgehen, einem Bachlauf folgen, eine Nacht im Freien schlafen, Tiere im Gebüsch beobachten, den Sternenhimmel bestaunen: Mikroabenteuer wie diese können so spannend sein wie eine Fernreise – und kosten fast nichts. In diesem Beitrag stellen wir Ideen vor, wie Sie selbst Mikroabenteuer erleben können »

Auf der Website www.katzensprung-deutschland.de, einem Verbundprojekt des Verbands deutscher Naturparke sowie Instituten und Fachbereichen, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen, finden Sie Ziele für die kleine Auszeit ebenso wie für den Familienurlaub, für Naturerlebnisse, Kultur- oder Genussreisen ebenso wie sportliche Herausforderungen.

Wann reisen?

Für den Familienurlaub gibt es meist keine Alternative zur Ferienzeit, für den Städtetrip zu zweit vielleicht schon. Für Museen, Kathedralen oder Schlösser braucht man nicht unbedingt das optimale Urlaubswetter. Weiterer Vorteil: Außerhalb der Hochsaison muss man nicht vor der Kasse Schlange stehen, um Kunst und Kultur zu genießen. Im Restaurant gibt es freie Plätze, Hotels freuen sich über Gäste – und die Preise sind günstiger.

Wie anreisen?

Frau steht am Gat eim Flughafen und lässt den Flieger fliegen
Kurze Strecken fliegen? Das ist wenig nachhaltig und obendrein stressig.
Foto: Pexels / Palumalerba

Dass Flugreisen CO₂-Treiber sind, weiß eigentlich jeder. Und doch lag als Verkehrsmittel für Urlaubsreisen 2023 das Flugzeug mit fast 47 Prozent an der Spitze, gefolgt von Pkw, einschließlich Wohnwagen oder -mobil mit 41 Prozent. Bahnreisen machten ganze 4,7 Prozent aus. Hier ist also noch viel Luft nach oben für den nachhaltigen Tourismus.

Für Kurztrips bietet sich das Deutschlandticket als Alternative zum Auto an. Mit Bahncard, Interrail oder sonstigen Angeboten lassen sich auch weiter entfernte Ziele im In- und Ausland auf Schienen zum günstigen Preis erreichen. Und warum nicht auf der Bahnfahrt zum Mittelmeer einfach in Paris Station machen und so den Städtetrip gleich mit integrieren? Ein Gewinn für Geldbörse, Urlaubsqualität und Umwelt gleichermaßen.

Sauber auf See? Die Zukunft der Kreuzfahrten

Schweröle, Treibhausgase, jede Menge Abfälle: Unter Nachhaltigkeitskriterien sind Kreuzfahrten derzeit wenig empfehlenswert. Weil sie aber ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind, fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ein Forschungsprogramm für klimafreundlichere Schiffstechnologien, zum Beispiel mit alternativen Kraftstoffen. Auch sollen sämtliche Häfen Landstromanlagen bekommen, damit die Schiffe während des Aufenthalts Maschinen abstellen, und damit Emissionen reduzieren können.

Wo übernachten?

Auch bei der Wahl einer Unterkunft gibt es verschiedene Optionen im Sinne des nachhaltigen oder sanften Tourismus. So gibt es Zertifizierungen und Label für Hotels oder Campingplätze, die Nachhaltigkeitskriterien wie sparsamen Umgang mit Energie oder anderen Ressourcen erfüllen. Eine Übersicht und Erklärungen finden sich unter www.tourismus-labelguide.org.

Wer vor allem die lokale Wirtschaft unterstützen will, wählt lieber kleinere, familiengeführte Unterkünfte statt großer Hotelketten. Dabei lohnt es, sich auch mal abseits der Touristen- und Trendviertel umzuschauen. In weniger angesagten und daher weniger frequentierten Stadtteilen ist die Atmosphäre oft entspannter und Reisende bekommen hier eher einen Einblick ins Alltagsleben.

Wanderer auf grünen Klippen, die zum Meer führen
Wanderer sind die sanftesten Touristen. Und wenn sie auf ausgewiesenen Campingplätzen übernachten, erst recht.
Foto: Istock

So finden Sie nachhaltige Hotels

Leider ist es alles andere als einfach, bei den gängigen Reiseportalen fündig zu werden. Und wie erkenne ich überhaupt, ob ein Hotel wirklich nachhaltig ist oder nur Greenwashing betreibt? In unserem Beitrag geben wir Tipps, wie Sie nachhaltige Hotel finden »

Nachhaltige Aktivitäten am Urlaubsort

Sie möchten die Gegend erkunden? Es muss nicht immer der Mietwagen sein, per Fuß oder Fahrrad tun sie gleichzeitig etwas für die Fitness. Die lokale Bahn oder der Bus sind langsam, aber auch ein Erlebnis.

Wanderurlaub gilt als nachhaltiger Tourismus schlechthin, vorausgesetzt, man geht respektvoll mit der Natur um. Das heißt, keine neuen Trampelpfade anlegen, keine geschützten Pflanzen ausreißen oder pflücken, Wildtiere nicht stören und natürlich keine Abfälle hinterlassen.

Wer sich in der Ferienwohnung selber versorgt, kauft fürs Abendessen am besten auf dem lokalen Markt ein. Im Restaurant ist regionale Küche, die ohne eingeflogene Zutaten auskommt, die nachhaltigere Wahl.

Souvenirs oder Mitbringsel – ein heikles Thema

Wer möchte nicht gerne ein Andenken oder ein kleines Geschenk für Freunde oder Familie vom Urlaubsort mitbringen? Doch die hübsche Muschel lassen Sie lieber am Strand liegen oder fotografieren sie zur Erinnerung, es könnte sich um eine geschützte Art handeln. Ähnliches gilt zum Beispiel für Tierfelle oder Holzschnitzereien. Vom WWF gibt es einen Souvenir-Ratgeber, der aufklärt, bei welchen Produkten Vorsicht geboten ist. Alternativen im Sinne von nachhaltigem Tourismus sind zum Beispiel vor Ort hergestellte Handwerksarbeiten aus ökologischen Materialien oder Gewürze aus dem lokalen Handel.

Nachhaltiger Tourismus fängt bei jedem Einzelnen an

  • Nachhaltiger Tourismus versteht sich als Alternative zum Massentourismus.
  • Das Konzept umfasst wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte. Bausteine für nachhaltigen Tourismus sind unter anderem klimafreundlicher Transport, Schutz von Natur und Umwelt, Förderung lokaler Tourismuswirtschaft.
  • Reisende können über die Wahl von Reisezielen, Reisezeit, Unterkünften und Verkehrsmitteln sowie Verhalten am Urlaubsort zum nachhaltigen Tourismus beitragen. Nachhaltigkeit ist nicht zuletzt auch ein Gewinn an Urlaubsqualität.

Achten Sie bei Ihrem Urlaub darauf, dass er nachhaltig ist?

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