C2C Congress: 5 nachhaltige Ideen, die sich auch wirtschaftlich lohnen
Nachhaltiger leben und die Umwelt schützen − das möchten wohl die meisten Menschen. Aber wer Realist ist, weiß: Nachhaltigkeit muss sich immer auch wirtschaftlich auszahlen − für Unternehmen und letztlich auch für den Endverbraucher.
Wie das geht, zeigte der C2C Congress 2023 in Berlin. Die CRADLE-Redaktion war vor Ort − und stellt hier die 5 spannendsten Erfolgsrezepte vor.
Der C2C Congress
Der diesjährige C2C Congress fand am 8. und 9. September 2023 an der TU Berlin statt. Wissenschaftler stellen neue Forschungsvorhaben rund um Cradle to Cradle und Circular Economy vor. In thematischen Diskussionsforen können sich die Teilnehmer über neue Ideen rund um Cradle to Cradle austauschen.
Der nächste C2C Congress findet am 13. und 14. März 2025 an der TU Berlin statt.
1. Erfolgsmodell: Remanufacturing statt Recycling
Ein häufiges Problem beim Recycling ist, dass die Qualität der neuen Produkte immer weiter sinkt. Beim Remanufacturing werden gebrauchte Produkte wieder zu neuen aufgearbeitet. Dazu werden sie nicht zerschreddert (wie häufig) beim Recycling, sondern wieder vollständig in ihre Einzelbauteile zerlegt. Der Arbeitsschritt lohnt sich, denn die so gewonnenen Materialien und Ressourcen müssen nicht wieder neu eingekauft werden. Das schont nicht nur die Umwelt, sondern auch die Kasse der Unternehmen.
Remanufacturing könnte somit zukünftig für nachhaltigere Produktionsprozesse sorgen, ohne dass die Qualität der neuen Produkte sinkt.
»Um Unternehmen von C2C zu überzeugen, muss man die ökonomischen Vorteile aufzeigen.«
Alexander Meyer zum Felde, Boston Consulting Group
Der Zulieferkonzern ZF setzt das in seinem Nutzfahrzeugwerk in Bielefeld bereits um. Der Remanufacturing-Standort ist auf die Wiederaufbereitung von Antriebstrangmodulen spezialisiert.
"Wir treiben das Thema voran, indem wir unsere C2C-Bauteile vom Kunden zurückverlangen, sie aufarbeiten und dabei etwas 95% des ursprünglichen Materials erhalten, berichtet Jörg Witthöft, Standortleiter von ZF Bielefeld. „Das wirkt sich nicht nur positiv auf unsere Umweltbilanz aus, sondern auch auf die Kosten, die sowohl beim Konzern als auch beim Kunden anfallen.“
Remanufacturing beim Bau
Andreas Engelhardt, CEO des Bauzulieferers Schüco, ebenfalls ansässig in Bielefeld, praktiziert Remanufacturing seit zehn Jahren in seinem Unternehmen. Gebäude sind die Rohstoffdepots der Zukunft, davon ist das Unternehmen überzeugt. Deshalb treiben sie den Übergang von einer linearen zu einer zirkulären Bauweise, also zu geschlossenen Wertstoffkreisläufen, aktiv voran – etwa durch Cradle-to-Cradle-zertifizierten Systeme.
Schüco verspricht, alle Produkte, die es neue auf den Markt bringt, nach der Nutzung zurückzunehmen und so die Materialien im Kreislauf zu halten. "Das läuft sehr gut und die Kunden finden das toll", erzählt Engelhardt.
Damit das funktioniert, braucht es funktionierende Sammel- und Rückführungssysteme. Schüco unterstützt deshalb die Brancheninitiativen AIUIF (Entsorgung und Aufbereitung von Bauelementen wie Fenstern, Türen und Fassaden aus Aluminium) und Rewindo (Fensterrecycling).
Beispiel: Kunststofffenster haben eine Lebensdauer von rund 40 Jahren und können bis zu sieben Mal neu aufbereitet werden. Mit Hilfe der Kreislaufwirtschaft kann der Werkstoff also etwa 240 Jahre verwendet werden.
Was ist eine Kreislaufwirtschaft?
Wenn heute über Nachhaltigkeit diskutiert wird, fällt immer häufiger der Begriff Kreislaufwirtschaft. Doch was genau ist damit gemeint? Wir erklären, welche Ziele die Kreislaufwirtschaft verfolgt und welche Chancen sie bietet »
2. Mobilität zum Mieten
Der Verkehrssektor verfehlt bislang die deutschen Klimaziele und ist für rund 20 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen und einen erheblichen Ressourcenverbrauch verantwortlich. Was also ist die Lösung? E-Autos? Wasserstoff? E-Fuels?
Anstatt über immer neue Antriebsformen zu sprechen, stellte der Autohersteller Lynk & Co beim C2C Congress seinen Ansatz vor. Die Devise: Mieten statt besitzen. Im Unterschied zu anderen Automarken kann man den Lynk (so heißt die gleichnamige Automarke) nicht nur kaufen, sondern auch monatlich abonnieren, leasen oder leihen, je nachdem, wie man es benötigt. Der Vorteil beim Mieten: Mehr Flexibilität und weniger Behördenkram, denn um Versicherung, Wartung usw. kümmert sich Lynk. Das Monatsabo kostet 600 Euro.
Außerdem bietet das Unternehmen eine eigene Carsharing-Plattform, auf der man seinen Lynk an Mieter in der Umgebung verleihen kann. Das spart nicht nur Geld, sondern reduziert auch die Menge an Autos und Parkplätzen, die benötigt werden. Mit diesem Ansatz möchte das Unternehmen "Mobilität für immer verändern".
»Es ist nicht nachhaltig, ein Produkt zu haben, das 96 Prozent der Zeit stillsteht.«
Alain Visser, SEO des Auto-Sharin-Anbieters Lynk & Co
Ist es sinnvoll, dass Millionen von Autos in Millionen von Garagen herumstehen, ohne bewegt zu werden?
Dass die Menschen offen für neue Formen der Bewegung sind, bestätigte auf dem C2C Congress auch Mobilitätsforscher Prof. Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe digitale Mobilität am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. "Die Leute wollen sich bewegen, sie wollen aber nicht alles mit dem Auto machen", sagte er.
3. Recycling von E-Auto-Batterien
E-Autos gelten als nachhaltiges Automodell zu Zukunft − eigentlich. Denn sie verursachen zwar im laufenden Betrieb kaum CO2-Emissionen, vor allem wenn sie mit erneuerbarem Strom, beispielsweise aus PV-Anlagen betrieben werden. Ein Problem ist aber das Recycling alter E-Auto-Batterien.
Der Umweltdienstleister Interzero hat sich auf "Zero-Waste-Lösungen" und Recycling spezialisiert. Eine besondere Spezialität des Unternehmens: Sie nehmen die Batterien von E-Autos wieder zurück und bereiten sie auf. Eine echte Marktlücke. Durch die Rücknahme und Aufbereitung der E-Auto-Batterien können wertvolle Rohstoffe im Kreislauf gehalten und weitergenutzt werden. Managing Director Alexander Maak räumte allerdings ein, dass es in Deutschland immer noch eine "Mein-Auto-Kultur" gebe, die solche Geschäftsmodelle erschwere.
Der Schweizer Elektrofahrzeug-Hersteller Kyburz verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Es verspricht sogar, ganze E-Autos nach der Nutzung wieder aufzubereiten.
Bilder oben: Aufbereitung eines gebrauchten E-Fahrzeugs von Kyburz zu einem neuen Secondlife-Fahrzeug.
Das Geheimnis des Batterierecyclings
Das Problem beim herkömmlichen Recycling sei, dass die Batterien geschreddert werden. Aus der daraus entstehenden Masse können aber nicht alle Rohstoffe zurückgewonnen werden. Kyburz macht das anders.
»Wir haben erst einmal alles weggelassen, was nicht gebraucht wird. Denn was es nicht gibt, muss nicht recycelt werden«
Martin Kyburz, Gründer von Kyburz Switzerland
Trick 1: Die Anzahl der verwendeten Materialien reduzieren, Überflüssiges weglassen.
Trick 2: Die zurückgegebenen Batterien werden wieder genauso auseinandernehmen, wie sie zusammengebaut waren.
Dadurch erhält Kyburz rund 91% der verwendeten Rohstoffe wieder und können sie wieder einsetzen. Das Verfahren hat sich der Unternehmensgründer bewusst nicht patentieren lassen. "Ich will ja, dass das kopiert wird. Das ist der Sinn der Sache", schloss Kyburz.
Bilder oben: Oliver Groux (l.) und Martin Kyburz (r.) vor der Anlage für das Recycling von Lithiumeisenphosphat-Batterien
Was steckt hinter dem Cradle to Cradle Prinzip?
Dahinter steckt die Idee, in Kreisläufen zu denken: Wie in der Natur sollen keine Abfälle produziert werden, sondern die Produkte werden von Anfang an so gestaltet, dass alle Materialien und Inhaltsstoffe wieder verwertet werden können.
In unserem Artikel erfahren Sie mehr über das Cradle-to-Cradle-Prinzip»
4. Digitale Tools für die Kreislaufwirtschaft
Die Rohstoffe auf der Erde sind endlich, irgendwann werden sie erschöpft sein. Momentan wird aber häufig so gebaut, als gäbe es kein Morgen.
Auf dieses Problem machte auf dem C2C Congress Prof. Messari-Becker, Leiterin des Departments Architektur der Universität Siegen, aufmerksam. "Wenn langfristig alle Länder wirtschaftlich wachsen wollen, dann werden wir einen massiv ansteigenden Rohstoffverbrauch haben. Die einzige Chance dagegen anzukommen, ist eine ressourcenbewusste Kreislaufwirtschaft."
Das bedeutet: Rohstoffe und Materialien sollten in einem ständigen Kreislauf wiederverwertet statt verschrottet zu werden. "Thermische Verwertung als offizielle Recyclingmethode − das ist doch nicht ok!", brachte es Dr. Peter Mösle, Partner beim Bauunternehmen Drees & Sommer, auf den Punkt.
Digitale Tools sind deshalb wichtige Hebel für mehr Kreislaufwirtschaft in der Baubranche. Das prominenteste Beispiel: Ein digitaler Gebäuderessourcenpass soll künftig in der Baubranche die nötigen Grundlagen legen, damit Rohstoffe wiederverwertet werden können. Denn nur wenn man weiß, welche Materialien in einem Produkt verbaut sind, kann man sie auch wiederverwerten. Im Koalitionsvertrag ist seine Einführung bereits vorgesehen.
Gebäuderessourcenpass: Wie realistisch ist die Umsetzung?
Ein Gebäuderessourcenpass dokumentiert, welche Materialien beim Hausbau verwendet wurden und ob sie recyclingfähig sind. Doch wie lässt sich die Dokumentation umsetzen und welchen Nutzen hat sie für Bauherren und Eigentümer?
In unserem Artikel erfahren Sie mehr über den Gebäuderessourcenpass »
Digitale Produktpässe nutzen de Umwelt und dem Kunden
Eine weitere Möglichkeit sind digitale Produktpässe. Das käme auch der Gesundheit der Kunden zugute. "Ein Problem ist, dass wir meistens gar nicht wissen, womit wir es zu tun haben, wenn wir ein Produkt in der Hand halten", berichtete auf dem Kongress Dr. Marike Kolossa-Gehring, Leitering des Fachgebietes Toxikologie beim Umweltbundesamt. "In einem Waschmittels sind 50−100 unterschiedliche Stoffe drin. Deshalb ist es wichtig, dass wir erst einmal verstehen, woraus Produkt bestehen."
Materialplattformen für die Bauwirtschaft
Auch Materialplattformen wie Madaster, eine Online-Plattform, auf der Gebäude und verbaute Baustoffe digital registriert und gespeichert werden können, leistet hier wertvolle Grundlagenarbeit.
"Wenn wir am Anfang gut dokumentieren, was wir verbauen, können wir Produkte am Ende auch wieder verwenden", erklärte Dr. Patrick Bergmann, Managing Director von Madaster.
Vorstellungsvideo von Madaster, der Plattform für digitale Ressourcenpässe
Urban Mining
Mit dem Konzept des Urban Mining sollen durch Abriss und Rückbau von Gebäuden anfallende Materialien in einem Kreislaufsystem konsequent als Rohstoffquelle für neue Bau- oder Sanierungsprojekte genutzt werden.
In unserem Artikel erfahren Sie mehr über Urban Mining »
5. Bio statt Plastik
Dass Plastik ein Problem für unsere Umwelt ist, ist unbestritten. Hilft es also, weniger Kunststoff zu verbrauchen? Tatsächlich wird das Problem damit eher nur auf "später" verschoben. Bessere wäre es, Kunststoff komplett zu ersetzen.
Lösungen gegen Plastikmüll: Bakterien als Plastikfresser
Forscher wollen Bakterien und Pilze einsetzen, um Plastikmüll aus der Welt zu schaffen: Sie fressen den Plastik einfach auf. Ist das die nächste Müllrevolution?
Erfahren Sie mehr dazu in unserem Artikel Bakterien als Plastikfresser »
Anne Lamp, Geschäftsführerin von traceless materials, entwickelte ein Material aus Resten der Nahrungsmittelproduktion, das konventionelle Kunststoffe wie PP und PE ersetzen kann. Es komplett biologisch abbaubar, da die Mikroorganismen im Boden die natürlichen Proteine erkennen und zersetzen können. Sie wollte mit ihrem Vortrag beim C2C Congress vor allem Mut machen, Dinge umzusetzen. Zunächst habe sie gezweifelt und aus vielen Richtungen gehört, dass ihre Gründungsidee zu riskant sei. "Aber dann habe ich mir gesagt: Das Dümmste, was ich tun kann, ist, es nicht zu versuchen", so Lamp.
Tipp: Kennen Sie schon unseren Terminkalender?
Veranstaltungen, Kongresse und Events zur Nachhaltigkeit auf einem Blick: Unser Terminkalender rund um Nachhaltigkeit zeigt die wichtigsten Events des Jahres 2023 »
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