Gemeinsam bauen – nachhaltig wohnen in der Stadt

Gemeinsam bauen: nachhaltig, städtisch und zeitgemäß
Bild: Michael Heinrich

Gemeinsam bauen spielt bei der Entwicklung besonders nachhaltiger Stadtentwicklungs- und Wohnprojekte inzwischen eine wichtige Rolle.

In diesem Artikel:

  1. Gemeinsam bauen in München und Wien
  2. wagnisART in München
  3. Steckbrief wagnisART
  4. Bikes and Rails in Wien
  5. Steckbrief Bikes and Rails

Ein Beitrag unserer Redaktion.

Gemeinsam bauen in München und Wien

Die lebenswerte Stadt und ihre zeitgemäßen Wohnungsangebote werden partizipativ geplant und gemeinsam genutzt. Für Baugemeinschaften schließen sich Gleichgesinnte zu einem Baupartner auf Augenhöhe der Verwaltung zusammen. Dabei entwickeln sie neue Qualitäten des Zusammenlebens. Außerdem engagieren sie sich besonders für eine ökologische Optimierung. Genossenschaften und soziale Träger verfolgen ähnlich hochwertige Ziele und entwickeln zudem ausgezeichnete Mobilitätskonzepte; wagnisART in München organisieren beispielsweise Carsharing und haben die geforderten Autos-Stellplätze reduziert. Die Wiener Gruppe Bikes and Rails ist hingegen vor allem mit Fahrrädern und der Bahn mobil.

 

WagnisART in München

WagnisART ist ein vielfach ausgezeichnetes, zertifiziertes Passivhaus mit 138 Wohnungen sowie vielen Gemeinschafts- und Gewerbeflächen. Eine Baubegleitung geschah durch eine Universität.

 

Nachhaltige und wirtschaftliche Abwägungen – wissenschaftlich begleitet – führten zu einer Holzrahmenfassade
Nachhaltige und wirtschaftliche Abwägungen – wissenschaftlich begleitet – führten zu einer Holzrahmenfassade (Bild: Michael Heinrich)

Das genossenschaftliche Wohnbauprojekt wagnisART der wagnis eG bietet ca. 300 Menschen ein nachhaltig optimiertes Zuhause. Damit die Architektur die Gemeinschaft fördert, konnten die zukünftigen Mieter die Gestaltung beeinflussen. Die realisierte Häusergruppe ist architektonisch außergewöhnlich, denn fünf vieleckige Gebäude mit lebendigen Grundrissen sind über Brücken auf verschiedenen Stockwerken miteinander verbunden. Die Innenhöfe werden vielfältig genutzt. Durch die umgrenzenden Brücken sind sie außerdem geschützte Innenbereiche und öffnen sich gleichzeitig zum Quartier mit Künstlerkolonie. Die Brücken und Flachdächer bilden eine große und vielfältige Dachgartenlandschaft, sodass ein Rückzugsort für die Bewohner entsteht.

Seit 2016 leben ca. 300 Menschen in den fünf Gebäuden des Wohngenossenschaftsbaus WagnisART. Die Brücken sind den Bewohnern vorbehalten. Ebenerdig gibt es auch viele öffentliche Nutzungen.
Seit 2016 leben ca. 300 Menschen in den fünf Gebäuden des Wohngenossenschaftsbaus WagnisART. Die Brücken sind den Bewohnern vorbehalten. Ebenerdig gibt es auch viele öffentliche Nutzungen. (Bild: Michael Heinrich)
Relaxen in den Gemeinschaftsbereichen über den Dächern von München. Nebenan gibt es auch Hochbeete mit Gemüse und Kräutern.
Relaxen in den Gemeinschaftsbereichen über den Dächern von München. Nebenan gibt es auch Hochbeete mit Gemüse und Kräutern. (Bild: Michael Heinrich)

Neue Wohnformen: gemeinsam bauen

Neben herkömmlichen 1-7-Zimmer Wohnungen gibt es auch neue Wohnformen wie Clusterwohnungen. Im Erdgeschoss bieten die Häuser eine Vielzahl an Nutzungen: Café, Veranstaltungs- sowie Toberaum, Ateliers, Werkstätten, Büros und Praxis-, Gemeinschafts- und Freiräume für die Bewohner und das gesamte Quartier.

 

Gemeinsam bauen und gemeinsam leben: Durch die hohe Baudichte und viele junge Familien finden die Kinder schnell Anschluss
Durch die hohe Baudichte und viele junge Familien finden die Kinder schnell Anschluss (Bild: Michael Nagy)

Die Häuser sind als Passivhäuser zertifiziert, haben einen niedrigen Wärmebedarf, Photovoltaikanlagen auf drei Dächern sowie ein zukunftsfähiges Mobilitätskonzept. Durch Letzteres konnten die Stellplätze für Wohnen um 50% und für Gewerbe um 25% reduziert werden. Pro Stellplatz ergibt sich dadurch eine Einsparung von ungefähr 12,7 t Treibhausgasen. Solche energetischen Parameter wurden durch die wissenschaftliche Begleitung der TUM bilanziert. Danach verursachen die Gebäude insgesamt 71 Tonnen weniger CO2 pro Jahr (für Strom- und Wärmebedarf) als Referenzgebäude und sparen 615 MWh nicht erneuerbare Primärenergie im ersten Jahr. Der gewonnene Strom wird in einen Localpool eingespeist, der zudem den Verbrauchsstrom liefert.

Auf drei Hausdächern liegen PV-Module. Der Strom wird in einen Localpool eingespeist, über den die gemeinschaftlichen Nutzungen und Mieter versorgt werden.
Auf drei Hausdächern liegen PV-Module. Der Strom wird in einen Localpool eingespeist, über den die gemeinschaftlichen Nutzungen sowie die Mieter versorgt werden. (Bild: Panasonic)

Vielfach ausgezeichnet

Das Projekt wurde bereits vielfach ausgezeichnet: mit dem Deutschen Städtebaupreis, dem Deutschen Landschaftsarchitekturpreis, dem „Ehrenpreis für guten Wohnungsbau” der Stadt München und einem Preis des Deutschen Architekturmuseums sowie dem DGNB Preis „Nachhaltiges Bauen“. Die Jury lobte:                                      

„Der partizipative Planungsprozess, die städtebauliche Anordnung, die verschiedenen Wohnformen, die gemeinschaftlichen Nutzungsangebote und die nachhaltige Bauweise überzeugen von der besonderen Qualität der baulichen Anlage.“

 

Die partizipativ geplanten Baukörper erhielten schon den DGNB Preis „nachhaltiges Bauen“
Die partizipativ geplanten Baukörper erhielten schon den DGNB Preis „nachhaltiges Bauen“ (Bild: Julia Knop)

Steckbrief WagnisART

Projektname
Genossenschaftliche Wohnanlage wagnisART

Standort
Fritz-Winter-Straße 4-16, 80807 München

Fertigstellung
2016

Bauherr
Wohnbaugenossenschaft wagnis eG, München

Architekten
Arge bogevischs buero, München und SHAG Schindler Hable, München

Wohneinheiten
138 für ca. 300 Bewohner

Nutzfläche
10.610 m² in 5 Häusern

Energiekonzept
Zertifiziertes Passivhaus, Fernwärmeversorgung, PV-Anlage Mietermodell, Regenwasserversickerung sowie Grundwasserbrunnen

Quellenangabe „Gemeinschaftlich nachhaltig bauen“
Forschungsbericht des Lehrstuhls für energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen der Technischen Universität München

 

Bikes and Rails in Wien

Die klimaschonend mobilen Mitglieder von ‘Bikes and Rails’ haben hinter dem Wiener Hauptbahnhof ein besonders nachhaltiges Hausprojekt realisiert. Dafür plante ihnen das ökologisch ausgerichtete Architekturbüro Reinberg ein Passivhaus aus Holz mit vielen sozialen Nutzungen.

 

Das ökologisch ausgerichtete Architekturbüro Reinberg entwarf und baute das Passivhaus aus Holz
Das ökologisch ausgerichtete Architekturbüro Reinberg entwarf und baute das Passivhaus aus Holz (Bild: Architekturbüro Reinberg)

Das Sonnwendviertel Ost, zentral hinter dem Wiener Hauptbahnhof gelegen, wird aktuell fertig gestellt. Besonders konsequent unter seinen vielen Baugemeinschaften ist der Verein Bikes and Rails (B’n’R). Besonders wichtig ist den Mitgliedern eine ressourcenschonende Lebensweise. Deshalb bauten sie ein Passivhaus aus Holz mit Photovoltaik auf dem Dach.

 

Ende Mai zogen die Mitglieder von Bikes and Rails hinter dem Wiener Hauptbahnhof ein. Im Juli eröffnete im Erdgeschoss die Radwerkstatt Lenkerbande, im August die Cafe-Bar ‚Brot & Rosen‘. (Bild: Bikes and Rails)

Im Alltag sind sie mit Fahrrad und Bahn klimafreundlich unterwegs. In der Hausgemeinschaft und mit der Nachbarschaft teilen sie zudem vieles: Werkzeug, Lastenräder, Internet und Raum. Außerdem vermieten sie an den Verein ‘Flüchtlinge Willkommen’ Räume für eine WG. Und im Erdgeschoss belebt ein Fahrradcafé mit Reparaturwerkstatt den kleinen öffentlichen Platz vor ihrem Haus. „Unser Haus soll ein Treffpunkt für gelebte Nachbarschaft im Haus und in der Umgebung sein“, heißt es von den Sprechern.

Gemeinsam ein Ziel haben: Am Anfang stand die Idee, dass Wohnen ein Menschenrecht ist, Bauen ökologisch und sozial verantwortlich passieren soll und Zusammenleben demokratisch und selbstbestimmt organisiert werden kann
Am Anfang stand die Idee, dass Wohnen ein Menschenrecht ist, Bauen zudem ökologisch und sozial verantwortlich passieren soll und Zusammenleben demokratisch und selbstbestimmt organisiert werden kann (Bild: Bikes and Rails)

Gemeinsam bauen und ‘Open-Source-Wohnen‘

B’n’R sind Teil des habiTAT, dem Mietshäuser Syndikat in Österreich, einem Verbund von etablierten Hausprojekten und neuen Projektinitiativen. Eigentum ist dabei dauerhaft sozial gebunden. Materiell und ideell ist das 1992 gegründete Mietshäuser Syndikat eine Art Dachgenossenschaft, die ehrenamtlich und nicht kommerziell weiter entwickelt wird, ähnlich wie bei Open-Source-Programmen.

 

Gemeinsam bauen wurde nur durch 208 Unterstützer*innen möglich, die ihrem gemeinwohlorientierten habiTAT Bauverein über 1,5 Mio. Euro private Direktkredite liehen
Die Mitglieder danken 208 Unterstützer, die ihrem gemeinwohlorientierten habiTAT Bauverein über 1,5 Mio. Euro private Direktkredite liehen (Bild: Bikes and Rails)

Vor dem Einzug kaufte B’n’R das Passivhaus und vermietete es günstig. Die notwendigen Eigenmittel stammen von der Hausgemeinschaft sowie privaten Direktkrediten von externen Unterstützern. Vom Klimabündnis Österreich wurde es daher schon als besonders nachhaltiges Wohnprojekt ausgezeichnet.

Die Reperaturstation 'Lenkerbande' im Haus bietet Gebrauchträder, Ersatzteile, Beratung und Platz für Selbsthilfe. Luftpumpe und Schlauchautomat gibt es auch außerhalb der Öffnungszeiten.
Die Reperaturstation ‘Lenkerbande’ im Haus bietet Gebrauchträder, Ersatzteile, Beratung und Platz für Selbsthilfe. Luftpumpe und Schlauchautomat gibt es auch außerhalb der Öffnungszeiten. (Bild: Bikes and Rails)

Steckbrief Bikes and Rails

Projektname
Bikes and Rails, Verein zur Förderung gemeinschaftlichen Wohnens und nachhaltiger Mobilität

Standort
Emilie-Flöge-Weg 4, 1100 Wien

Fertigstellung
Frühjahr 2020

Wohneinheiten
18

Nutzfläche
2.181 m²

Bauträger
Familienwohnbau gemeinnützige Bau- und Siedlungsgesellschaft

Architekten
Architekturbüro Reinberg ZT, Wien

Prozessbegleitung
wohnbund:consult eG

Besonderheiten
Passivhaus, PV-Anlage, Radcafé, Radgarage, Flüchtlings-WG, Veranstaltungsraum, Loggien und Zugang im 4-geschossigen sowie ein südorientierter Wintergarten