Der Bundespreis "Umwelt und Bauen"
Im September 2020 wurde zum ersten Mal der Bundespreis UMWELT & BAUEN ausgezeichnet. Wir stellen die Gewinner der Kategorien “Wohngebäude”, “Nicht-Wohngebäude”, “Quartier” und “Sonderpreis” vor.
In diesem Artikel:
- Neuer Bundespreis für nachhaltiges Bauen
- Kategorie Wohngebäude
- Kategorie Nicht-Wohngebäude
- Kategorie Quartier
- Anerkennungen in der Kategorie Sonderpreis
Ein Gastbeitrag des Umweltbundesamtes.
Neuer Bundespreis für nachhaltiges Bauen – Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium zeichnen Leuchtturmprojekte in Sachen Nachhaltigkeit aus
Alle Reden über Nachhaltigkeit beim Bauen – doch die Praxis zeigt: Nachhaltige Neubauten bleiben die Ausnahme. Und auch die Sanierung von Bestandsbauten bleibt hinter den erforderlichen Quoten zum Erreichen der nationalen Klimaziele zurück. Der 2020 erstmals durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und das Umweltbundesamt (UBA) ausgelobte Bundespreis UMWELT & BAUEN soll Leuchtturmprojekte auszeichnen und Bauherren und Planer zu mehr Nachhaltigkeit am Bau ermutigen.
Am 29. September 2020 wurden die vier Hauptpreisträger in den Kategorien „Wohngebäude“, „Nicht-Wohngebäude“ und „Quartier“ ausgezeichnet. Weiteren sieben Projekten wurden Anerkennungen ausgesprochen. Ausgewählt wurden die Projekte durch eine interdisziplinär besetzte Jury unter der Leitung von Prof. Christa Reicher und dem parlamentarischen Staatssekretär Florian Pronold. Die Hauptpreisträger und einige Anerkennungen stellen wir Ihnen im Folgenden kurz vor. Weitere Informationen zum Wettbewerb und den Preisträgern sowie Videoportraits zu allen ausgezeichneten Projekten finden Sie auf der Website des Bundespreises UMWELT & BAUEN.
Bundespreis UMWELT und BAUEN: Kategorie Wohngebäude
In der ersten Kategorie wurden das Projekt „Stadthäuser StadtFinken“ (Hamburg) der Architekten ARGE MUDLAFF & OTTE, Studio Witt und MoRe Architekten sowie das Quartier Sewanstraße (Berlin) der HOWOGE jeweils mit einem ersten Preis ausgezeichnet. Die Projekte zeigen: Es gibt nicht nur die eine Lösung, Wohnungsbau in Innenstädten nachhaltig zu gestallten. Je nach Randbedingungen können gänzlich unterschiedliche Konzepte herausragende Beispiele für nachhaltigen Wohnungsbau hervorbringen.
So entstanden auf dem ungewöhnlich langen Baufeld auf dem Gelände eines ehemaligen Klinikums in Hamburg 42 Eigentumswohnungen in 22 Stadthäusern im KfW-Standard-Effizienzhaus 40. Realisiert wurde der niedrige Primärenergiebedarf durch eine hochdämmende Gebäudehülle im Passivhausstandard. Dadurch werden die Wärmeverluste so weit reduziert, dass die erforderliche Energie zur Beheizung über eine Erdwärmepumpe erzeugt werden kann. Unterstützt wird die Wärmeerzeugung durch eine Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser. Hierfür wird das warme Abwasser der Wohnungen in einen Zwischenspeicher geleitet und über einen Wärmetauscher das Wasser für die Heizung vorerwärmt.
Im Berliner Bezirk Lichtenberg entstanden zwei achtgeschossige Wohnhäuser mit 99 Wohnungen im KfW-Standard 40plus. Dabei werden über die Hälfte der Wohnungen als geförderter Wohnungsbau mit Mieten von 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet. Das Projekt schafft nicht nur attraktiven neuen Wohnraum, sondern trägt auch dazu bei, die spezifischen Qualitäten des bestehenden Quartiers auszubauen, Freiräume aufzuwerten und Monostrukturen zu lebendigen, urbanen Räumen weiterzuentwickeln. Durch eine Photovoltaikanlage werden ca. 70 Prozent des Strombedarfs gedeckt. Außerdem kommt ein Batteriespeicher zum Einsatz und alle Wohnungen verfügen über eine kontrollierte Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung. Das Projekt beweist eindrücklich, dass gesamtheitliche Nachhaltigkeitsanforderungen umsetzt und gleichzeitig die Auswirkungen auf den Mietpreis minimiert werden können.
Kategorie Nicht-Wohngebäude
Der neue Fachklassentrakt des Schubart-Gymnasiums in Aalen, entworfen von Liebel/Architekten, wurde mit dem Bundespreis Umwelt und Bauen in der Kategorie Nicht-Wohngebäude ausgezeichnet. Bereits im Architekturwettbewerb wurde das Konzept für eine „Null-Energie-Schule“ entwickelt. Ziel war ein Gebäude, welches lokal und regenerativ so viel Energie erzeugt, wie es selbst verbraucht. Das Gebäude in Holz-Hybridbauweise nutzt ein Klimakonzept, welches aktiv die vorhandenen Ressourcen aus Tageslicht, natürlicher Thermik und Erdwärme ausschöpft. So wurde ein 45 Meter langer Erdkanal angelegt, in dem die Zuluft im Sommer vorgekühlt und im Winter vorgewärmt wird. Eine hocheffiziente Wärmerückgewinnung aus der Abluft minimiert die für die Erwärmung benötigte zusätzliche Energie. Entstanden ist so eine Null-Energie-Schule, deren Photovoltaikanlage 100 Prozent des Strombedarfs deckt und deren Lüftungskonzept die natürlichen Ressourcen optimal nutzt.
Kategorie Quartier
Bestehend aus fünf Mehrfamilienhäusern in Holz-Hybridbauweise in KfW-Standard 40 bietet das Quartier WIR (Deimel Oelschläger Architekten Partnerschaft) in Berlin Weissensee ca. 250 Nutzern neuen Wohnraum. Der Holzanteil der Konstruktion liegt bei 70 Prozent. Möglich wurde der hohe Anteil des nachwachsenden Rohstoffes durch eine Hybridbauweise mit Treppenhauskernen aus Beton, sichtbaren Massivholzdecken, Holzstützen, Unterzügen sowie Holzbalkonen und einer nichttragenden Holztafelfassade mit Zellulosefüllung. Die hochdämmende Gebäudehülle erreicht nahezu Passivhausstandard.
Doch nicht nur in Sachen Energie- und Rohstoffkonzept setzt das Quartier Maßstäbe. In einem gemeinschaftlichen Planungsprozess entstanden unterschiedliche Wohnkonzepte mit dem Ziel der Integration unterschiedlicher Gemeinschaften. So entstanden neben Miet- und Eigentumswohnungen auch Cluster für mehrere soziale Träger aus Berlin. Gemeinschaftsflächen und Gemeinschaftseinrichtungen wie Bewohnerwerkstatt, Schwimmbad, Quartiersplatz und Kita ermöglichen eine lebendige und vielfältige Nachbarschaft.
Bundespreis UMWELT und BAUEN: Anerkennungen in der Kategorie Sonderpreis
Über eine der sieben Anerkennungen konnte sich das Projekt „Recyclinghaus Hannover“ der Cityförster architecture + urbanism Part GmbH freuen. Der überwiegend aus recycelten Baustoffen und Materialien errichtete Prototyp eines freistehenden Einfamilienhauses zeigt eindrücklich, dass die Verwendung von Rezyklaten und rezyklierten Bauteilen nicht auf Kosten von Komfort oder Ästhetik gehen muss. Für den Bau des Recyclinghauses wurden 90 Prozent der Fassadenbekleidung sowie alle Fenster und Türen aus gebrauchten Bauteilen und Baustoffen hergestellt. Dieses Konzept wurde auch im Innenraum fortgeführt. Bei der Verwendung der gebrauchten Baumaterialien wurde auf Regionalität und kurze Transportwege geachtet und diese zum Großteil aus den Gebäudebeständen der Bauherrin GUNDLACH, einem lokalen Bau- und Wohnungsunternehmen, bezogen. Auch auf gute Rückbaubarkeit wurde geachtet, sodass das Recyclinghaus am Ende seines Lebenszyklus auch zukünftigen Bauvorhaben als Materiallager dienen kann.
[Einschub der Redaktion: einen ausführlichen Beitrag über das Recyclinghaus in Hannover finden Sie hier]
Eine weitere Anerkennung ging an die Sanierung und Umnutzung einer denkmalgeschützten Scheune zum Wohnhaus. Das Projekt Sonnenscheune der Hofgut Erler GbR ist ein herausragendes Beispiel für die ökologische und nachhaltige Sanierung im ländlichen Raum. So wurden neben der vorhandenen Bausubstanz in erster Linie regionale, nachwachsende und recyclingfähige Baustoffe verwendet. Auch das historische Fachwerk konnte größtenteils erhalten werden. Die Sonnenscheune erfüllt darüber hinaus die Energiestandards Passivhaus (Passivhausinstitut Darmstadt PHI; entspricht KfW-Effizienzhaus 40 plus) und Sonnenhaus (Sonnenhausinstitut Straubing SHI). Ermöglicht wurde dies durch eine Haus-in-Haus-Konzeption und eine (teil-)autarke Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien. Das Projekt ist somit zukunftsweisend für energieeffizientes ländliches Bauen.
Auch 2021 wird der Preis in vier Kategorien verliehen, die Auslobung finden Sie hier.
Text: Johannes Schwan
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