Cradle to Cradle Congress 2025: Stimmen, Impulse und Perspektiven

Alle Speaker des Cradle to Cradle Congress 2025
Foto: Jan Kulke

Wie gelingt der Wandel hin zu einer Wirtschaft, die Ressourcen erhält statt verbraucht? Der 9. Cradle to Cradle Congress am 13. und 14. März 2025 an der TU Berlin hat gezeigt, dass nachhaltige Transformation mehr braucht als einzelne Lösungen. Rund 80 Speaker und 1.000 Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten gemeinsam konkrete Ansätze für eine zirkuläre Zukunft.

Wir von CRADLE waren mit vor Ort und geben einen Rückblick auf zwei Tage interdisziplinären Austauschs – und welche Rolle Cradle to Cradle künftig für Bauwirtschaft, Industrie und Politik spielen kann.

Save the Date: Der nächste Cradle to Cradle Congress wird am 17. & 18. September 2026 an der TU Berlin stattfinden.

Vielfältige Stimmen, gemeinsame Ziele

Was in Form und Inhalt aktueller gesellschaftlicher Debatten oft unmöglich erscheint, war auf dem Congress spürbar: Menschen aus allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen vereint unter einem Dach, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.

Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen auf dem Podium
Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen, Co-Gründer und geschäftsführende Vorstände von Cradle to Cradle NGO betonten die Interdisziplinarität des Congresses, die zum einen genau das widerspiegele, was auch Cradle to Cradle (C2C) selbst ausmache und damit, zum anderen, ein erheblicher Erfolgsfaktor für die Veranstaltung sei.
Foto: Jan Kulke

Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen, geschäftsführende Vorstände der Cradle to Cradle NGO

„Wir stehen nicht vor der Wahl zwischen ‚weiter so‘ und ‚Verzicht‘. Gerade in Zeiten multipler Krisen ist es wichtiger denn je, Lösungen zusammenzudenken. Echter Wandel braucht mehr als Schadensbegrenzung. Er erfordert eine konsequente Transformation hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft. Ein Ansatz, den nur Cradle to Cradle in seiner Ganzheitlichkeit bieten kann.“

Publikum Cradle to Cradle Congress 2025
Foto: Jan Kulke

Prof. Dr. Fatma Deniz, Vizepräsidentin für Digitalisierung und Nachhaltigkeit an der Technischen Universität Berlin

Cradle to Cradle ist mehr als ein Konzept, es ist ein grundlegendes Umdenken in der Art, wie wir produzieren und konsumieren. Es zeigt uns Wege auf, die uns mehr Lebensqualität versprechen auch hier, in unserem Alltag. Die vielen Best Practices auf diesem Congress machen das, wie ich finde, sehr deutlich.“

Die Natur kennt keinen Müll – Cradle to Cradle als Chance

In seiner Keynote „Die Natur kennt keinen Müll“ hob C2C-Vordenker Prof. Dr. Michael Braungart die Einzigartigkeit des Cradle to Cradle-Prinzips hervor: Es gehe nicht nur um Kreislaufwirtschaft, sondern um eine Wirtschaft, die auch anderen Lebewesen diene. Design müsse so gestaltet werden, dass menschliches Handeln einen positiven Fußabdruck hinterlasse und unser Dasein zur Bereicherung werde.

Prof. Dr. Michael Braungart

„Cradle to Cradle ist das einzige Konzept, das den Menschen willkommen heißt, statt nur zu fragen, ob er 10 Prozent weniger schlecht sein kann.“

Prof. Dr. Michael Braungart bei seinem Vortrag an der TU Berlin
Prof. Dr. Michael Braungart bei seinem Vortrag an der TU Berlin
Foto: Jan Kulke

Jan Philipp Albrecht, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

„Die Biodiversitätskrise, die Klimakrise und die Rohstofffrage sind Seiten derselben Geschichte. Wie weit es uns gelingt, diese Kreisläufe herzustellen, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir Artenvielfalt und Biodiversität zurückerlangen. Da spielt Cradle to Cradle eine ganz wichtige Rolle.“

Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie

Für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland bringt die Kreislaufwirtschaft große Vorteile, denn sie sichert wirtschaftliche und ökologische Unabhängigkeit und Resilienz. Dr. Christiane Rohleder, Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, lobte deshalb die im vergangenen Dezember noch verabschiedete Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS). „Auch für die nächste Regierung führt kein Weg daran vorbei. Denn diese Themen von der politischen Agenda verschwinden zu lassen, wäre höchst fahrlässig, weil es um unsere Sicherheit geht“, warnte Rohleder.

Dr. Christiane Rohleder, Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

„Mehr denn je ist eine echte Kreislaufwirtschaft jetzt das Gebot der Stunde. (...) Gesunde Natur, stabiles Klima und verlässliche Wasserversorgung sind für den Menschen lebensnotwendig, und für all diese Dinge liefert das Prinzip Cradle to Cradle echte Antworten. Unser Ziel ist es, eine Wirtschaft zu schaffen, in der es nach Möglichkeit keinen Abfall mehr gibt.“

Sarah Ryglewski, Staatsministerin im aktuellen Bundeskanzleramt

“Entscheidend ist, dass wir bereits bei der Entwicklung von Produkten und Geschäftsmodellen darüber nachdenken, was am Ende ihres Lebenszyklus steht und wie sie wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Wenn man es vernünftig zu Ende denkt, dann muss man natürlich auch beim Thema Transformation unserer Industrie, unserer Art zu wirtschaften und zu leben, ganzheitlicher denken, also Cradle to Cradle. Dafür müssen wir politische Rahmenbedingungen schaffen, die diesen Prozess so einfach wie möglich machen.”

Cradle to Cradle als wirtschaftliche Chance

Auch aus Unternehmensperspektive wurde klar: Cradle to Cradle ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine wirtschaftliche Chance. Rund 50 Unternehmen teilten ihre Erfahrungen und Best Practices mit dem Publikum – von C2C-Pionieren, die Cradle to Cradle seit mehr als 10 Jahren erfolgreich umsetzen, über junge Unternehmen, die den Ansatz bereits bei der Gründung mitdenken, bis hin zu etablierten Konzernen, die mit ersten Cradle to Cradle- und Circular Economy-Ansätzen ihren Weg heraus aus der Linearität finden möchten.

Von der kommenden Bundesregierung erwarten diese Unternehmen, dass in den vergangenen Jahren entwickelte Leitplanken, wie die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, weitergeführt und weiterentwickelt werden. Noch, so der Tenor, stimmten die politischen Rahmenbedingungen nicht mit dem politischen Ziel einer Kreislaufwirtschaft überein.

Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall und Beirätin von C2C NGO

„Ich bin schon lange bekennender Cradle-to-Cradle-Fan. Wir sagen als IG Metall: Cradle to Cradle ist eine große Chance für den fairen Wandel und den ökologischen Umbau, den wir in diesem Land und in Europa brauchen. Der Weg ist noch lang und steinig, aber wir stehen nicht mehr am Anfang. Ein modernes Auto besteht aus 10.000 einzelnen Teilen – Stahl, Aluminium, Gusseisen, Elektronikkomponenten und vielen unterschiedlichen Kunststoffen. Wir sind der Meinung, dass vieles, was im Auto steckt, wiederverwendet werden kann und sachgerecht von der Wiege zur Wiege zu etwas Neuem werden kann.“

Auf dem Podium: Peter Mösle, Lamia Messari-Becker, Mathias Oliva, Andreas Engelhardt, Jan Schmidt 
Auf dem Podium: Peter Mösle, Lamia Messari-Becker, Mathias Oliva, Andreas Engelhardt, Jan Schmidt 
Foto: Jan Kulke

Der Weg zu einer kreislauffähigen Bauwirtschaft

Das Bauwesen ist zugleich eine der ressourcen- und müllintensivsten Branchen überhaupt und einer der Sektoren, der bereits auf die meisten C2C-Materialien und Produkte zurückgreifen kann. Wie trägt die Branche heute schon zum Wandel bei?

Der Bausektor ist in Teilen bereits mitten in der Transformation hin zu C2C angekommen, jedoch fehlen auch hier die politischen Rahmenbedingungen. In seiner Keynote betonte Dr. Peter Mösle, Gesellschafter und Senior Executive bei Drees & Sommer SE sowie EPEA GmbH die Bedeutung des digitalen Gebäuderessourcenpasses als „Instrument und einziger Schlüssel des zirkulären Bauens“. Vom Design bis hin zur Herstellung und der Verwendung von Produkten in Gebäuden sei es wichtig zu wissen, in welcher Qualität und Quantität Materialien verwendet werden, um zirkuläres Bauen ganzheitlich umzusetzen und zu monetarisieren. „Nur mit diesem Ressourcenpass und einem einheitlichen Standard auf europäischer Ebene können wir Cradle to Cradle im Bausektor flächendeckend umsetzen“, so Mösle.

Dagmar Fritz-Kramer, Geschäftsführerin von Baufritz

„Es ist nicht nur das Produktdesign, es ist nicht nur der Rohstoff, sondern es ist wirklich eine Veränderung im Mindset einer ganzen Firma. (...) Die Welt des Bauens ist wunderschön und vielfältig, aber sie ist bisher nicht ressourceneffizient genug.“

Dagmar Fritz-Kramer nannte Beispiele aus ihrem Unternehmen: Baufritz nutze in seinen Fertigbau-Holzhäusern einen C2C-zertifizierten Dämmstoff, der noch auf den Urgroßvater von Dagmar Fritz-Kramer zurückgehe. Im Ersten Weltkrieg habe er kein Material gefunden, um ein Bürogebäude zu dämmen, und verwendete stattdessen Holzspäne. Als das Gebäude später abgerissen wurde, waren die Späne als effektive Isolierung noch immer intakt. Um die Späne weiter zu nutzen, wurden Soda für Ungeziefer- und Molke für Brandschutz hinzugefügt. Heute sei dieser Dämmstoff der CO₂-freundlichste Dämmstoff in Deutschland und Europa, so Fritz-Kramer.

Außerdem achte ihr Unternehmen darauf, Materialien nicht zu vermischen oder zu verkleben, sodass sie später wieder sortenrein getrennt und verwendet werden können. Seit 40 Jahren biete Baufritz zudem eine Rücknahmegarantie für Materialien an, die beim Umbau anfallen, um diese wieder in den Produktionskreislauf zurückzuführen und neue Produkte zu schaffen.

Zirkuläre Innenräume: Der Weg zum C2C Office

Von luftreinigenden Teppichfliesen bis zu gemieteten Büromöbeln: Auf dem Cradle to Cradle Congress wurden auch Ansätze für Innenräume diskutiert.

Sven Urselmann, Gründer von Urselmann Interior, erklärte, dass beim Planen von zirkulären Innenräumen nach C2C der Ansatz von Anfang an mitgedacht und am besten auch die zweite und dritte Nutzung von Materialien direkt mit eingeplant werden sollte. Das Ziel sei es, Re-use als neues Normal zu etablieren.

Als Beispiele für eine gelungene Umsetzung dafür nannte er das Bürogebäude “The Cradle” in Düsseldorf sowie das POHA House in Aachen, in dem insgesamt 7.000 Kilo Re-use-Materialien von Concular verwendet wurden. Auf CRADLE haben wir darüber berichtet: Umbau statt Abriss: Vom Schwimmbad zum Community Space »

Vom Schwimmbad zum Community Space: Das Poha House im Preuswald Aachen wurde kreislaufgerecht umgebaut.
Foto: Magdalena Gruber

Dominik Campanella, Co-Founder von Concular, erklärte, dass die Herausforderungen bei den beiden Co-Working Spaces St. Oberholz + Freiraum in der Box, darin lagen, eine hochwertige Einrichtung mit wirtschaftlicher Rentabilität zu vereinbaren. Es sei absurd, dass neue Mieter beim Einzug in ein Büro häufig Trennwände entfernen. Vielmehr sei es sinnvoll, direkt beim Bau modulare Wände einzusetzen, die dann flexibel genutzt werden können und eine dynamische Gestaltung ermöglichen. Diese modularen Wände hätten die gleiche Lebensdauer und Qualität, und durch die Zweitnutzung könnten 20 Prozent der Kosten eingespart werden.

Ausblick auf den Circularity Champion Award

Gemeinsam mit dem F.A.Z. Institut wird Cradle to Cradle NGO in diesem Jahr zum zweiten Mal den Circularity Champion Award vergeben. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer des F.A.Z. Instituts, Gregor Vischer, sowie Anton Klischewski und Loredana Zafisambondaoky vom FC Internationale Berlin, einem der Gewinner des Vorjahres, blickte C2C NGO-Vorstand Tim Janßen auf die Entstehung des Preises zurück und warb für viele Bewerbungen für die diesjährige Ausgabe.

Ausblick

Der Congress zeigte, dass Cradle to Cradle bereits in vielen gesellschaftlichen Bereichen gelebte Praxis ist. Die vorgestellten und diskutierten Produkte, Unternehmen, Projekte und Prozesse bieten nicht nur einen Ausblick auf eine lebenswerte Zukunft, sondern auch einen klaren Handlungsrahmen für die kommenden Jahre.

Save the Date: Der nächste Cradle to Cradle Congress wird am 17. & 18. September 2026 an der TU Berlin stattfinden.

Alle Fotos, soweit nicht anders gekennzeichnet: Cradle to Cradle NGO/Jan Kulke

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