Design Build – studentische Bauprojekte

Design Build Projekte: die Bauprojekte werden von Studierenden geplant und umgesetzt
Bild: Matthias Kestel

Design Build: Studentische Bauwerke

Mit Design Build sind nun auch Partizipation und Selbsthilfe in den Universitäten und Hochschulen angekommen. Die Studierenden planen aber keine Luftschlösser, sondern bauen notwendige Gebäude wie Gemeinschaftshäuser. Die Planung und das Bauen verbinden somit die verschiedenen Ebenen: von der Großform über die Details bis hin zur greifbaren Realität.

Bei einem Design Build werden die Projekte von Studierenden nicht nur geplant, sondern auch durchgeführt

Geplant und gebaut werden sowohl auf dem eigenen Campus als auch international. In Schwellen- oder Entwicklungsländern werden gemeinsam mit Einheimischen kommunale Projekte wie Schulen, Bibliotheken, Ambulanzen sowie Einrichtungen für sozial Benachteiligte entwickelt. Besonders im Ausland ist dieses gemeinsame Selbstbauen ein sozialer Prozess.

Dieser soziale Aspekt von Architektur gerät zunehmend ins Blickfeld: Auch wichtige Nachhaltigkeitssiegel wie das der Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen und das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen des Bundes lenken ihren Fokus inzwischen auf soziale Bereiche. Dafür haben sie eigene Bewertungskriterien entwickelt. Die Ausstellung ‘Think Global, Build Social!’ des Deutschen Architekturmuseums (DAM) und des Architekturzentrums Wien lief 2013 im Frankfurter DAM und tourte dann noch einige Jahre durch die Welt.

 

Minimalistische Ästhetik

Beim selbst Bauen sind die Ressourcen immer knapp. Der geringe finanzielle Rahmen wird daher mit viel Eigeninitiative und Kreativität ausgeglichen. Die Ästhetik, die an den Hochschulen durch das Weiterentwickeln aktueller Designtendenzen entsteht, hat dadurch etwas Selbstverständliches. Deswegen wird gerade lokalen Baumaterialien oft viel Raum eingeräumt.

Bei der Schule in Nairobi wurden zum Beispiel Steine aus dem nächsten Steinbruch verwendet. Bei der Modellbauwerkstatt in Liechtenstein wählten die Professoren Holz, die Studierenden entschieden sich hingegen für Holzlatten. Für das Studentenwohnheim in Stuttgart kamen vorfabrizierte Baustoffe zum Einsatz und die Schule in Bangladesch entstand aus Bambus und Lehm.

 

Erstes Beispiel: Skills Center, Nairobi, Kenia

Das erste Beispiel ist die ästhetische Handwerkerschule ‘Skills Center Nairobi’, die von Studierenden aus Deutschland und Kenia geplant und gebaut wurde. Mit lokalen Baumaterialien errichteten sie eine soziale Schule, in der junge Erwachsene des nahen Slums ausgebildet werden.

Ein Bauprojekt in Nairobi. Das Skills Center Nairobi wurde von Studierenden aus Deutschland und Kenia geplant.
Bild: Matthias Kestel

Organisatoren sind deutsche sowie kenianische NGOs. Das Fachgebiet Holzbau der Technischen Universität München kooperierte dazu mit der lokalen Universität. Die Architekturstudierenden entwarfen und planten Klassenzimmer, einen Gemeinschaftsraum mit Speisesaal, Küche und Verwaltung, Schlafräume, Toiletten sowie Duschen. Die Gebäude bilden begrünte Innenhöfe, die wie Oasen in dem staubigem Gelände wirken. Indem sich überdachten Bereiche mit geschlossenen, hohen Räumen abwechseln, ist das Gebäude optimal an das lokale Klima angepasst.
Die Wände der Gebäude sind aus massivem, handbehauenem Naturstein in der lokalen Tradition vermauert. Die schwere Bauart puffert die starken Tag-Nacht-Temperaturschwankung ab und gewährleistet somit ein angenehmes Raumklima ohne aktive Heizung und Kühlung.

Hohe Räume und luftgekühlte Decken: so bleibt das Skills Center in Nairobi auch an heißen Tagen kühl.
Das Skills Center in Nairobi ist durch hohe Räume und luftgekühlte Decken auch im heißen Klima komfortabel (Bild: Matthias Kestel)

Die Dachtragwerke sind aus leichten Bambusrohren konstruiert. Der schnell wachsende, einheimische Bambus wurde auch für das Flechtwerk an Fenstern und Türen, als Armierung der Betonbodenplatten sowie für Leitern und Gerüste verwendet.

Regionale und nachwachsende Ressourcen wie Bambus werden bei den studentischen Projekten gerne verwendet.
Zum Einsatz kommen lokale Materialien wie Naturstein sowie unterschiedliche Qualitäten von Bambus

Baudaten Design Build Nairobi

  • Architektur: Prof. Stefan Krötsch, Fachgebiet Holzbau der TU München sowie Prof. Hermann Kaufmann
  • Nutzfläche: 285 m² sowie 83 m² überdachte Freifläche
  • Mitarbeitende: 67 Studierende der Architektur, des Bauingenieurwesen und der Baukonstruktion von der TU München, der HS Augsburg und der JKUAT Nairobi, außerdem 32 lokale Arbeiter
  • Internet: orangefarm-ev.de

Zweites Beispiel: Modellbauwerkstatt, Liechtenstein

Die Modellbauwerkstatt ist ein Bauprojekt der Uni Liechtenstein
Auch die neue Modellbauwerkstatt der Universität Liechtenstein ist ein prämiertes Design Build Projekt (Bild: Bruno Klomfar)

In Liechtenstein entwarfen und bauten Studierende der Architekturfakultät ihre eigene Modellbauwerkstatt. In einem intensiven Gestaltungsprozess mit handwerklichem Fokus entstand ein konstruktiv elegantes und haptisch ansprechendes Gewölbe aus filigranen Holzbögen.

Design Build mit Holz: filigrane Dachelemente, die von Hand verlegt werden
Identifikation durch Hand anlegen: Die in einer handlichen Größe vorgefertigten, filigranen Dachelemente werden zusammengebaut (Bild: Darko Todorovic)

Die 2017 fertig gestellte, schwungvolle Konstruktion nutzt elegant die organische Spannung des Naturbaustoffs. Die minimalistische Tragstruktur der ausgewählten Variante besteht nur aus gebogenen Brettern, sowohl für den Boden als auch für das Dach. «Die dabei gemachten Erfahrungen im realen Maßstab stellen einen unschätzbaren Wert für die Studierenden dar», betont Dr. Carmen Rist-Stadelmann, Hochschuldozentin und Leiterin einer der beiden Entwurfsgruppen.

2018 wurde die Modellbauwerkstatt deshalb als eines von 7×7 guten Beispielen im Rahmen des durch die EU geförderten Projektes «Triple Wood – nachhaltige Holzbaukultur im Alpenraum» ausgewählt.

Baudaten Modellbauwerkstatt Design Build Liechtenstein

  • Bauherr: Universität Liechtenstein, Institut für Architektur und Raumentwicklung
  • Nutzfläche: 72 m²
  • Begleitung Umsetzung: Zimmerei Frommelt Ing. Holzbau AG
  • Mitarbeitende: 53 Studierende, Entwurfsleitung Dr. Carmen Rist-Stadelmann sowie Prof. Urs Meister
  • Internet: uni.li/de/thema/architektur/hands-on/modellbauwerkstatt

Drittes Beispiel: Studentenwohnheim Bauhäusle, Stuttgart Vaihingen

Das Studentenwohnheim ‘Bauhäusle’ wurde bis 1983 von den Professoren Peter Hübner und Peter Sulzer mit 250 Studierenden geplant und gebaut. Sie griffen dabei auf ein modulares System des englischen Architekten Walter Segal zurück. Nach diesem System hatte er zuletzt in London zwei öffentlich geförderte Siedlungen in Selbsthilfe gebaut. Auch er verwendet vorfabrizierte Elemente wie Mauerwerksdielen, sodass die Erbauer ihr Gebäude mit einfachen Mitteln und wenig Maschinen selbst errichten können.

EIn Projekt des Studierendenwohnheims Stuttgart Vaihingen: das Bauhäusle
Beim Stuttgarter Studentenwohnheim 'Bauhäusle' wird seit Jahrzehnten partizipativ geplant und zusätzlich weitergebaut (Bild: Bauhäusle)

Das Bauhäusle ist ein Holzbau, der in das Grundstück eingepasst und um einen alten Kirschbaum herum geplant wurde. Es bietet Zimmer zwischen 15 und 28 Quadratmetern. Auch heute noch ist das Wohnheim selbst verwaltet und ist somit für seine Bewohner ein Ort hoher Identifikation.

Versammlung der Studierenden auf dem Dach des Bauhäusles
Versammlung auf dem Dach des selbst verwalteten Wohnheims (Bild: Heiner Steinacker)

Immer bauen sie weiter: 2019 haben sie einen gemeinsam genutzten Wintergarten erneuert – leicht vergrößert und besser gedämmt. Dabei sind sie konsequent nachhaltig. Sogar die recycelten Fenster fuhren sie mit dem Lastenrad auf die Baustelle.

Der Wintergarten des Studierendenwohnheims Bauhäusle
Bild: Heiner Steinacker

Baudaten Design Build Stuttgart

  • Nutzfläche: 30 Zimmer, 2 Küchen, 4 Duschen sowie 4 Toiletten auf ca. 757 m²
  • Architektur: Prof. Peter Hübner, Prof. Peter Sulzer, Studierende
  • Mitarbeitende: 250 Studierende (ca. 28 000 h)
  • Internet: bauhaeusle.de

Viertes Beispiel: Meti Handmade School, Rudrapur, Bezirk Dinajpur, Bangladesch

Das Design Build Projekt von Anna Heringer: die Meti Handmade School in Rudrapur, Bezirk Dinajpur, Bangladesch
Die preisgekrönte Meti Handmade School in Bangladesch besteht aus den örtlichen Baumaterialien Lehm und Bambus (Bild: Kurt Hörbst)

Ein etwas anderes Design Build Projekt ist die Meti Handmade School in Bangladesch, denn sie war Teil von Anna Heringers Abschlussarbeit ihres Architekturstudiums und wurde 2005 mit lokalen und internationalen Kooperationspartnern gebaut. Der Architekt Eike Roswag unterstützte Heringer bei der Ausarbeitung der technischen Planung.

Mit Lehm und Bambus: die Meti Handmade School
Bild: Bauteam

Mit lokalem Lehm und Bambus, lokalen Energieressourcen wie Büffeln und lokalen Kompetenzen entstand nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch ein Zuhause für die Schüler. Neben hohen, schattigen Räumen gibt es außerdem kleine Höhlen als Refugium.

Inzwischen ist Heringer Honorarprofessorin des UNESCO Lehrstuhls für Lehmarchitektur, Baukultur und Nachhaltigkeit. Weiter veranstaltet sie Workshops und Selbstbaustellen. 2018 stampfte sie zum Beispiel mit der Gemeinde des Wormser Doms einen Altar und ein Ambo aus Lehm. Des Weiteren baute sie 2019 mit Studierenden der Harvard University Graduate School of Design einen Pavillon aus Stampflehm.

Baudaten Design Build Bangladesch

  • Nutzfläche: 325 m² für 3 Klassenräume und 6 Höhlen im EG sowie einen teilbaren Klassenraum im OG
  • Architektur: Anna Heringer, At-Salzburg/Laufen sowie Eike Roswag, Berlin
  • Tragwerksplanung, Fachberatung Lehmbau: Ziegert Roswag Seiler, Berlin sowie Martin Rauch, At-Schlins
  • Mitarbeitende: 2 Architekten, 2 Fachhandwerker aus Deutschland, 6 Freiwillige aus Deutschland und Österreich, außerdem 40 lokale Arbeiter
  • Internet: anna-heringer.com

 

Ein weiteres Design Build Projekt finden Sie hier.

Text: Achim Pilz
Bilder, wenn nicht anders gekennzeichnet: Pixabay