Denkmalgerechte Umnutzung: Vom Leerstand zum Dorfidyll
Einst Infrastruktur der Fleischwirtschaft, heute nachhaltiges Co-Living: das Projekt Qville.
Zahlreiche Konzepte versuchen, eine gemeinsame Lösung für unbezahlbaren Wohnraum in Städten und sterbende Dörfer auf dem Land zu finden. In Essen, Belgien, ist dies gelungen: denkmalgerecht, idyllisch und nachhaltig. Die Co-Housing- Siedlung Qville funktioniert seit 2020 als modernes und vielfältiges Dorf aus Neubau und Bestandsumnutzung auf 1,7 Hektar Natur- und Ackerland. Wir stellen das vorbildliche Umnutzungsprojekt vor.
In diesem Beitrag:
Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Print-Ausgabe No. 5 von CRADLE.
Neben dem Report über Qville finden Sie in unserem Print-Magazin rund 100 Seiten zu innovativen Vorreiterprojekten wegweisender Nachhaltigkeitsarchitektur.
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Gestalter nachhaltiger Raumlösungen: B-architecten
Evert Crols, Dirk Engelen und Sven Grooten lernten sich während ihrer Architekturausbildung in Antwerpen und Amsterdam kennen. Seit 1997 verfolgen sie ihr Interesse an Design beruflich gemeinsam: Mit Standorten in Antwerpen, Brüssel und Gent umfasst die Agentur B heute vier Studios mit unterschiedlichen Schwerpunkten:
- B-architecten entwirft nachhaltige Gebäude im städtischen und im offenen Raum – mit dem Wertefundament, mit ressourcenschonenden Lösungen zugleich Gemeinschaft zu schaffen.
- Kleineren Projekten von Innenarchitektur bis Möbelgestaltung widmet sich B-bis.
- B-city hat den Schwerpunkt im öffentlichen Raum
- B-juxta nimmt sich der Materialien und Bausubstanzen der Vergangenheit an
Vom Quarantänestall zum Co-Living-Projekt
Es ist die Naturbelassenheit des Ortes, die im heutigen Qville Vergangenem und Gegenwärtigem einen Rahmen gibt. Einst verbrachten hier Schweine, Pferde und Kühe inmitten der idyllischen flämischen Landschaft ihren Quarantäneaufenthalt, bevor sie von Belgien in die Niederlande einreisen durften. Nach 1968 erfuhren die Ställe eine erste Umnutzung als Flohmarkthallen, bis sie schließlich unter Denkmalschutz gestellt wurden.
Erst 2020 befreite die neue Planung von Qville das Areal im belgischen Essen aus dem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf. Die Ställe sollten endlich wieder Bewohner haben: diesmal aber Zweibeiner. Es startete eine Bauphase, die sich nachhaltig und ressourcenschonend der Bewahrung und Restaurierung des Ursprünglichen widmete.
Qville als ökologisches Zuhause
Im Jahr 2020 kehrte in das neu entstandene „Mini-Dorf“ wieder Leben ein – kein Wiehern und Grunzen, sondern menschliche Stimmen aller Altersgruppen. Neben den 44 Niedrigenergie-Wohneinheiten finden sich auf dem 1,7 Hektar großen Gelände Mehrgenerationenhäuser, betreute Wohnanlagen und Gemeinschaftsbereiche – beispielsweise ein Wellnessareal mit Hallenbad. Ebenso stehen den Bewohnern ein Gemeinschaftszentrum mit flexiblen Co-Working-Möglichkeiten, eine überdachte Terrasse mit Grillausstattung und ein Schwimmteich zur Verfügung.
Ein weiteres Charakteristikum: Qville ist eine – hauptsächlich – autofreie Zone. Eine Tiefgarage bietet Ladestationen mit Solarstrom für E-Autos und Carsharing-Plätze. Das Hauptverkehrsmittel hat allerdings zwei Räder und wird im gemeinschaftlichen Fahrradschuppen geparkt.
CRADLE meint
Umnutzungen sind die wichtigste Technik, der unumkehrbaren Bodenversiegelung und der wachsenden Zahl leer stehender Gebäude zu begegnen. Denkmalschutz muss keine bauliche Unantastbarkeit mit sich bringen: Was das Schützen eines Denkmals in erster Linie bedeutet, ist, die historisch bedeutende Substanz und Qualität eines Bauwerks zu erhalten. Zeitgemäße Neuinterpretationen wie Qville weisen den Weg, wie sich deren Konservierung mit gesellschaftlichem Nutzen verbinden lässt.
Nachhaltiges (Neu-)Bauen und Umnutzen
Die langen, gedrungenen Volumina der ehemaligen Ställe mit ihren charakteristischen durchgängigen Satteldächern wurden individuell in Abschnitte unterteilt und in Wohnfläche verwandelt. Zu den wiederbelebten Altbauten gesellten sich zusätzliche Neubauten, die sich mit schwarzen Holzfassaden harmonisch in die klassische Ziegelhausoptik eingliedern und rund ein Viertel der Gesamtgebäude ausmachen.
Die raumhohen Fenster greifen den Charakter der alten Stalltore auf. Prägend für die Gesamterscheinung der denkmalgeschützten Gebäudeansammlung war unter anderem auch das ursprüngliche Fehlen von Dachrinnen. Dies wurde im Renovierungs- und Umbauprozess beibehalten – ausgenommen weniger Meter über Terrassen- und Eingangstüren. Stattdessen gibt es ein Regenwasserrückgewinnungssystem: Wasser versickert durch Kiesstreifen entlang der Fassaden und wird mit Sickerleitungen aufgefangen.
Regenerative Energien für die Gemeinschaft
Ressourcenschonung und nachhaltiges Denken waren in der gesamten Umsetzung von Alt- und Neubau der Planungsfokus. So erhielten die Bestandsgebäude und die Neubauten nachhaltige Fußbodenheizungen mit individuellen Wärmepumpen und Geothermie, von denen auch die Warmwasserbereitung profitiert.
Um eigenen Strom zu gewinnen, wurden an Stellen der Dachfläche, die von der Straße aus unsichtbar sind und somit den ästhetischen Eindruck nicht zerstören, Solarmodule installiert. So blieb das äußere Erscheinungsbild denkmalgerecht unberührt. Die gewonnene Energie fließt direkt in die gemeinschaftlich genutzten Bereiche der Siedlung – von der Sonne gewärmte Geselligkeit sozusagen. Um nahezu energieneutrales Wohnen zu erreichen, wurden die steinernen Altbauten innen neu gedämmt.
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Den kompletten Report finden Sie in der CRADLE-Print-Ausgabe No.5. Im Magazin finden Sie auf rund 100 Seiten dieses mehr mehr innovative Vorreiterprojekte wegweisender Nachhaltigkeitsarchitektur.
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