Neubau mit Holz und Lehm: der Hort am Prenzlauer Berg
Am Rande des Bezirkes Pankow in Berlin liegt das Schulgelände der Freien Waldorfschule am Prenzlauer Berg. Der neu gebaute Hort überzeugt nicht nur mit natürlichen Baustoffen wie Lehm und Holz, sondern auch mit einem Low-Tech Energiekonzept und einem partizipativen Planungs- und Bauprozess.
In diesem Artikel:
- Städtebaulicher Aspekt
- Einbettung in den Bestand
- Gestaltung der Innenräume
- Baustoffe
- Konstruktion und Materialgerechtigkeit
- Energiekonzept
- Planungs- und Bauprozese
Ein Gastbeitrag von MONO Architekten.
Projektdaten Hort am Prenzlauer Berg
Projekt
Hortneubau Freie Waldorfschule am Prenzlauer Berg
Typologie
Ganztageshort für 150 Kinder
Standort
Gürtelstraße 16, 10409 Berlin
Bauzeit
19 Monate
Fertigstellung
06 / 2017
Bauherr
Freie Waldorfschule am Prenzlauer Berg
Verfahren
beschränkter Wettbewerb
Verfasser
MONO Architekten
Projektteam
Jonas Greubel, Daniel Schilp, André Schmidt, Matteo Pelagatti
Isometrie Phasierung
Städtebau – Autonomie und Einbindung
Am Rande des Bezirkes Pankow in Berlin liegt das Schulgelände der Freien Waldorfschule am Prenzlauer Berg. Das Grundstück nimmt eine besondere städtebauliche Insellage ein. Von Nordwesten aus wird es über die Gürtelstraße erschlossen. Hier „prallen“ sozialistische Plattenbauweise in freistehenden Zeilenstrukturen und die gründerzeitlichen Blockrandstrukturen des „Musikerviertels“ aufeinander. Im Südosten begrenzen die Grünstrukturen des größten erhaltenen Jüdischen Friedhofes Europas das Grundstück.
Das mittlerweile sanierte und energetisch ertüchtigte Bestandsschulhaus ist ein 5-geschossiger Plattenbauriegel aus den 70er Jahren. Dem Bedürfnis einer wachsenden Schulgemeinschaft folgend, schrieb die Schule einen Wettbewerb für ein neues Hortgebäude aus. In einem Ideenteil waren zusätzliche Erweiterungsbauten für den noch im Aufbau befindlichen Schulbetrieb mit zu konzipieren. Dazu gehören ein Saal und ein Oberstufengebäude, die in weiteren Bauabschnitten folgen sollen.
Der gewählte Formenkanon der Neubauten setzt sich bewusst von der strengen Formensprache der Bestandsgebäude ab und ergänzt diese so um ein lebendiges Moment. Sie erweitern das Bestandsschulhaus um wichtige Funktionen und verzahnen es mit dem Außenraum.
Harmonische Einbettung in den Bestand
Der Hortneubau dockt hofseitig an das Schulhaus an und streckt sich gleich einer Gliederkette aus wabenförmigen Baukörpern in Richtung Sporthalle. Die Anordnung der einzelnen Glieder nimmt größtmögliche Rücksicht auf den Baumbestand und verdichtet die gewachsene Raumkante zum Stadtraum. So erhält der Schulhof einen baulichen Rücken zur Straße und sein Zentrum wird klar definiert. Durch die Vor- und Rücksprünge entstehen differenzierte Außenbereiche mit spezifischen Funktionen wie Hauptzugang oder Kletter-, Spiel- und Pausenzonen. Jeder Baukörper erhält in unterschiedliche Richtungen geneigte Pultdächer mit extensiver Dachbegrünung. Da alle Klassenräume des Bestandsschulhaues sich zum Schulhof hin orientieren, in dem das Hortgebäude steht, wurde die Gestaltung dieser fünften Fassade als bewegte Dachlandschaft konzipiert. Die vielfältig steigenden Traufkanten der hölzernen Fassaden geben dem Ensemble eine skulpturale Anmutung die sich im Rundgang fortwährend wandelt.
Innenräumliche Gestaltung
Eine zweigeschossige Wabe dockt als Verbindungstrakt am Treppenhaus des Bestandsschulhauses an. Im Obergeschoss befinden sich die Personalräume. Die zentrale Erschließungszone wird wechselseitig von einer massiven Lehmwand begleitet. Unterschiedliche Raumsituationen unterstützen hier das vielfältige Innenleben im Miteinander der Kinder und Hortner. Spielerisch können die spannungsvollen Räume von den Kindern entdeckt und angeeignet werden. Aufenthaltszonen, Garderobenbereiche, Kommunikations- und Bewegungsflächen sowie verschiedene Ausgänge ins Freie wechseln sich entlang des Weges ab. Gegenüber dem Haupteingang befindet sich im zentralen Foyer ein wärmespendender Holzofen.
Durch die für je zwei Gruppen gebündelten Garderobenbereiche gelangen die Kinder in ihren Gruppenraum. Aneinandergeschmiegt liegen diese hinter der Lehmwand, haben alle direkten Außenbezug in verschiedene Himmelsrichtungen und eine Hochebene über den Garderoben. Diese sind als Spiel- und Rückzugsräume den Kindern vorbehalten. Wie kleine Hochsitze stechen sie aus den Dächern der Gruppenräume hervor und blicken in die Kronen der umgebenden Bäume. Die Atmosphäre in den Räumen wird von naturbelassenen Materialien bestimmt. Farbiger Lehmputz, Holzböden und in den Lehmaußenwänden integrierte Wandheizungen schaffen eine wohlige Atmosphäre.
Verwendung biologischer und nachhaltiger Baustoffe
Für den Hortneubau wurde ein größtmöglicher Einsatz von nachwachsenden und ökologischen Baustoffen aus der Region angestrebt. Im Wesentlichen wurden Holz, Stroh und Lehm verbaut.
Die Farbgebung entsteht dabei sowohl Innen als auch Außen durch die natürliche Farbigkeit der verwendeten Materialien, die möglichst unbehandelt dem natürlichen Prozess würdiger Alterung ausgesetzt sind. Als robuste, langlebige Baustoffe reduzieren sie so den Wartungsaufwand auf ein Minimum.
Das Tragwerk wurde in vorsegmentierter Holzständerbauweise hergestellt und mit nichtlasttragendem Baustroh in den Außenwänden ausgefacht. Naturbelassene Getreidestrohballen eignen sich hervorragend als Wärmedämmstoff. Die so ausgefachten Außenwandflächen erreichen nicht nur höchste Dämmstandards, sondern weisen darüber hinaus über den gesamten Lebenszyklus eine hervorragende Ökobilanz auf. Innenliegend wurde das Stroh mit 4cm Lehm verputzt. In Kombination mit der hinterlüfteten Holzfassade entsteht ein atmungsaktiver Wandaufbau.
Konstruktion und Materialgerechtigkeit
Das lamellenartige Fassadenkleid aus senkrecht stehenden Lärchenholzbrettern unterschiedlicher Breite und Tiefe gibt den Baukörpern eine plastisch bewegte Oberfläche. Fenster und Türen sind aus Holz-Aluminium ausgeführt.
Die zwischen 5 und 7 Grad geneigten Dachflächen wurden als Sparrendach mit eingeblasener Zellulosedämmung geplant und extensiv begrünt. Die Gründung erfolgt mittels einer Stahlbetonplatte, auf der die Dämmung in den Zwischenräumen einer kreuzverlegten Fußbodenunterkonstruktion als Zellulosedämmschüttung eingebracht wurde. In den Gruppenräumen wurden geölte Kieferndielen aus der Region verlegt. Die Erschließungszone erhielt einen tellergeschliffenen und geölten Heizestrich. Die Decken über den Garderoben wurden als Brettstapeldecken ausgeführt.
Die Lehmwand bildet das Rückgrat im Innenausbau. Das massenträge Bauteil dient als Wärmespeicher und entstand aus einem Holztragwerk, das mit Lehmschüttung aufgefüllt und mit einer rauen Schalung und Lehmbauplatten beplankt wurde. Die guten Feuchte- und Wärmespeichereigenschaften sorgen für ein gesundes Raumklima. Die Raumluftfeuchte wird durch die hygroskopische Eigenschaft des Lehms natürlich reguliert. Die übrigen Innenwände wurden in Holzständerbauweise errichtet und mit Lehmbauplatten beplankt. Die Einbaumöbel wurden in Weißtanne realisiert.
Low-Tech – Energiekonzept
Als Energiequelle für die Wärmeversorgung wird die bereits anliegende Fernwärme verwendet. Sie speisst die in den Aussenwänden integrierten Wandheizungen und die Fußbodenheizungen in den Erschließungszonen. Der Fensterflächenanteil strebt ein ausgewogenes Maß aus Belichtung, solaren Einträgen und geschlossenen Bauteilen an. Da das Bauwerk insbesondere auf der Südseite von Bäumen umstanden wird, ist ein baulicher Sonnenschutz nicht notwendig. Dezentrale und feuchteregulierte Abluftanlagen in den Garderobenzonen unterstützen über intergierte Nachströmungsöffnungen in der Außenfassade das ansonsten manuelle Lüftungskonzept. Der Einsatz von Technik wurde auf ein notwendiges Minimum reduziert. Das führt zu niedrigen Wartungs- und Folgekosten.
Hort am Prenzlauer Berg: Partizipativer Planungs- und Bauprozess
Das Wettbewerbskonzept wurde in einem intensiven partizipativen Prozess mit der Schulleitung, Pädagogen sowie Eltern in zweiwöchentlich stattfindenden „Baukreisen“ weiterentwickelt. Dies führte zu einer hohen Nutzerakzeptanz. Unter dem Motto „Schule baut Schule“ konnten für einen Großteil der Bauleistungen das Berliner Ausbildungszentrum der Knobelsdorff-Schule gewonnen werden. Die Auszubildenden konnten ihre handwerklichen Fähigkeiten unter Beweis stellen und weiterentwickeln, um so dem hohen Anspruch an die Ausführungsqualität gerecht zu werden. Die anspruchsvolle skulpturale Gebäudemodulation konnte durch den integralen Einsatz digitaler Entwurfs,- Planungs- und Abbundsoftware in Holzständerbauweise realisiert werden.
Text und Grafiken: MONO Architekten
Bilder: Gregor Schmidt
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