Variowohnungen: 258 Wohnplätze für Studierende
Die neu gebauten Variowohnungen in Bochum bieten öffentlich geförderten Wohnraum für Studierende im Passivhausstandard. Gleichzeitig revitalisieren sie ein ehemaliges Bergbaugelände. Im Rahmen des Förderprogramms Variowohnen entstanden so 258 Wohnplätze für Studierende.
In diesem Artikel:
- Variowohnungen – Definition und Bedarf
- Gebaute Umnutzung
- Recycling als Szenario
- Nutzungskonzept von Variowohnungen
- Ökologie der Bochumer Variowohnungen
- Organisation und Volumina
Ein Gastbeitrag von Chris van Uffelen.
Variowohnungen – Definition und Bedarf
Das Programm des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, BMUB schafft im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau bezahlbaren Wohnraum für Studierende, Auszubildende und Senioren. Die in der Bauaufgabe und im Raumprogramm implizierten kleinen Raumverhältnisse, die ein Wohnen pro Person auf ca. 20 Quadratmetern ermöglichen (der Bundesdurchschnitt liegt bei knapp 50 Quadratmetern), stellen im Rahmen der Suffizienzstrategie zur Erreichung nachhaltiger Gebäude einen wesentlichen Baustein dar. Die Wohngruppen bestehen aus zwei bis vier Individualräumen und einer gemeinsamen Küche mit Essbereich. Die Warmmiete darf dabei nicht mehr als 280 Euro im Monat betragen.
Zuerst sollen diese Variowohnungen den akuten Bedarf bei Studierenden decken. Langfristig können sie dann den aufgrund des demografischen Wandels wachsenden Markt für seniorengerechte Wohnungen bedienen. Das Achsmaß ist so konzipiert, dass ebenfalls eine abweichende Umnutzung, wie beispielsweise für Büros möglich wäre. Zudem verlangt das Programm Nachhaltigkeit und eine schnelle Bauausführung, sodass intelligente Lösungen für innovative Wohnraumkonzepte gefragt sind. Die Gebäude erreichen den DGNB Gold-Standard, was im öffentlich geförderten Wohnungsbau derzeit noch ungewöhnlich ist.
Gebaute Umnutzung
Um eine große Flexibilität und die Möglichkeit zur Umnutzung zu gewährleisten, konzipierten ACMS Architekten die Variowohnungen als Hybridbau. Der Rohbau mit weitgespannten Spannbetonhohldecken auf Stahlunterzügen und Beton-Fertigteilstützen ermöglicht diese Flexibilität. Der hohe Vorfertigungsgrad verkürzte die Bauzeit deutlich und erreichte dabei zusätzlich eine höhere Ausführungsqualität. Trotz der notwendigen Brandklasse B1 (schwer entflammbar), wie es die Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen für die vorliegende Gebäudeklasse 4 vorgibt, wurde Holz als kostengünstiges und CO2-bindendes Material eingesetzt. Ermöglicht wurde dies durch eine entsprechende Befreiung auf Basis der in der Schweiz bereits 2005 eingeführten technischen Baubestimmungen. Aufgrund der Detailausbildung konnte eine gerüstlose Montage der vorgefertigten Fassadenelemente ohne Nacharbeiten umgesetzt werden.
Recycling als Szenario
Die besondere Bedeutung der Nachnutzbarkeit von Gebäuden entsteht aus der Erkenntnis der hohen Umwelteinwirkungen in der Herstellungs- und Recyclingphase. Auch bei einer Gebäudestruktur auf Basis des Kreislaufgedankens (Cradle to Cradle) werden in aller Regel in jeder Veränderungsphase des Kreislaufes neue Ressourcen in Anspruch genommen. Das umwelttechnisch vorteilhafteste Szenario ist somit die direkte Weiter- und Umnutzung von Gebäuden beziehungsweise möglichst großer Teile der Gebäudestruktur. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Unklarheit über künftige Recyclingmöglichkeiten. Dementsprechende Überlegungen bestimmten sämtliche Planungsphasen und Ausführungsschritte der Variowohnungen.
Nutzungskonzept von Variowohnungen
Im Nutzungskonzept wurden erst unterschiedliche Varianten erstellt und anschließend auf ihre Vor-und Nachteile untersucht. Zum Zeitpunkt der Planung wurde entsprechend der Anforderungen an Variowohnungen als Erstnutzung das Wohnen für Studierende festgelegt. Demgemäß wurden die Grundrisse entwickelt. Aufgrund der steigenden Studierendenzahlen und einer höheren Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ist in Ballungsgebieten in den nächsten Jahren mit einem angespannteren Wohnungsmarkt für Studierende zu rechnen. Jedoch wurde die spätere Umnutzung bereits in die Planung mit einbezogen, sodass im Nutzungsverlauf des Gebäudes verschiedene Wohnkonzepte umgesetzt werden können. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gewinnen insbesondere Wohnkonzepte für ältere Menschen immer mehr an Bedeutung und stellen ein alternatives Nutzungsmodell dar. Auch eine abweichende Umnutzung, wie beispielsweise eine Büronutzung, wäre in Zukunft möglich.
Ökologie der Bochumer Variowohnungen
Die nicht tragenden Außenwände als vorgefertigte Holztafelwände bewirken schnelle Bauzeiten bei höchsten Dämmstandards. Zudem ermöglichen sie eine CO2-Einsparung von über 400 Tonnen im Vergleich zu Massivbauweisen. Die kompakte Bauweise ebenso wie die gute Ausrichtung zur Sonne bewirken, dass die Variowohnungen nicht nur wirtschaftlich, sondern obendrein im Passivhausstandard umgesetzt werden konnten.
Zur weiteren Reduktion der Primärenergieaufwendungen wurde eine Photovoltaikanlage installiert. Im Rahmen der DGNB Gesamtbewertung in Gold ist im Bereich der Ökologie mit einem Erfüllungsgrad von über 83% sogar die höchste Bewertungsstufe in Platin erreicht. Um die innovativen Ansätze aus dem Förderprogramm Variowohnen zu dokumentieren, wurde die gesamte Planungs- und Bauphase wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Damit sollen übertragbare Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Das Projekt Variowohnen Bochum wurde mit 3,3 Millionen Euro vom BMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat über das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, BBSR, Bonn und mit 13,6 Millionen Euro aus der parallel beantragten Wohnraumförderung des Landes NRW gefördert.
Organisation und Volumina der Variowohnungen
Die drei L-förmigen Gebäude werden jeweils von einem im Eckbereich platzierten außenliegenden Treppenraum erschlossen. Hieran gliedert sich ein 2-bündiger Gebäudeteil mit Ost-West ausgerichteten Wohnplätzen sowie ein 1-bündiger Gebäudeteil mit Südausrichtung an. So entstehen drei zur Sonne ausgerichtete und zur vierspurigen Universitätsstraße abgeschirmte Innenhöfe. Diese gestaltete die wbp Landschaftsarchitekten GmbH. Alle Wohnplätze sind barrierefrei und wurden in 1er, 2er und 4er Apartments organisiert. Zudem steht je Geschoss steht ein zusätzlicher gemeinschaftlicher Wohn- und Arbeitsraumraum mit Küchennutzung zur Verfügung. Obendrein sind Gemeinschaftsräume als Lern- und Aufenthaltsräume den einzelnen Geschossen und Variowohnungen übergeordnet. Die Farbgestaltung bei diesem Wohnkomplex übernahm Prof. Friedrich Schmuck.
Auszeichnung: BDA Architekturpreis Bochum 2020
Zertifizierung: DBNB Gold-Standard
Grundriss-Laerheide-Lageplan: hier herunterladen
Grundriss-Erdgeschoss-bereinigt: hier herunterladen
Grundriss-Regelgeschoss-bereinigt: hier herunterladen
Text: Chris van Uffelen
Bilder: Sigurd Steinprinz
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