Über die Schwierigkeit, nachhaltige Teppiche zu fertigen − und wie sie gelöst wurden

Foto: Andreas Otto

Ein moderner Designteppich sollte es werden, so fair und nachhaltig produziert wie nur möglich. Soweit der Anspruch von Florian Markl-Berger, als er die Teppichmarke Koshka Berlin 2022 gründete. Doch vom Utopisten wurde er schnell zum Realisten: Zunächst galt es, viele Steine aus dem Weg zu räumen. Florian Markl-Berger gibt einen offenen Einblick in die Probleme, nachhaltige Teppiche zu produzieren − und wie er sie löste.

  1. Über einen der auszog, Nachhaltigkeit zu lernen
  2. Drei Probleme nachhaltiger Teppichfertigung − und wie Koshka Berlin sie löste
  3. Nachhaltigkeit in der Teppichbranche

Ein Beitrag unserer Redaktion.

Über einen der auszog, Nachhaltigkeit zu lernen

Florian Markl-Berger, Geschäftsführer von Koshka Berlin (Foto: Felix Markl)

Als Grafikdesigner hatte Florian Markl-Berger eine klare Vorstellung, wie seine Teppiche aussehen sollten: Brillant und scharf wie Drucke, in bester Tradition der abstrakten Malerei von Johannes Itten und Josef Albers (dessen Frau Anni am Bauhaus ja auch Teppiche entwarf). Teilweise mit Op-Art-Effekten, wie man sie von dem ungarisch-französischen Künstler Victor Vasarely kennt.

Ganz klar auch: regionale Fertigung! Und konsequent weiter: regionale Wolle von glücklichen Schafen, unbedenkliche wasserlösliche Naturfarbstoffe, keine chemischen Imprägnierungen, Biokleber zur Fixierung, und eine CO₂-reduzierte Auslieferung in biobasierter und biologisch abbaubarer Verpackung. Das passte auch zu dem Anspruch, die Teppiche nur auf Bestellung, also ohne Überbestände und Lagerhaltung, zu produzieren und sollte heute ja auch immer völlig selbstverständlich sein.

Typisch für die Wollteppiche von Koshka Berlin: ausdrucksstarke, Linienführung, starken Farben – mal aufgehellt, mal abgedunkelt – in exakt definierten Paletten – mal kontrastreich, mal in ähnlicher Tonalität.
Foto: Max Schroeder

Ein moderner Designteppich wurde es auch − der Grafikdesigner Markl-Berger ist mehr als zufrieden. Der auf Nachhaltigkeit bedachte Firmengründer hingegen nicht so ganz, denn er erkannte bald, „dass ich etwas kompromissbereiter werden musste, sofern ich an dem generellen Vorhaben festhalten wollte.“

Ein Problem, das viele kennen, die versucht haben, ein Produkt so nachhaltig wie nur denkbar auf den Markt zu bringen. „Was ich im bisherigen Prozess sicher gelernt habe, ist, dass nachhaltiges Produzieren ein sehr komplexes Thema sein kann, bei dem auf dem Weg zwischen Wunsch und Wirklichkeit ein paar dicke Steine liegen können.“

Drei Probleme nachhaltiger Teppichfertigung − und wie Koshka Berlin sie löste

Der Weg zu den Sternen mag steinig sein, aber Florian Markl-Berger machte sich auf, ihn zu gehen. Und musste immer wieder feststellen, dass es Probleme gibt, die sich einfach nicht lösen lassen, wenn man nicht die gesamte Produktionskette selbst bespielen kann.

"Nachhaltigkeit verkommt gerade im Marketing-Kontext leider immer mehr zu einer leeren Worthülse, die bisweilen wenig aussagt", bemängelt Markl-Berger.

Doch was bedeutet Nachhaltigkeit überhaupt in der Praxis? Markl-Berger ging es primär darum, negative Auswirkungen auf die Umwelt, Tiere und Menschen so gering wie möglich zu halten und allgemein ein faires unternehmerisches Handeln an den Tag zu legen – allen Beteiligten gegenüber.

Problem 1: die Wolle

„Ein Thema, das mich in dem gesamten Prozess mit am meisten umgetrieben hat, ist das der regionalen Wolle und ihrer Eigenschaften und Probleme hinsichtlich Wertschätzung, Qualität und Wirtschaftlichkeit“, so Markl-Berger.

Hauptprobleme mitteleuropäischer Wolle sind die witterungsbedingt uneinheitlichen Fasern, was die Arbeit der Spinnereien sehr aufwändig bis unwirtschaftlich macht, sowie die meist graue bis braune Tönung, was das Färben entsprechend der Ansprüche eines Grafikdesigners wesentlich eingeschränkt oder aufwändiger und somit auch weniger nachhaltig macht.

Aber auch die Faserstruktur ist speziell für den Einsatz im Schnittflor teilweise problematisch und die in Verfügbarkeit und Qualitätsstandards konstante Lieferbarkeit ist aufgrund kleiner einheimischer Erträge zumindest schwierig.

Jedes Material bringt spezifische Eigenschaften mit sich, die bei der Produktion eine Rolle spielen. Und auch Wolle ist nicht gleich Wolle – es kommt auch auf die Schafrasse an.
Foto: Unsplash/Kiki Falconer

„Dennoch möchte ich das Herzensthema mittel- und langfristig nicht ad acta legen und werde mögliche Wege einer Nutzung im Blick behalten. Das braucht jedoch viel Geduld und auch finanzielle Spielräume“, erklärt Markl-Berger.

Zunächst ist es nun aber keine regionale Schurwolle mehr, sondern neuseeländische von der Schafrasse Cross-Breed. „Sie“, so Markl-Berger, „wird unter den Kriterien der »five freedoms of animal welfare« erzeugt, was hinsichtlich des Tierwohls weitestgehend den grundsätzlichen Kriterien von Bio-Verbänden entspricht.“

Jeder weitere Schritt der Wertschöpfungskette geschieht dann in Deutschland unter transparenten, sauberen, ressourcenschonenden und fairen Bedingungen. Ein Vorteil regionaler Produktion ist, dass der Firmengründer vor Ort ständig einen Blick auf die Produktionsabläufe und Lieferketten werfen kann.

Problem 2: regionale on-demand-Produktion

Markl-Berger ist überzeugt: Zu einer nachhaltigen Produktion gehört auch die regionale Fertigung, und zwar on demand, also individuell auf Kundenbestellung, und nicht als Massenware auf Lager gefertigt.

Ergebnisoffen, begann er mit seiner Recherche. Dabei erwies sich für ihn letztlich die moderne Robot-Tufting-Technik als einzige Technologie, die einerseits die regionale on-demand-Produktion ermöglicht, zum anderen die maschinelle (und nicht etwa handgeknüpfte) Ausführung. Das Ergebnis des ähnlich einer CNC-Fräse oder einem 3D-Druck arbeitenden Roboters ist ein hochqualitativer Schnittflorteppich, der auch seinen Ansprüchen als Grafikdesigner genügt.

Wichtigster Vorteil der einheimischen Produktion: Es entfällt der CO₂-Ausstoß langer Lieferketten. Aufgrund der Robot-Tufting-Fertigung on-demand entfallen zudem klimafeindliche Aspekte wie Lagerhaltung, Überproduktion und Entsorgung.

Natürlich sieht Markl-Berger weiter Baustellen, die im Grunde aber Baustellen der gesamten Branche sind. Beim Robot-Tufting stickt eine Art Pistole, die die Rolle des Fräskopfs einer zweiachsigen CNC-Fräse einnimmt, das Garn in ein vertikal aufgespanntes Trägertuch ein. Das Garn muss dann auf dem Träger fixiert werden, aber ein Verknoten, wie einst beim handgeknüpften Teppich, geht in dem Verfahren nicht. Das gilt mit Ausnahme des traditionellen Handknüpfens leider für alle Fertigungsverfahren. Nicht einmal die hochkomplexen industriellen Doppelteppich-Webmaschinen können echte Knoten erzeugen.

Für diese Fertigung kommt Dispersions-Acrylbinder zum Einsatz. Aus Markl-Bergers Sicht dennoch die richtige Entscheidung. Denn wer einen Teppich mit langer Lebensdauer produzieren möchte, müsse auch weitere wichtige Kriterien im Blick behalten, wie etwa die Verarbeitbarkeit, Klebekraft, Haltbarkeit und Geruchsneutralität.

„Auf der Suche nach Alternativen habe ich so einige Fachleute und Unternehmen genervt, bis ich einen verhältnismäßig guten Kompromiss akzeptiert habe. Dasselbe gilt für das Thema Trägertuch.“

Fotos aus der Teppich-Produktion: Andreas Otto

Problem 3: das Trägertuch

Hinsichtlich seiner Stabilität ist ein Trägertuch aus Polyester konkurrenzlos und Haltbarkeit ist – bei Produkten, die lange Zeit Wertschätzung erfahren – eines der bedeutendsten Nachhaltigkeitskriterien.

„Hier zeigt sich ein meines Erachtens häufig auftretendes Dilemma bzw. Paradox in Nachhaltigkeitsaspekten", so Markl-Berger. Vordergründige Umweltverträglichkeit eines Rohstoffes versus langfristige Ökobilanz der gesamten Wertschöpfungskette.“

Beispiel: Eine nur kurzfristig genutzte Einkaufstüte darf nicht aus Plastik sein, bei ihr ist ein nachhaltiges Papier dem Lebenszyklus – vor allem aber dem Nachleben – eher angemessen. Mit diesem Bewusstsein werden auf den ersten Blick wenig ökologische Materialien dann auf einmal nachhaltig, weil sie länger haltbar sind.

Zudem wird hier einiges sich mit der Zeit selbst richten, denn Koshka Berlin will weiterhin die jeweils zeitgenössischen Technologien und Potenziale in den Gestaltungsprozess einbeziehen – ganz im Sinne des Bauhauses: „Wenn man dieses Prinzip befolgt, dann aktualisiert sich die entsprechende Wertschöpfung quasi automatisch.“

Markl-Berger weiter: „Petrochemische Produkte sind mir nach wie vor ein kleiner Dorn im Auge. Die Alternativen bereiten bisher aber so viele Probleme, dass wir hier mit anderen Kriterien an das aktuell erreichbare Optimum gehen mussten. Im Vergleich mit vielen Wettbewerbsprodukten ist der von uns verwendete Binder besonders emissionsarm, ohne Weichmacher und geruchsneutral, was in Wohnräumen besonders wichtig ist.“

Fotos: Max Schroeder, www.max-schroeder.com

Binder wie Träger werden unter strengen Auflagen in Deutschland hergestellt, der Draht zu den Zulieferern ist kurz und der Austausch entsprechend unkompliziert und transparent. Markl-Berger: „Als optimistischer Realist sage ich mir: Jetzt gilt es dranzubleiben und immer weiter zu optimieren!“

Nachhaltigkeit in der Teppichbranche

Durch seine offene Kommunikation über die Unzulänglichkeiten des Marktes übt Markl-Berger sanften Druck auf die Branche aus, an ihren Prozessen zu arbeiten, und durch die Transparenz kommen auch Experten auf ihn zu, die mit Tipps bei der Feinjustierung helfen können.

„Teppiche“ so der Realist, „sollten, wie eigentlich alle Produkte, in ihrem gesamten Lebenszyklus einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck haben. Wir bleiben dran, denn es lohnt sich solch einen Weg in vielen kleinen Schritten zu gehen und nicht vorschnell das Handtuch zu werfen, wenn die ursprünglichen Ziele nicht mit einem Sprung erreicht werden.“

Gelungen ist dem Start-up bereits, ästhetisch und qualitativ hochwertige Schnittflor-Teppiche on-demand, regional, fair, transparent und so sauber wie es die aktuelle Technik zulässt, produzieren zu lassen und ein entsprechendes Angebot im Markt zu etablieren. Koshka Berlin wird weiter daran arbeiten, die Produktion Stück für Stück nachhaltiger zu machen: per aspera ad astra – der Weg zu den Sternen ist flauschig.

Foto: Max Schroeder

Text: Chris van Uffelen

Fotos (soweit nicht anders gekennzeichnet): Koshka Berlin

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