Der Gabrielhof – vier Familien, ein Bauernhof

Vier Familien haben den Gabrielhof in Eggstätt, Chiemgau, ressourcenschonend, wohngesund und baubiologisch saniert. Dadurch wurde eine Neuversiegelung vermieden und der alte Bauernhof erstrahlt in neuer Pracht.

In diesem Artikel:

  1. Ein alter Bauernhof mit neuem Anbau
  2. Cradle-to-Cradle-Prinzip
  3. Individuelle Lösungen
  4. Ressourcenschonend und gesund bauen
  5. Nachhaltige Wirkung
  6. Baudaten Gabrielhof

Ein Beitrag unserer Redaktion.

“Ökologisch bauen kostet nicht mehr als ein konventionelles Haus, wenn man es vernünftig angeht”

Architekt Eik Kammerl

 

Der Gabrielhof: Ein alter Bauernhof mit neuem Anbau

Die ökologischen und baubiologischen Ansprüche der vier Baufamilien, die aus einem heruntergekommenen Hof im Chiemgau wieder ein stolzes Anwesen machten, waren hoch. Obwohl das Budget knapp war, gewannen sie einen ersten Preis beim ‘KfW Award Bauen 2019‘.

Der 1914 erbaute Gabrielhof im bayerischen Eggstätt fügt sich harmonisch ins Landschaftsbild und bietet den Baufamilien, die ihn 2014 in einem desolaten Zustand erwarben, viel Platz zum Leben, ohne dass neue Fläche versiegelt wurde. Mit vereinten Kräften haben sie das ursprüngliche Haupthaus saniert und den zerfallenen Holzanbau – ein langer Stall mit Scheune – durch drei fast gleich große, neue Reihenhäuser ersetzt.

Cradle-to-Cradle-Prinzip

Hubert und Brigitte Janson, deren dreiköpfige Familie wunschgemäß den Altbau bekam, hatten bei den Sanierungsarbeiten, die bis auf Sanitär- und Elektroinstallation in Eigenleistung erfolgten, ein echtes Schlüsselerlebnis. „Da habe ich hautnah erfahren, was Cradle to Cradle bedeutet“, sagt der Bauherr. Sie mussten das Gebäude bis auf die Außenwände komplett entkernen und stießen dabei auf lediglich drei bis vier Materialien wie Kalkputz, Holz, Mauer- und Dachziegel.

Alle Materialien konnten problemlos entsorgt oder zurück in den Kreislauf gebracht werden. Die einzige Ausnahme bildete das später eingebaute Bad. Bei seinem Ausbau fielen von Porenbetonsteinen über Gipskartonplatten bis hin zu Plastikfußboden und diversen Verbundstoffen die unterschiedlichsten Baustoffe an, wobei vieles gesondert entsorgt werden musste.

Individuelle Lösungen

Solch einen Sündenfall gab es bei der Sanierung nicht mehr. An Wänden und Decken sind nur noch Lehm oder Holz zu finden. Um das Gesicht der Außenfassade nicht zu verändern, wurde das 50 Zentimeter dicke Mauerwerk mit einer Holzfaserplatte von innen gedämmt. Darauf kam eine Wandheizung in einem Lehmputz. Im Erdgeschoss entschied sich das Ehepaar für einen Schwingboden aus Eiche. Seine leicht nachfedernden Dielen sind eine Wohltat für Kniegelenke und Rücken.

In den oberen Stockwerken liegen unbehandelte Ahorndielen und an den neuen Holzbalkendecken fallen die sägerauen, gebürsteten Fichtenbretter mit ihrer schönen Zeichnung ins Auge. Auch wenn die vierjährige Sanierungszeit für Familie Janson anstrengend war: Die Mühe hat sich gelohnt. Vater, Mutter und Sohn genießen den unverwechselbaren Charme und die einzigartige Atmosphäre ihres individuellen Zuhauses in vollen Zügen.

Der Gabrielhof wurde ressourcenschonend und gesund gebaut

Die drei Reihenhäuser teilen sich mit dem Altbau das neu errichtete Dach. Auch in den neuen Räumen dominieren naturbelassenes Holz und Lehm. So kam beim Aufbau der Außenwände aus massivem Vollholz kein ökologisch kritischer Leim zum Einsatz. Die Holzbohlen aus heimischer Fichte werden stattdessen durch eine vernagelte Querlage zusammengehalten. Auch die aus ökonomischen Gründen akzeptierten Haustrennwände aus Betonverfüllsteinen sind nicht ‘von der Stange’. Die Baufamilien bestanden auf einem Verfüllbeton ohne chemische Zusätze und suchten so lange, bis sie ein Betonwerk fanden, das ihnen eine entsprechende Mischung herstellte. Zwar brauchte diese länger zum Austrocknen, doch der Lehmputz konnte dank seiner Elastizität und Durchlässigkeit für Feuchte mit dieser Herausforderung gut umgehen.

Als Dämmung gegen das Erdreich wurde Glasschaumschotter aus anderweitig nicht recycelbarem Altglas gewählt. Das Material hat sich in diesem Bereich bewährt und war letztendlich sogar günstiger als eine konventionelle Dämmung und eine anschließend notwendige kapillarbrechende Schicht. Im Winter bannt die im Erdgeschoss im Estrich verlegte Fußbodenheizung zusätzlich jede Gefahr kalter Füße. In den Geschossen darüber wurden Wandflächenheizungen installiert, die durch ihre angenehme Strahlungswärme stark zum allgemeinen Wohlbefinden beitragen. Die notwendige Heizenergie liefert die Hackschnitzelanlage des Nachbarn. Außerdem nutzt eine Solaranlage die Sonne als regenerative Energiequelle.

Gabrielhof: Blick über die Landschaft: In diesem Haus liegt der Wohnmittelpunkt im Obergeschoss.
Blick über die Landschaft: In diesem Haus liegt der Wohnmittelpunkt im Obergeschoss. (Bild: KfW Bankengruppe/Claus Morgenstern Titelbild)

Nachhaltige Wirkung

„Ökologisch bauen kostet nicht mehr als ein konventionelles Haus, wenn man es vernünftig angeht“, sagt Eik Kammerl, der Architekt, der das Projekt betreute. Der erfahrene Planer konnte beim Gabrielhof die Kosten erfolgreich im Rahmen halten. Das lag auch an dieser besonderen Baugruppe mit gelebtem Gemeinschaftssinn: „Wenn einer sein Ding durchdrücken will, geht sowas nicht“, formuliert es Corinna Schneider, die in einem der Reihenhäuser wohnt. Gerne packten alle tatkräftig mit an. Das nächste Projekt steht bereits vor der Tür: Demnächst werden die Außenanlagen gerichtet – mit Hilfe des Preisgeldes aus dem KfW Award.

Sie interessieren sich für ressourcenschonendes Bauen? Dann können wir Ihnen die folgenden Beiträge empfehlen:

Baudaten Gabrielhof

Erweiterung eines Bauernhauses für vier Familien in Eggstätt, Chiemgau:

Sanierung
2015 – 2018

Neubau
2016 – 2017

Bauweise Bestand
Ziegelaußenwand, Innendämmung, Lehmputz

Böden und Decken
Eiche, Ahorn, Fichte

Bauweise neu
Holzmassivbau aus heimischem Fichtenholz, vorgehängte Schalung aus unbehandeltem Lärchenholz, Zellulose Einblasdämmung, Lehmputz, Dielenböden, teilweise Sichtestrich

Energiekonzept
Fernwärme aus Hackschnitzelanlage sowie Solaranlage, Fußboden- und Wandflächenheizung, Solaranlage, Regenwassernutzung

Bauherren
Familien Emerson, Janson, Oßwald/Dietz und Schneider

Architekten
Kammerl & Kollegen, Pfaffing

 

Wenn Sie sich für umgebaute Scheunen interessieren, haben wir hier noch einen interessanten Beitrag für Sie. Die Innenarchitektin Stephanie Thatenhorst hat sich einen Traum erfüllt und eine alte Scheune der Familie in ein Urlaubsdomizil verwandelt.

Text: Margot Allex-Schmid

Wie gefällt Ihnen dieser Beitrag?