Gebäuderessourcenpass: Wie realistisch ist die Umsetzung?

Foto: Unsplash/Danist Soh

Ein Gebäuderessourcenpass dokumentiert, welche Materialien beim Hausbau verwendet wurden und ob sie recyclingfähig sind. Damit soll erreicht werden, dass Baustoffe besser wiederverwertet werden können. Doch welchen Nutzen hat das für Bauherren und Eigentümer?

  1. Der Gebäuderessourcenpass: Wissen, was in einem Gebäude steckt
  2. Die Suche nach einem einheitlichen Standard
  3. Der Gebäuderessourcenpass der DGNB
  4. Für wen eigentlich? Die Zielgruppen für den Gebäuderessourcenpass
  5. Anwendbarkeit des Gebäuderessourcenpasses
  6. Einladung zum Nachdenken über Cradle-to-Cradle: die Möglichkeiten und Grenzen des Gebäuderessourcenpasses
  7. Fazit: Gebäuderessourcenpass – Ziele und Anwendung

Ein Beitrag unserer Redaktion.

Der Gebäuderessourcenpass: Wissen, was in einem Gebäude steckt

Abriss
Müll – oder Rohstoff? Wenn die Materialien eines Gebäudes genau erfasst sind, lassen sich abgerissene Gebäude gezielt wiederverwerten.
Foto: Ch. Mascheck

Wie viel Energie ein Haus in seiner Nutzungsphase verbraucht, erfahren wir aus dem Energieausweis. Aber wie hoch war eigentlich der Energieaufwand, um das Gebäude zu errichten, welche Mengen Treibhausgase wurden dabei ausgestoßen? Diese „graue Energie“ ist für die meisten Häuser gar nicht bekannt.

Mit einem Gebäuderessourcenpass sollen sämtliche in einem Gebäude verbauten Materialien mitsamt ihrer Klima- und Ökobilanz systematisch erfasst werden. Das Ziel: Es soll ein Überblick geschaffen werden, welche Ressourcen an Baumaterial zur Wiederverwendung in Sanierungs- und Bauvorhaben verfügbar wären.

Anschließend könnten die Materialien durch „Urban Mining“ (mehr dazu können Sie in diesem Artikel auf CRADLE nachlesen) – etwa über Baustoffbörsen – nutzbar gemacht werden. Ziel ist eine möglichst abfallfreie Kreislaufwirtschaft im Baubereich – das sogenannte zirkuläre Bauen.

Was ist zirkuläres Bauen?

Wenn heute über Nachhaltigkeit diskutiert wird, fallen immer häufiger die Begriffe "zirkuläres Bauen" oder "Kreislaufwirtschaft". Doch was genau ist damit gemeint? Wir erklären, welche Ziele die Kreislaufwirtschaft verfolgt und welche Chancen sie bietet »

Kommt ein verbindlicher Gebäuderessourcenpass?

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist unter dem Punkt „Klimaschutz im Gebäudebereich“ die Einführung eines digitalen Gebäuderessourcenpasses vereinbart. Bisher ist es von Regierungsseite allerdings bei dieser Ankündigung geblieben.

Die Suche nach einem einheitlichen Standard

Es gibt bereits verschiedene Ansätze, in Gebäuden verbaute Materialien mit ihren Klima- und Umweltwirkungen zu dokumentieren und sie damit für eine Kreislaufwirtschaft nutzbar zu machen. Dazu gehören beispielsweise die Datenbank Madaster, der „Urban Mining Index“ und der „Buliding Circularity Passport“ der EPEA GmbH. Einige Ansätze werden schon von großen Immobilienunternehmen genutzt.

Bisher fehlte jedoch ein einheitlicher Standard zur Dokumentation und Bewertung von Gebäudematerialien, den sich auch die Immobilienbranche wünscht.

Vorstellungsvideo von Madaster, der Plattform für digitale Ressourcenpässe

Eine solche Vereinheitlichung will die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit ihrem Modell des digitalen Gebäuderessourcenpasses erreichen. Im vergangenen Jahr stellte sie einen Entwurf vor, in den daraufhin Kommentare und Verbesserungsvorschläge von Experten eingearbeitet wurden. Seit Februar 2023 liegt der Gebäuderessourcenpass der DGNB im endgültigen Format vor und kann auf der Internetseite der Gesellschaft heruntergeladen werden.

Der Gebäuderessourcenpass der DGNB

Gebäuderessourcenpass
Der neue Gebäuderessourcenpass der DGNB vereint sämtliche verbaute Materialien und auch ihre Recyclingfähigkeit in einem übersichtlichen Dokument.
Foto: Ch. Mascheck

Im digitalen Gebäuderessourcenpass werden folgende Informationen erfasst:

  • Eingesetzte Materialien und Werkstoffe (z. B. Holz, Kunststoffe, Metalle)
  • Materialherkunft: Primärrohstoff, Wiederverwendung, erneuerbarer oder nicht erneuerbarer Rohstoff
  • Treibhausgas-Emissionen über den Lebenszyklus (Herstellung, Nutzung, Entsorgung)
  • Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Gebäudestruktur (z. B. Mehrfachnutzungs- oder Umnutzungsfähigkeit)
  • Demontagefähigkeit und Verwertungspotenzial (qualitative Einstufung, Trennbarkeit, stoffliche oder thermische Wiederverwertung, Deponierung)
  • Grundlagen der Dokumentation (z. B. Datenbanken, technische Informationen)

Auf der Website der DGNB werden ein Excel-basiertes Tool zur Ein- und Ausgabe der Daten sowie Zusatzblätter zur vertieften Analyse angeboten. Der Pass selbst liegt in einer vollständigen und einer reduzierten Fassung vor, für die weniger Daten benötigt werden. Letztere soll Nutzern den Einstieg in die Thematik erleichtern.

Für wen eigentlich? Die Zielgruppen für den Gebäuderessourcenpass

Grundsätzlich gilt: Zu wissen, was in einem Gebäude steckt, ist für die Kreislaufwirtschaft sehr bedeutend. Der übergeordnete Nutzen steht also außer Frage. Darüber hinaus richtet sich der Gebäuderessourcenpass laut DGNB an unterschiedliche Zielgruppen, die davon auf vielerlei Weise profitieren könnten:

  • Eigentümer von Neu- und Bestandsbauten bekommen Aufschluss über tatsächlich verbaute Materialien, mögliche gesundheitsgefährdende Schadstoffe sowie Potenziale und Werte von Werkstoffen im Gebäude. Auch wichtig: Eigentümer bekommen ein klares Bild über die mögliche Umweltbelastung des Gebäudes und sie leisten mit der Dokumentation im besten Fall einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz.
  • Planer sollen vor allem die vertiefenden Analysen anhand der optionalen Zusatzblätter für die Beratung von Bauherren nutzen können.
  • Bauherren können das Format nutzen, um ausgeführte Baumaßnahmen zu dokumentieren und erbrachte Leistungen darzustellen.
  • Kommunen können den Gebäuderessourcenpass beispielsweise für Aufbau und Management von Urban Mining nutzen. Perspektivisch sieht die DGNB den Pass auch als mögliche Grundlage zur Genehmigung ressourcenoptimierter, kreislaufgerechter Gebäude.

Anwendbarkeit des Gebäuderessourcenpasses

Lager für Fenster
Materiallager wie dieses sind nützlich, um mit recycelten Materialien neu zu bauen
Foto: Rotor Deconstruction

Da der Gebäuderessourcenpass der DGNB in der finalen Fassung noch neu ist, gibt es noch keine Beispielprojekte für seine Anwendung oder Berichte aus der Praxis.

Eine bei der Präsentation des Gebäuderessourcenpasses häufig auftauchende Frage ist auch. wer den Pass eigentlich erstellen kann, beziehungsweise ob es dafür spezielle Anforderungen gibt. Die DGNB geht davon aus, dass im Prinzip jede Architektin oder jeder Architekt ohne besondere Qualifizierung dazu in der Lage ist. Allerdings dürfte die Datenermittlung gerade für kleinere Projekte und Bestandsgebäude einen erheblichen Aufwand bedeuten, zum Beispiel wenn es um die Ermittlung von Massenanteilen verschiedener Werkstoffe, den monetären Materialwert oder Schadstoffanteile geht.

Bei der Angabe von Treibhausgasemissionen und anderen Parametern können unterschiedliche Verfahren benutzt werden, müssen aber als solche angegeben werden. Für die Bewertung der Kreislauffähigkeit von Baustoffen räumt die DGNB selbst ein, dass ein Merkmal wie „Demontagefähigkeit“ bisher noch schwer quantitativ erfassbar ist.

Einladung zum Nachdenken über Cradle-to-Cradle: die Möglichkeiten und Grenzen des Gebäuderessourcenpasses

Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung bei der DGNB, versteht den Gebäuderessourcenpass eher als „Einladung“ sich fachlich mit dem Thema Materialität zu befassen, sich um quantifizierte Aussagen zu bemühen und dem zirkulären Bauen mehr Gewicht zu geben.

Mit Madaster und einigen anderen Anbietern von digitalen Tools zur Gebäudedokumentation gibt es bereits Pläne zur gemeinsamen Umsetzung. Ob sich daraus tatsächlich ein einheitlicher deutschland- oder europaweiter Standard ergeben wird, ist aber noch offen.

Im Rahmen der DGNB-Zertifizierung für nachhaltige Gebäude kann der Gebäuderessourcenpass als ein Nachweis dienen. Für sich genommen ist er allerdings kein umfassender Nachhaltigkeitsnachweis, da er sich auf die Materialerfassung beschränkt und andere Aspekte, zum Beispiel Lieferketten oder soziale Themen nicht enthalten sind.

Crade-to-Cradle auf der Baustelle
Architekten und Planer sollen mit Konzepten wie dem Gebäuderessourcenpass vor allem über die Themen Materialität und Cradle-to-Cradle nachdenken.
Foto: Adobe Stock

Was steckt eigentlich hinter dem Cradle-to-Cradle-Prinzip?

Cradle to Cradle (oder kurz: C2C) ist ein neuer Ansatz für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Es ist eine der wichtigsten nachhaltigen Bewegungen der letzten Jahre. Dahinter steckt die Idee, in Kreisläufen zu denken: Wie in der Natur sollen keine Abfälle produziert werden, indem Produkte von Anfang an so gestaltet werden, dass alle Materialien und Inhaltsstoffe in den Kreislauf zurückgeführt werden können, aus dem sie entnommen wurden.

In unserem Artikel erfahren Sie mehr zum Cradle-to-Cradle-Prinzip »

Fazit: Gebäuderessourcenpass – Ziele und Anwendung

  • Der digitale Gebäuderessourcenpass der DGNB erfasst verbaute Materialien, deren Öko- und Klimabilanz sowie Recyclingfähigkeit. Übergeordnetes Ziel ist, eine weitgehend abfallfreie Kreislaufwirtschaft zu schaffen: zirkuläres Bauen bzw. cradle to cradle.
  • Anwendungsziel ist die Vereinheitlichung verschiedener Standards zur Gebäudedokumentation. Zielgruppen sind Eigentümer, Planer, Architekten und Bauherren. Allerdings liegen bislang noch keine Erfahrungswerte hinsichtlich der Umsetzung vor.
  • Das Erstellen des Passes erfordert laut DGNB keine spezielle Qualifizierung, ist aber vergleichsweise aufwendig. Zum Einstieg in die Thematik bietet die DGNB eine reduzierte Fassung an, die weniger quantitative Angaben erfordert.