Lehm als natürlicher Dämmstoff: Tradition trifft klimafreundliches Bauen

Frau steht vor einer Lehmwand und knetet ein Stück Lehm
Foto: Pexels/Gabby K

Einer der ältesten Baustoffe der Menschheit erlebt ein Comeback: Die gestiegene Nachfrage nach umwelt- und gesundheitsverträglichen Baustoffen rückt Lehm wieder stärker in den Fokus moderner Bau- und Sanierungsprojekte. Auch wenn Lehm kein klassischer Dämmstoff ist, kann er kombiniert mit anderen nachhaltigen Materialien den Energieverbrauch von Gebäuden senken und ein ausgewogenes, gesundes Raumklima schaffen.

  1. Ein alter Baustoff neu entdeckt
  2. Innendämmung mit Lehm – energieeffizient und vielseitig
  3. Lehm: Die Stärken des Naturmaterials

Christian Schaar
Fachautor CRADLE und Geschäftsführer der S2 GmbH

Ein alter Baustoff neu entdeckt

Lehmhäuser in Marokko
Lehmhäuser in Marokko
Foto: Pixabay

Lehm zählt zu den ältesten bekannten Baustoffen. Archäologische Funde belegen seinen Einsatz bereits in der Jungsteinzeit, also vor über 10.000 Jahren. In Mesopotamien, dem heutigen Irak und Syrien, wurden bereits um 9.000 vor Christus Lehmziegel verwendet. In Mitteleuropa fand Lehm spätestens seit der Bronzezeit Anwendung, vor allem als Ausfachung in Fachwerkbauten.

Anders als industriell gefertigte Baustoffe ist Lehm ein natürlich vorkommendes Gemisch aus Sand, Schluff und Ton. Der Sandanteil macht ihn stabil, der Schluff bindet und der Ton wirkt wie ein feinkörniger Kleber. Je nach Fundort variiert die Zusammensetzung.

Für den Einsatz im Bauwesen wird Lehm aus Gruben gewonnen und aufbereitet. Zunächst werden Fremdstoffe, zum Beispiel Steine oder Wurzeln, ausgesiebt oder zermahlen. Anschließend werden Sand, Stroh, Häcksel oder zusätzlicher Ton hinzugefügt, die den Lehm tragfähiger oder rissbeständiger machen. Vermischt mit Wasser entsteht eine plastische Masse, die nach einer Reifephase noch besser bindet. Im Bau wird Lehm schließlich in unterschiedlichen Formen genutzt, beispielsweise als Stampflehm für massive Wände, als Lehmputz oder in Ziegelform.

Innendämmung mit Lehm – energieeffizient und vielseitig

Lehm ist weder wasserfest noch frostbeständig. Das macht ihn für die Außendämmung weniger gut geeignet. Und dennoch ist Lehm gerade in der Innendämmung eine nachhaltige Lösung. Das betrifft insbesondere die Restaurierung historischer Gebäude oder wenn die Außendämmung der Fassade nicht gewünscht ist, etwa aufgrund von Denkmalschutzauflagen, gestalterischen Vorgaben oder im Fall von Grenzbebauung. Eine Dämmung im Innenbereich kann dann den Wärmeschutz effektiv erhöhen und zugleich das Raumklima verbessern.

Zu den gängigen Verfahren der Innendämmung mit Lehm zählen Leichtlehmmischungen, Lehmputz in Kombination mit Dämmplatten sowie Leichtlehmsteine. Sie können jeweils an die unterschiedlichen baulichen Gegebenheiten und Anforderungen angepasst werden.

Leichtlehmmischungen

Leichtlehmmischung als Häufchen
Foto: KI-generiert

Leichtlehmmischungen gehören zu den ältesten Dämmverfahren. Lehm fungiert hier als Bindemittel für mineralische oder pflanzliche Leichtzuschläge, wie Stroh oder Hanf. Solche Mischungen können entweder direkt auf die Wand aufgebracht oder an einem vorgesetzten Holz-Ständerwerk befestigt werden.

Voraussetzung für eine fachgerechte Ausführung ist eine trockene, wasserdichte Außenwand sowie ein durchgehend intakter, nicht durchfeuchteter Mauersockel. Vor Beginn der Arbeiten sind alte Putzschichten an Wand und Decke auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen. Altanstriche sollten vollständig entfernt werden, da sie die kapillare Leitfähigkeit des Lehms unterbrechen.

Lehmputz in Kombination mit Dämmplatten

Zu sehen ist eine Hand mit Pinsel, die eine Wand mit Lehmfarbe streicht
Lehm- und Kalkputz sind diffusionsoffen und gehören zu den mineralischen Putzen.
Foto: Auro

Eine weitere Möglichkeit ist Lehmputz in Kombination mit Dämmplatten. Dabei werden Dämmplatten, beispielsweise aus Holzfasern oder Schilfrohr, mit einem Lehmputz verklebt. Die erste Schicht ist der Lehmputz auf der Bestandswand. Die Dämmplatte wird anschließend in den Lehmputz hineingedrückt und zusätzlich verdübelt. Die Platte wird mit einer weiteren Lehmschicht verputzt, wobei optional eine Wandheizung mit eingebracht werden kann.

Dieses System zeichnet sich durch seine schlanke Bauweise aus und sorgt gleichzeitig für einen hohen Wärme- und Feuchteschutz. Die Konstruktion kann Feuchtigkeit bis zu 20 Prozent ihres Eigengewichts zwischenspeichern, ohne dass die Dämmwirkung signifikant beeinträchtigt wird. So ist die Innendämmung in vielen Fällen ohne eine zusätzliche Dampfbremse realisierbar.

Beim Trockenbau mit Lehmbauplatten kann man meist auf lange Trocknungszeiten verzichten. Welche Vor- und Nachteile das hat und wie die Lehmbauplatten verarbeitet werden, lesen Sie in unserem Beitrag über Lehmbauplatten »

Leichtlehmsteine

Leichtlehmstein
Leichtlehmsteine sind ökologisch nachhaltige Mauersteine, die aus einer Mischung von Lehm und leichten Zuschlägen wie Holzspänen, Hanfschäben oder Stroh bestehen. Sie sind besonders im ökologischen Hausbau beliebt, da sie gute Wärmedämmung bieten und diffusionsoffen sind.
Foto: KI-generiert

Leichtlehmsteine sind speziell hergestellte Lehmsteine, die mit leichten Zuschlägen wie Holz- oder Hobelspänen, Hanfschäben, Stroh oder Blähton versetzt sind. Lehm dient in diesem Verfahren als Bindemittel, während die Zuschläge die Dämmwirkung verbessern. Durch sie entstehen Lufteinschlüsse, die die Wärmeleitfähigkeit des Materials und gleichzeitig das Gewicht der Steine verringern. Hierfür werden Lehm, Wasser und Zuschläge gemischt, die Masse in Formen gefüllt und luftgetrocknet. Im Unterschied zu gebrannten Ziegeln wird Lehm nicht thermisch behandelt oder chemisch verändert.

Die typische Wärmeleitfähigkeit der Leichtlehmsteine liegt zwischen 0,2 und 0,5 W/mK, abhängig von ihrer Zusammensetzung und ist damit höher als bei Stampflehm oder Lehmsteinen. Im Innenbereich eignen sich Leichtlehmsteine besonders gut für nichttragende Wände, Ausfachungen von Holzrahmen oder Trennwände mit erhöhten Wärme- und Schallschutzanforderungen. Für tragende Außenwände ist eine Kombination mit zusätzlichen Dämmstoffen, wie Holzfaserplatten, erforderlich, um die Dämmwerte des Gebäudeenergiegesetzes zu erreichen.

Lehm: Die Stärken des Naturmaterials

Auch wenn Lehm kein klassischer Dämmstoff ist, überzeugt er durch zahlreiche bauphysikalische und ökologische Vorteile. Seine hohe Rohdichte ermöglicht eine exzellente Wärmespeicherung, die in modernen und nachhaltigen Baukonzepten zunehmend an Bedeutung gewinnt:

  • Geringe Wärmeleitfähigkeit und hohes Wärmespeichervermögen sorgen dafür, dass Lehm sich bei direkter Sonneneinstrahlung nur langsam erwärmt. Auf diese Weise werden Temperaturschwankungen ausgeglichen und Innenräume bleiben auch an heißen Tagen angenehme temperiert. Tagsüber aufgenommene Wärme wird in den kühleren Abend- und Nachtstunden wieder abgegeben, was den Energiebedarf für zusätzliches Heizen oder Kühlen minimiert.
  • Aufgrund seiner hohen Masse sorgt Lehm für eine hervorragende Schalldämmung. Er schluckt Schall regelrecht und vermindert die Geräuschübertragung auf angrenzende Wand- und Deckenkonstruktionen.
  • Lehm reguliert das Raumklima, das heißt er nimmt überschüssige Raumfeuchte auf und gibt sie bei trockener Luft wieder ab. Zudem bindet Lehm Gerüche und Schadstoffe aus der Raumluft, was zu einem gesunden Wohnklima beiträgt.
  • Lehm ist von Natur aus unbrennbar und erfüllt die Anforderungen der Baustoffklasse A1 und damit die aktuellen Verordnungen im Brandschutz.  

Mit Kosten von rund 20 bis 40 Euro pro Quadratmeter für einen Dämmaufbau mit einem U-Wert von 0,24 W/m²K liegt Leichtlehm preislich auf Augenhöhe mit anderen Naturdämmstoffen. Wichtig ist, den möglicherweise höheren Arbeits- und Verarbeitungsaufwand in die Gesamtkalkulation mit einzubeziehen, der entweder spezialisierte Handwerker oder mehr Eigenleistung erfordert. Staatliche Förderprogramme können die Anfangsinvestition jedoch spürbar senken.

Lehm punktet insgesamt nicht nur mit einer soliden Dämmleistung, sondern überzeugt auch durch seine bauphysikalischen Eigenschaften und seine Umweltverträglichkeit: Die perfekte Wahl für Bauherren, denen Energieeffizienz, ökologische Verantwortung und gesundes Wohnen gleichermaßen wichtig sind.

Wie gefällt Ihnen dieser Beitrag?