Nachhaltige Baustoffe: Stroh, Hopfen und Popcorn

Nachhaltgkeit am Bau: Aufmacherbild Hopfen
Foto: Pixabay

Hoher Energieverbrauch, schlechte Klimabilanz, Schadstoffe - herkömmliche Baustoffe wie Beton, Styroporplatten oder chemisch gebundene Spanplatten haben mittlerweile einen miserablen Ruf. Würden wir nur noch mit dem Öko-Champion Holz bauen, sähe es schlecht aus für unsere Wälder.

Deshalb arbeiten Wissenschaft und Industrie mit Hochdruck an neuen Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, zum Beispiel aus pflanzlichen Abfallprodukten. Drei solcher Innovationen hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) bei der DGNB Sustainability Challenge 2023 ausgezeichnet. Strohplatten könnten im Baumarkt schon bald Gipskartonplatten ersetzen, und auch Hopfen und sogar Popcorn eröffnen neue Wege. Die Ideen für mehr Nachhaltigkeit am Bau waren noch nie so kreativ.

  1. Stroh: Wunderstoff aus der Natur für Hightech-Wände
  2. Hopfen: Gut zum Brauen, gut zum Bauen
  3. Popcorn: Smart bauen statt snacken
  4. Fazit: Die neuesten Trends für nachhaltige Naturstoffe am Bau

Christian Mascheck
Fachautor CRADLE

Stroh: Wunderstoff aus der Natur für Hightech-Wände

Die Trockenbauwände aus Stroh werden in der richtigen Höhe angeliefert, sodass kein weiterer Verschnitt beim Innenausbau anfällt.
Foto: Stramen Tec.

Seit Tausenden von Jahren werden die ausgedroschenen, trockene Halme von Getreide auf vielfältige Weise genutzt. Stroh dient als Streu für Tiere, mit Mist vermischt als Dünger oder zur Herstellung von Matten und Matratzen. Auch Häuser aus Strohballen werden schon seit Längerem gebaut oder damit gedämmt, wie wir in diesem Artikel zeigen: Dämmen mit Stroh »

Doch was die Firma Stramen.Tec aus dem landwirtschaftlichen Abfallprodukt macht, ist unter den nachhaltigen Baustoffen nahezu einzigartig: Bei 200 Grad Celsius unter hohem Druck gepresst, entstehen aus Stroh ohne Zusatzstoffe Wandmodule für den Trockenbau. Das im Stroh enthaltene Lignin, ein wahres Wundermaterial der Natur, bindet die Pflanzenfasern und gibt ihnen so viel Festigkeit, dass die fertigen Platten ohne Ständerwerk auskommen.

Für den Leitgedanken des Cradle-to-Cradle-Prinzips ist es eine sensationelle Nachricht, dass auf Metallständer komplett verzichtet werden kann. Die gesamten Strohwände können am Ende der Nutzungsdauer wiederverwendet und in den Produktionsprozess zurückgeführt werden, sodass kein Bauschutt anfällt.

Nachhaltgkeit am Bau: Verarbeitung von Strohwänden
Die Verarbeitung der Strohwände erfolgt wie mit herkömmlichen Trockenbauwänden.
Foto: Stramen Tec.

Da Stroh CO₂ speichert, sind die Produkte klimapositiv. Für diese Entwicklung erhielt Stramen.Tec den DGNB Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie „Start-up“. Mit einem Fabrikneubau „mitten in einem Strohgebiet“ wollen die Gründer Eckhardt Dauck und Claus Fischer nun in die Massenproduktion einsteigen. Ihr Ziel: Strohplatten aus 10 Millionen Tonnen Rohstoff sollen künftig die 40 Millionen Quadratmeter Gipskartonplatten ersetzen, die jährlich in Deutschland verbaut werden.

Hopfen: Gut zum Brauen, gut zum Bauen

Hopfenernte Nachhaltigkeit am Bau
Der größte Teil der Hopfenernte landet im Häcksler. Dabei kann die Pflanze für mehr Nachhaltigkeit am Bau sorgen.
Foto: Pixabay/Günter

Wohl jeder kennt Hopfen als Hauptbestandteil eines (nicht nur) deutschen Lieblingsgetränks. Zum Bierbrauen werden jedoch nur die Blütenstände, die sogenannten Dolden, verwendet. 80 Prozent der gesamten Hopfenernte sind daher Bioabfälle, die bestenfalls zerkleinert als Dünger oder gar nicht genutzt werden.

Eine Studentengruppe der Technischen Universität München (TUM) hatte jetzt eine gute Idee: Sie startete ihr Projekt HopfOn, für das sie beim DGNB-Nachhaltigkeitswettbewerb einen Sonderpreis in der Kategorie „Forschung“ erhielten. Mit regionalen Rohstoffen aus der bayerischen Hallertau, dem größten Hopfenanbaugebiet der Welt, haben sie ein Verfahren entwickelt, um aus den Abfällen hochwertige, kreislauffähige, klimafreundliche und zudem kostengünstige Baupaneele sowie Akustik- und Wärmedämmplatten herzustellen. Schon in wenigen Jahren soll die Technologie marktfähig sein.

Die Zukunftsvision ist bestechend: Wenn es auf einer Party dank flüssigem Hopfengenuss mal etwas lauter zugeht, könnte dann eine Schallschutzwand aus Hopfenabfällen dafür sorgen, dass die Nachbarn nicht gestört werden. Ein Prost auf die Nachhaltigkeit!

Nachhaltgkeit am Bau: Baumaterial aus Hopfen
Erste Produktproben des neuen Baumaterials aus Hopfen.
Foto: HopfOn

Dämmen mit Pilzen

Mit Akustikabsorbern können laute Geräusche effektiv gedämpft werden. Myamo ist ein nachhaltiges und ressourcenschonendes Akustikmodul auf Basis von Pilzen, das Design, Ästhetik und den Gedanken der Kreislaufwirtschaft vereint. In unserem Artikel erfahren Sie mehr über Myamo »

Popcorn: Smart bauen statt snacken

Konstruktionspaneele aus Popcorn
Knackige Nachhaltigkeit: Konstruktionspaneele aus Popcorn.
Foto: Smarter Habitat

Im dunklen Kinosaal kam Professor Alireza Kharazipour die Erleuchtung. „Das fühlt sich an wie Styropor und ist auch so leicht“, stellte er fest und griff in seine Popcorntüte.

Der Forstwissenschaftler der Universität Göttingen war auf der Suche nach nachhaltigen Alternativen zu Holz und Kunststoff in Verbundplatten und begann, mit expandierten Maiskörnern, also Popcorn, zu experimentieren. Das 2019 gegründete Münchner Unternehmen Smarter Habitat erwarb die Lizenz für die Göttinger Erfindung und entwickelte ecoHAB, eine Konstruktionsplatte mit einem Kern aus gepopptem Industriemaisgranulat und Laminaten aus Naturstoffen wie Hanf, Flachs, Sisal oder langfaserigen Agrarabfällen.

Die CO₂-freien und vielseitig einsetzbaren Verbundplatten wurden mit dem DGNB-Nachhaltigkeitspreis 2023 in der Kategorie „Innovation“ ausgezeichnet. Smarter-Habitat-Geschäftsführer Datty Ruth will damit zu einem weltweiten Umdenken in der Bauindustrie hin zu nachhaltigen Baustoffen beitragen. Da die ecoHAB-Platten kostengünstig aus regionalen Rohstoffen hergestellt werden können, sollen sie aber auch helfen, den dringend benötigten günstigen Wohnraum zu schaffen.

Ausgezeichnete Nachhaltigkeit: DGNB Sustainability Challenge

Jedes Jahr lobt die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) den Nachhaltigkeitswettbewerb DGNB Sustainability Challenge aus. Gesucht werden „echte Innovationen, die Bestehendes hinterfragen, Neues anstoßen und Veränderungen bewirken“, auch im Hinblick auf die Bau- und Immobilienwirtschaft und ihren Umgang mit Nachhaltigkeit. Bewerben können sich Start-ups und Forschungsprojekte mit Produkten wie nachhaltigen Baustoffen, Verfahren oder Geschäftsmodellen, die beispielsweise einen Beitrag zum Klimaschutz oder zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen leisten. Die Preise werden in den Kategorien Innovation, Start-up und Forschung vergeben.

Preisverleihung DGNB
Das Unternehmen Smarter Habitat bei der Verleihung des DGNB-Awards in der Kategorie „Innovation“.
Foto: DGNB e.V.

Baustoff-Innovation: Hanfbeton

Ein anderer nachhaltiger Baustoff, der bereits auf Baustellen zum Einsatz kommt, ist Hanfbeton. Hanf ist ein vielseitiger, nachhaltiger und schnell nachwachsender Rohstoff − und eine echte Alternative zu den herkömmlichen Baustoffen, die viel Energie und CO2 verbrauchen. Hanfbeton kann ähnlich wie Beton in Schalungen gegossen werden, lässt sich aber auch in Form von vorgefertigten Hanfsteinen zum Mauern verwenden.

In unserem Artikel erfahren Sie mehr über die Eigenschaften sowie die Vor- und Nachteile des innovativen Baustoffs Hanfbeton »

Fazit: Die neuesten Trends für nachhaltige Naturstoffe am Bau

Nachhaltige Baustoffe auf natürlicher Basis können konventionelle Produkte mit hohem Ressourcenverbrauch, CO₂-Ausstoß und Schadstoffgehalt ersetzen. Das zeigen unsere drei Beispiele:

  • Trockenbauwände aus gepresstem Stroh kommen komplett ohne Zusatzstoffe und ohne Ständerwerk aus.
  • Abfälle der Hopfenernte, die nicht zum Brauen verwendet werden, können kostengünstig zu Baupaneelen, Akustik- oder Dämmplatten verarbeitet werden.
  • Auch Puffmais (Popcorn) ist als Kern von Naturstoffverbundplatten eine nachhaltige Alternative zu Kunststoffprodukten.